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Wenn schon Pflegefall, dann zu Hause – so wünschen es sich die meisten Menschen. Die Pflegeversicherung trägt diesem Anliegen mit dem Grundsatz „ambulant vor stationär“ ausdrücklich Rechnung. Tatsächlich aber ist die qualitätsgerechte ambulante Versorgung von Pflegebedürftigen aufgrund beträchtlichen Personalmangels gefährdet, stellt eine repräsentative Befragung des Zentrums für Qualität in der Pflege (ZQP) fest. Diese Situation sei ein „Risiko für die Patientensicherheit“, warnte ZQP-Vorstand Dr. Ralf Suhr kürzlich bei der öffentlichen Vorstellung der Untersuchung.
Der Befund stützt sich auf die Befragung von bundesweit 535 ambulanten Pflegediensten. Gut die Hälfte (53 %) gab an, in der eigenen Einrichtung seit mindestens drei Monaten offene Stellen für Pflegefachkräfte zu haben. Auf Deutschland hochgerechnet ergibt das dem ZQP zufolge 16.000 vakante Stellen in ambulanten Pflegediensten. 13 Prozent der Dienste geben an, in den vergangenen drei Monaten sogar bestehende Versorgungsverträge wegen Fachkräftemangels gekündigt zu haben.
Den Ernst der Lage macht die Aussage von 80 Prozent der befragten Dienste deutlich, in den zurückliegenden drei Monaten neue Versorgungsanfragen abgelehnt zu haben, weil sie die Pflege nicht hätten sicherstellen können – durchschnittlich knapp elf Absagen (10,9) pro Anbieter. Auf Bundesländer-Ebene kommt es in Sachsen (12,1), NRW (14,5) und Niedersachsen (18,5) zu den meisten Absagen. Hessen (7,2), Baden-Württemberg (7,3) und Bayern (10) liegen unter dem Bundesdurchschnitt.
Ambulante Dienste versorgten Jahr 2017 rund 830.000 von insgesamt 3,4 Millionen pflegebedürftigen Menschen hierzulande – ein Anstieg von 84 Prozent seit 2003. Mehr noch: „Wenn sich die Zahl pflegebedürftiger Menschen in Deutschland wie prognostiziert von heute etwa 3,4 auf 4,9 Millionen im Jahr 2054 erhöht, wird es sehr schwer werden, alle diese Menschen gut zu versorgen“, heißt es beim ZQP. Personalmangel birgt per se Gefahren für die Patienten und Belastungen für die Angehörigen, eine Verschärfung der Personalsituation hätte für alle Beteiligten gravierende Auswirkungen. Typische Gefahren in der ambulanten Pflege sind der ZQP-Untersuchung zufolge Stürze, Infektionen und Medikationsschäden, besondere Risikoquellen sind
„Mangelnde ambulante Versorgungskapazitäten können eine Überforderung pflegender Angehöriger begünstigen“, heißt es in der Untersuchung. „Sie können auch zu einem Heimeintritt führen, der bei adäquater ambulanter Versorgung nicht nötig wäre.“
Mit hoher Dringlichkeit müsse das Berufsfeld der Pflege attraktiver gemacht werden, fordert ZQP-Experte Suhr. Es müsse selbstverständlich sein, in der Pflege „professionell und gerne zu arbeiten“. Bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen im Sinne der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, gehörten unbedingt dazu. Doch das allein reiche nicht. „Wir müssen zusätzlich die Chancen gezielter Prävention und der Digitalisierung im Gesundheitswesen nutzen“, argumentiert Suhr. Die vielerorts noch handschriftliche Pflegedokumentation müsse durch zeitsparende und sicherheitsfördernde digitale Dokumentationssysteme ersetzt werden.
Die Politik hat die Probleme erkannt, wie das von der Bundesregierung vorgelegte Strategiekonzept „Konzertierte Aktion Pflege“ deutlich macht. Die darin angekündigten Maßnahmen schließen eine verbesserte Entlohnung, verbindliche Personalschlüssel für Pflegekräfte und eine Digitalisierungsoffensive ein. Jetzt kommt es darauf an, schnell und umfassen zu liefern. Ein Ende Oktober eingereichter Gesetzentwurf des Bundesarbeitsministeriums sieht schon mal eine Tarifvereinbarung für Pflegekräfte oder alternativ höhere Pflegemindestlöhne vor.
Fachpersonenmangel in der ambulanten Pflege, Ergebnisse einer ZQP-Befragung, Hg.: Stiftung ZQP, Berlin 2019, 4 Seiten, Download
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