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Nationalismus, Brexit, Flüchtlinge, Italien – die Europäische Union steckt in der größten Krise ihres Bestehens. Mit den Parlamentswahlen im Mai 2019 steht ein kritischer Test an, ob die EU von den Bürgern noch als Gemeinschaft mit Zukunft wahrgenommen wird. In dieser Situation fragt eine aktuelle Studie, wie die Identifikation der Bürger mit Europa gestärkt werden kann. Dahinter stehen das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW), Mannheim, und das Ifo-Institut München für das Forschungsnetzwerk EconPol Europe.
Mehr Integration, mehr Frieden, mehr Wohlstand: In den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg war die europäische Einigung eine Erzählung mit positiver Selbstverstärkung. In den vergangenen Jahren beobachten wir hingegen eine unheilvolle Abwärtsspirale – bestehend aus ökonomischen Krisen, Skepsis und Nationalismus. „Das Szenario eines Zerfalls der EU scheint dabei nicht mehr ausgeschlossen“, argwöhnen die Studienautoren.
Bevor sie ihre Vorschläge für ein gestärktes Europa-Bewusstsein einbringen, differenzieren sie zwei zentrale Begrifflichkeiten: „europäische Identität“ und „Unterstützung für die EU“. „Eine starke Identifikation als Europäer ist nicht gleichbedeutend damit, die EU, ihre Institutionen, eine Vertiefung der politischen Integration oder bestimmte europäische Politiken (...) zu unterstützen.“
Die Europanähe der Bürger hängt von vielen Variablen ab: Menschen mit europäischem Zugehörigkeitsgefühl sind häufig jung, gut ausgebildet und haben vielfältige Reiseerfahrungen und Kontakte mit EU-Ausländern, beschreibt die Studie. Ältere und ärmere Menschen, die wenig über Europa wissen oder auf dem Land wohnen, fühlen sich hingegen deutlich seltener als Europäer. Überdies begünstigen politisches Interesse und Zufriedenheit mit dem demokratischen System das Denken in europäischen Kategorien.
Überraschend, dass vor dem Fall des Eisernen Vorhangs die Unterstützung für die EU erheblich höher war als heute. 1991 bewerteten noch gut 70 Prozent der Befragten die Mitgliedschaft in der EU bzw. ihrer Vorgänger als „gute Sache“ – ein seither unerreichter Spitzenwert. Noch bevor es zur Nord- (1995) und Osterweiterung (2004/07) kam, fiel die Zustimmung auf zeitweise unter 50 Prozent. „Eine denkbare Erklärung ist, dass mit dem Ende des Kalten Krieges die politische Einigung (West-) Europas als weniger dringlich angesehen wurde.“ Finanz- und Eurokrise ließen die EU-Unterstützung deutlich abnehmen. Inzwischen liegt die Zustimmung wieder bei knapp 60 Prozent.
Ausschließlich als Europäer sahen sich im Befragungszeitraum (1992 bis 2017) stets nur weniger als zehn Prozent der Bürger, während sich 90 Prozent primär zu ihrem Nationalstaat bekannten. Rund die Hälfte davon betrachtet sich zugleich auch als Europäer. Der Anteil der Bürger mit rein nationaler Identität hat in den Jahren der Wirtschafts- und Finanzkrise zugenommen, ist seither aber wieder gefallen.
Zuspruch zur europäischen Integration setzt eine hinreichende Identifikation der Bürger mit Europa voraus. Auf der Basis von Faktoren, die mit europäischer Identität korreliert sind, schlagen die Autoren sechs Maßnahmen zur Stärkung der europäischen Identität vor:
Die Autoren wollen ihre Ideen nicht als paternalistische Aufforderung verstanden wissen, die EU unbedingt gut zu finden. „Es geht nicht darum, durch solche Maßnahmen die Zustimmung für die EU und ihre Politiken in die Höhe zu treiben, sondern möglichst vielen Menschen in Europa die Chance zu geben, Vorurteile abzubauen und Europa zu erleben. Nur dann sind wirklich ausgewogene Entscheidungen über Europa und die künftige Entwicklung der Union möglich“, so das Fazit von Mit-Autor Heinemann.
Sarah Ciagla / Clemens Fuest / Friedrich Heinemann, Deutsche, Franzosen, Italiener – und Europäer? Zur Entwicklung europäischer Identität, EconPol, Policy Report 9/2018, München 2018, 21 Seiten, Download
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