Suche
„Es gibt nur eins, was auf Dauer teurer ist als Bildung – keine Bildung.“ Gemäß dieser Einsicht, die dem einstigen US-Präsidenten John F. Kennedy zugeschrieben wird, könnte es ziemlich teuer werden: Jedenfalls, wenn man dem Bildungsmonitor 2019 folgt, der von einer Verschlechterung des Bildungssystems bundesweit bereits im zweiten Jahr in Folge berichtet. Die Untersuchung vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) nimmt eine bildungsökonomische Sichtweise ein – mit Fokus auf dem Beitrag des Bildungssystems zu den Aufstiegs- und Teilhabechancen des Einzelnen und zum Wohlstand der Gesellschaft.
Die Studie analysiert anhand von 93 Indikatoren in zwölf Handlungsfeldern zum Beispiel, wie hoch die Bildungsausgaben pro Bundesland sind oder wie das zahlenmäßige Verhältnis von Schülern zu Lehrern und von jüngeren zu älteren Lehrern ist. Weiterhin nimmt die Studie Daten zu Schul- und Ausbildungsabbrechern und zu den Testergebnissen in Lesen, Mathematik und Wirtschaftswissen der Schüler unter die Lupe.
Sachsen kann seinen Spitzenplatz unter den Bundesländern seit 2006 halten. Dahinter rangieren Bayern und Thüringen, Hamburg und Baden-Württemberg. Das Schlusslicht bilden Bremen, Brandenburg und Berlin. Nur was haben die drei Besten besonders gut gemacht, was können andere Bundesländer lernen? Sachsen – übrigens seit 2006 an der Spitze des Länderrankings – erhielt bei Förderinfrastruktur, Schulqualität und der Bekämpfung von Bildungsarmut die besten Noten: Viertklässler dieses Bundeslandes können sehr gut lesen, Neuntklässler sind in Mathematik und Naturwissenschaften bundesweit führend, stellt der Bildungsmonitor heraus. Bayern hingegen sticht bei den Bildungsausgaben hervor: „Das zahlt sich aus: Im Freistaat gibt es vergleichsweise wenige Schüler, die bestimmte Mindestanforderungen in ihrem Jahrgang nicht erfüllen, und nur 5,5 Prozent der Schulabgänger haben keinen Abschluss – im Bundesschnitt sind es 6,3 Prozent.“ Auch Thüringen trumpft mit den Bildungsausgaben. Das Resultat zeigt sich in kleineren Klassengrößen fast aller Schulformen und der höheren Zahl von Kindern, die eine Ganztagskita oder -schule besuchen.
Eine deutliche Verschlechterung des Bildungsbedingungen erkennt die Studie in der hohen Abbrecherquote von Schülern. Sie stieg bundesweit von 5,7 Prozent (2016) auf 6,3 Prozent (2017) und geht insbesondere auf die starke Zunahme der Abbrecherquote bei ausländischen Absolventen von 14,2 auf mehr als 18 Prozent zurück. Der Bildungsmonitor zeigt, dass erheblich mehr für Integration getan werden muss, damit die Bildungsschere nicht weiter aufgeht.
Blickt man vergleichend bis ins Jahr 2013 zurück, als erstmals die aktuellen Messmethoden zugrunde gelegt wurden, dann treten weitere Verschlechterungen zutage. Sie betreffen vor allem Schulqualität (minus 13,5 Punkte), Integration (minus 10,3 Punkte) und die Reduzierung der Bildungsarmut (minus 6,2 Punkte). Eine zentrale Ursache für diesen Missstand sieht IW-Studienleiter Axel Plünnecke im steigenden Schüleranteil mit Förderbedarf: „Deswegen fordern wir, einen Sozialindex als Differenzierung zu etablieren, um den Regionen mehr Geld zur Verfügung zu stellen, wo mehr sozial Schwächere leben.“ Daneben gibt es aber auch Positives zu berichten – Verbesserungen in den Bereichen Internationalisierung, Förderinfrastruktur und Betreuungsbedingungen.
Die Studie belegt anhand mehrerer Untersuchungen große Bildungslücken in der Bevölkerung bei Fragen zu Wirtschaft und Finanzen. Die Versäumnisse liegen bereits im Schulalter, wie eine frühere Erhebung des Bankenverbands ergab. Gefragt war u. a. nach der marktwirtschaftlichen Funktion von Angebot und Nachfrage und der Bedeutung von Aktie, Rendite und Investmentfonds. Das Ergebnis: Ein Drittel der befragten Schüler musste passen. Auch Lehramtsanwärter, Frauen, Menschen mit geringerer Schulbildung und Ostdeutsche offenbarten bei Wirtschaftsthemen oft beträchtliche Wissenslücken. Darin sehen die Studienautoren ein folgenschweres schulisches Bildungsdefizit: Es erschwere den erfolgreichen Übergang in Ausbildung und Beruf und hemme profitable Finanzentscheidungen bis hin zur Altersvorsorge. Die Experten empfehlen eine verbindliche Einführung des Schulfachs Wirtschaft und verweisen darauf, dass Baden-Württemberg das Pflichtfach „Wirtschaft/Berufs- und Studienorientierung“ in der Sekundarstufe I bereits eingerichtet habe.
Die Autoren empfehlen eine Erhöhung der Bildungs- und Forschungsausgaben von derzeit neun auf zehn Prozent am BIP. Dazu stellen sie eine lange Verbesserungsliste auf. Darauf stehen u. a. mehr Sprachförderung an Kitas, der weitere Ausbau von Ganztagsschulen, eine bessere Förderung von Schulen in sozialen Brennpunkten und mehr Vergleichsarbeiten für Schüler mitsamt entsprechender Förderung.
Für zwei aktuelle Maßnahmen wünschen sich die Wissenschaftler eine konsequente Optimierung. Beim Gute-Kita-Gesetz fänden sie es vorteilhafter, das Geld nicht in auch für die flächendeckende Abschaffung von Gebühren zu nutzen, sondern ausschließlich in die Qualitätsverbesserung zu intensivieren. Für den Bereich des Digitalpakts mahnt Plünnecke mehr durchdachte Konzepte und Weiterbildung der Lehrkräfte an. „Damit man am Ende nicht einfach nur digitale Geräte im Klassenraum stehen hat, aber die Lehrkräfte damit keinen besseren Unterricht gestalten können.“
Christina Anger / Axel Plünnecke / Ruth Maria Schüler, INSM-Bildungsmonitor 2019 – Ökonomische Bildung und Teilhabechancen. Studie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM), hg. vom Institut der Deutschen Wirtschaft, Köln 2019, 259 Seiten, Download
Gesellschaft
Bedroht der Staat die Demokratie? „Repressive Maßnahmen häufen sich“
Gesundheit
Nestwärme: Wie aus einer Idee in Trier ein Erfolgsprojekt für Deutschland wurde
Demografie
Vielfalt der Regionen schätzen, Schrumpfung akzeptieren
Gesellschaft
Die neue Lust aufs Land: Digitalarbeiter in der Wassermühle
Arbeitswelt
Home Office: Macht meist zufrieden, manchmal auch krank
Arbeitswelt
Neue Technologien am Arbeitsplatz: Digitalstress, lass nach!
Bildung
Bildungsmonitor 2019: Versetzung gefährdet!
Buchempfehlung
David Höner: Kochen ist Politik
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail