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Laufend neue E-Mails im Fach, zeitgleich die Powerpoint-Präsentation erstellen, dann hängt sich auch noch das Betriebssystem auf: Eigentlich sollen digitale Technologien den Alltag erleichtern. Doch häufig verdichten sie die Arbeit, provozieren ein Gefühl der Fremdbestimmtheit und versetzen die Beschäftigten in Stress. Jeder fünfte Arbeitnehmer hierzulande empfindet Digitalstress im Beruf. Wie macht er sich bemerkbar, wie wirkt er sich auf Leistungsfähigkeit und Gesundheit aus, wer ist besonders gefährdet? Das untersuchten jetzt Wissenschaftler im interdisziplinären Projekt „Prävention für sicheres und gesundes Arbeiten mit digitalen Technologien“ (PräDiTec).
Die Forscher untersuchten, wie sich das Belastungsprofil durch die Nutzung neuer Technologien am Arbeitsplatz verändert. Dazu wurden 5.000 Erwerbstätige mit unterschiedlichem Digitalisierungsgrad ihrer Arbeitsplätze befragt. Zwölf Belastungsfaktoren wurden deutlich: Alle schränken die persönliche Befindlichkeit ein, stellen ein Krankheitsrisiko dar, rauben Motivation und Arbeitsfreude.
Ständige Erreichbarkeit, Entgrenzung der Privatsphäre und Angst vor Leistungsüberwachung sind häufige Auslöser für Stress aufgrund neuer Technologien in der Arbeitswelt, so ein Ergebnis der Studie. Belastend wirken auch die mitunter in kurzer Zeit zu bewältigenden großen Informationsmengen, denn sie fördern das Gefühl der Überforderung. Weitere Stressfaktoren: Störfanfälligkeit digitaler Technik, häufige Unterbrechung der Arbeit, etwa durch das Telefon oder aufpoppende E-Mails. Jeder dritte Studienteilnehmer sieht sich mindestens einem dieser Belastungsfaktoren stark bis sehr stark ausgesetzt, jeder Fünfte empfindet digitalen Stress.
Stress-Warnsignale sind Erschöpfung, Gereiztheit und psychische Beeinträchtigungen. 45 Prozent der Befragten haben geringen bis moderaten Stress, acht Prozent starken bis sehr starken Stress. Letztere Gruppe trägt offenbar einen deutlich erhöhtes Krankheitsrisiko, wie der Blick auf einige Krankheitsbilder zeigt. Von den moderat Stressbetroffenen leiden 14 Prozent unter psychischen Beeinträchtigungen, von den stark Gestressten hingegen 39 Prozent. Weit auseinander liegen auch die entsprechenden Werte bei den Erkrankungen des Verdauungssystems (9 vs. 24 %), bei neurologischen Erkrankungen (15 vs. 30 %), Herz-Kreislauf-Erkrankungen (21 vs. 35 %) und Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems (33 vs. 46 %).
Wie sehr Digitalstress als belastend empfunden wird, hängt wesentlich davon ab, wie groß das Unternehmen ist und wie es geführt wird. Hierarchische Unternehmen mit bürokratischen Strukturen geben offenbar weniger Anlass zum digitalen Stress als Start-ups und innovative Unternehmen, in denen Kreativität und Risikobereitschaft vorausgesetzt werden. Wichtig sind auch die sozialen Beziehungen in der Firma. Wer unter Konflikten, hohen emotionalen Anforderungen oder hoher Arbeitsbelastungen leidet, wird leichter zum Digitalstress-Opfer.
Belastungen aus der Nutzung neuer Technologien bleiben nicht nur an den Beschäftigten hängen, sie treffen auch den Chef und das Unternehmen, warnen die Studienautoren. Denn wer unter Stress leidet, zeigt öfter schlechte Leistungen und trägt sich mit dem Gedanken, die Arbeitsstelle oder sogar den Beruf zu wechseln.
Belastungen, die sich aus der Nutzung moderner Technologien ergeben, können gemildert oder abgebaut werden, doch leider äußern sich die Studienautoren an diesem Punkt nur sehr sparsam. So könnten ein erweiterter Handlungs- und Entscheidungsspielraum im Arbeitsalltag sowie eine gute Beziehung zu dem Vorgesetzten helfen, das Problem in den Griff zu bekommen.*
* Siehe detaillierter zur gesundheitlichen Belastungen durch Digitalstress und Maßnahmen der Prävention den Beitrag „Home Office: Macht meist zufrieden, manchmal auch krank“ in der BFS-Trendinfo 10/19.
Henner Gimpel / Sascha Wischniewski / Torsten M. Kühlmann u. a., Gesund digital arbeiten?! Eine Studie zu digitalem Stress in Deutschland. Hg.: Fraunhofer-Institut für Angewandte Informationstechnik (FIT), Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin und Betriebswirtschaftliches Forschungszentrum für Fragen der mittelständischen Wirtschaft (BF/M-Bayreuth). Gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung, Augsburg 2019, 52 Seiten
https://gesund-digital-arbeiten.de
Außerdem lesenswert:
Henner Gimpel u. a., Digitaler Stress in Deutschland. Eine Befragung von Erwerbspersonen zu Belastung und Beanspruchung durch Arbeit mit digitalen Technologien. Hg.: Hans Böckler Stiftung, 11/2018, 57 Seiten, Download
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