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Im Biologieunterricht analysieren Schüler eine Pflanzenzelle am riesigen 3D-Fernseher, mit ihrer 3D-Brille auf der Nase fühlen sie sich wie im Kino. In Geschichte spielen sie ein Wissensquiz am Whiteboard, in Physik nehmen sie Schallmessungen mit Hilfe einer App auf ihrem Smartphone vor. Was an der Gemeinschaftsschule Bellevue in Saarbrücken Alltag im Unterricht ist,das ist den meisten Schulen der Republik um Lichtjahre voraus.
Eine Quelle des Übels ist längst ausgemacht: die unzureichende Ausstattung mit digitalen Medien. Hier setzt der kürzlich beschlossene Digitalpakt an. Dieser von Bund und Ländern ausgehandelte Vertrag sichert den Schulen in den nächsten fünf Jahren fünf Milliarden Euro zur Anschaffung von Laptop, Tablet & Co. zu. „Damit die Gelder aber überhaupt fließen, müssen die Schulen und Aufgabenträger im Vorfeld ihre Hausaufgaben gemacht haben“, mahnt eine Studie der Deutschen Telekom Stiftung kritisch an. Eine repräsentative Befragung von 600 Lehrern macht deutlich, was noch getan werden muss, damit die Milliarden investiert werden können.
Denn der Digitalpakt knüpft die Mittelvergabe an Bedingungen: „Keine Ausstattung ohne Konzept“ und „Keine Förderung ohne Support“. Die Schulen müssen ein pädagogisches Konzept für den Unterricht mit digitalen Medien erarbeiten und belegen, dass sie den laufenden Betrieb der darauf zugeschnittenen Hardware sicherstellen können. Diese Grundsätze greifen die häufig geäußerte Sorge vor einer technologischen Verengung des Unterrichts und digitalem Aktionismus auf. Für eine Bestandsaufnahme zum pädagogischen und technischen Support an Schulen befragten die Deutsche Telekom Stiftung und das Institut für Schulentwicklungsforschung der TU Dortmund Lehrer der Sekundarstufe I. Sie alle hatten bereits an der Studie „Schule digital – der Länderindikator 2017“ teilgenommen. 25 Interviews mit Schulleitungen, Vertretern von Schulträgern und Fachdidaktikern vertieften die Erhebung. Zentrale Aspekte waren: Wie beurteilen die Lehrkräfte die Ausstattung und Unterstützung an ihrer Schule? Wer kümmert sich vor Ort um die praktische Umsetzung bestehender Medienkonzepte? Wie sollten pädagogische und technische Hilfen gestaltet sein?
Mehr Medienkonzepte:67 Prozent der Schulen verfügen nach Angaben der befragten Lehrer bereits über ein Medienkonzept – immerhin eine Zunahme um zehn Prozentpunkte gegenüber dem Länderindikator 2017. An der Hälfte aller Schulen der befragten Lehrer kümmert sich ein IT-Koordinator oder eine Lehrkraft mit Anrechnungsstunden für medienbezogene Aufgaben um den technischen Support.
Mehr IT-Ausstattung:Bei der digitalen Ausstattung der Schulen hat sich in den vergangenen drei Jahren einiges getan, sind 80 Prozent der Lehrer überzeugt. Mehr als drei Fünftel der Befragten halten die IT-Ausstattung vor Ort zur Unterstützung der pädagogischen Ziele für geeignet. 93 Prozent gibt das Vorhandensein eines Computerraums an der eigenen Schule an, 77 Prozent berichten von der fachspezifischen Verwendung von Software oder Apps.
Mehr Unterstützung durch die Schulleitung:Rund zwei Drittel der Lehrer geben an, beim Einsatz digitaler Technik in ihrem Unterricht Unterstützung durch die Schulleitung zu bekommen, in den meisten Fällen durch die Möglichkeit zur Fortbildung. „Ob dies qualitativ und quantitativ ausreicht, um den Bedarf zu decken, ist jedoch eine andere Frage.“
Mehr pädagogische Hilfe:Manchen mag es überraschen – mehr als vier Fünftel (82 %) der Lehrer halten sich für kompetent, digitale Medien sinnvoll in ihren Unterricht integrieren zu können. Zugleich befürworten mehr als die Hälfte dabei Hilfe.
Mangel an digitalen Geräten:Vorhandene Computerräume (s. o.) sind gut, eine vernünftige Ausstattung mit Geräten wäre besser. Weniger als ein Viertel der befragten Lehrer gibt an, von der Schule mobile Geräte zur Verfügung gestellt zu bekommen. „Ganz zu schweigen von einer 1:1-Ausstattung der Lernenden mit mobilen Endgeräten, wie sie zumindest einige Pädagogen für sinnvoll und erstrebenswert halten.“ Nur acht Prozent der Schüler verfügt über eine derartige Vollversorgung.
Mangel an technischer Unterstützung:Weniger als die Hälfte der Lehrer (44 %) findet, dass es ausreichende technische Unterstützung gibt, etwa bei der Wartung der Geräte. In rund 20 Prozent aller Fälle kümmert sich niemand darum, wenn im Unterricht wieder einmal das WLAN streikt oder der Rechner abstürzt. Undenkbar für Behörden und Unternehmen, wo die Wartung und Instandhaltung von Geräten und Infrastruktur Administratoren obliegt und nicht von den Beschäftigten „nebenbei“ miterledigt wird.
Digitalisierung darf kein Schlagwort bleiben, sondern sollte als Teil der Schulentwicklung gefördert werden. Natürlich entscheidet jede Schule individuell, welche Medien auf welche Weise im Unterricht eingesetzt werden. Kein Ruhmesblatt ist es jedoch, dass immer noch knapp ein Drittel aller Schulen über kein Medienkonzept verfügt. „Das hat in Zukunft handfeste Nachteile“ warnt die Studie, denn ohne Medienkonzept gibt es keine Mittel aus dem Digitalpakt.
Die Erhebung macht überdies das Fehlen technischer und pädagogischer Unterstützung durch qualifizierte Ansprechpartner an den Schulen deutlich. „Solche ,Kümmerer‘ halten die Befragten jedoch für eine wesentliche Voraussetzung für den erfolgreichen Einsatz digitaler Medien im Unterricht“, betont die Studie. Eine Erfordernis, die vom Digitalpakt nicht gefördert wird, sondern von den Ländern erbracht werden muss. „Ansonsten wird der Pakt seine Wirkung verfehlen.“
Schule digital: Unterstützung gefragt. Repräsentative Befragung von 600 Lehrern der Sekundarstufe I – Vertiefende Interviews mit Schulleitungen und -trägern sowie Didaktikern, März 2019, 4 Seiten, Download
Der Untersuchung liegen die Ergebnisberichte der Lehrerbefragung „Untersuchung des technischen und pädagogischen Supports an Schulen der Sekundarstufe I“ und die Interviews „Qualitative Vertiefung mit Perspektiven von Schulleitungen, Schulträgern und Fachdidaktikern“ zugrunde. Sie finden sich unter:
www.telekom-stiftung.de/mediathek/publikationen
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