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Westend Verlag, Frankfurt 2019, 200 Seiten, 18 Euro
Kind und Karriere, das ist oft noch ein Problem: Frauen kehren nach der Babypause nur selten in ihren alten Job zurück. Schichtdienste, Arbeitstage bis tief in die Nacht, das geht nicht mehr. Der gelungene und passgenaue Wiedereinstieg in den Beruf gerät für junge Frauen zwischen 35 und 50 zur größten Herausforderung ihres eh schon dichten Lebens. Für Katrin Wilkens (47) ist es nicht das Kind, das nervt, es ist der Job, der fehlt. Die Hamburger Journalistin hat gut 1000 Frauen geholfen, bei der Rückkehr nach der Babypause den passsenden Job zu finden, ohne dass Altersarmut droht. In ihrem Buch „Mutter schafft!“ erklärt sie den Kreativitätsansatz, mit dem sie arbeitet – und weshalb Träume vom eigenen Café oder einer Arbeit als Yogalehrerin meist nicht funktionieren.
Wenn Mütter nach der Babypause wieder bestmöglich in den Beruf einsteigen wollen, wird es ihnen oft schwer gemacht. Sie kämpfen mit Rahmenbedingungen wie knappe Kita-Öffnungszeiten, Schichtdiensten, sollen zeitlich möglichst flexibel sein. Das erlebte auch die Hamburger Journalistin, selbst Mutter von drei Kindern. Nach der Geburt ihrer drei Kinder verlor der Medientraumberuf an Faszination. Flexibel sein wurde zunehmend schwieriger: „Ich wollte weder Spargelrezepte noch Horoskope schreiben.“ 2011 machte sich Katrin Wilkens in Hamburg zusammen mit ihrer Geschäftspartnerin Miriam Collée mit der Job-Profiling-Agentur I.do selbstständig. Mit I.do – der Name steht für den japanischen Begriff Veränderung und Reise – sucht sie seit acht Jahren für Mütter beim Wiedereinstieg nach dem maßgeschneiderten Job.
„Die wenigsten übernehmen nach der Elternzeit den gleichen Job, den sie vorher hatten“, sagt Katrin Wilkens im Gespräch mit unserer Autorin. „Und weniger als ein Fünftel der Frauen leisten sich die beruflichen Veränderungen beim Wiedereinstieg freiwillig.“ Mütter steigen entweder in Teilzeit wieder ein oder stellen ihren alten Beruf gleich ganz infrage. Sie möchten etwas mit mehr Sinn machen, was wirklich Spaß macht. Ein Mütter-Café eröffnen, Coach oder Yogalehrerin werden oder „irgendwas mit Inneneinrichtung machen“. Nach der Babypause Selbstverwirklichung im Beruf suchen nennt Katrin Wilkens eine neue Mode. Davon rät die Journalistin vehement ab, wenn die Mütter nicht in die Altersarmut rutschen wollen. Allein für ein Café sind hohe Anfangsinvestitionen von gut 100.000 Euro notwendig. Sie fordert, „früh die Rente mit im Blick haben. Mütter verzichten mehr oder weniger freiwillig eine Zeitlang auf ihre berufliche Karriere.“
Katrin Wilkens will mit „Mutter schafft!“ kein kämpferisches, nörgelndes, feministisches Buch schreiben, notiert sie im Vorwort. Es geht ihr vielmehr darum, genau im Blick zu haben, was machbar ist. Machbar heißt, der Job nach dem Wiedereinstieg muss zum gesamten Familien-system passen. Anstatt nach dem Traumberuf zu suchen, sich lieber am Machbaren orientieren. „Am besten sieht man den Job pragmatisch, wie das dritte, vierte Kind. Pragmatismus schenkt eine große Freiheit. Es reicht, 20-25 Stunden zu arbeiten, wichtig ist ein nettes Team. Die Füße stillhalten, die Zeit abrocken, anstatt es sich schwer zu machen. Es entlastet von dem Druck, irgendetwas Sinnvolles arbeiten zu müssen und nach fünf Jahren guckt man weiter.“
Wer als hochgebildete, akademische Frau mit Familie trotzdem arbeiten will, muss sich vorher entweder für eine spezielle Branche entscheiden – Lehrerinnen können gut Teilzeitarbeiten, Kreative mitunter auch – oder das Aufgabengebiet wird in der Teilzeit oft heftig downgegradet. Gleichzeitig ermutigt die Autorin Vollzeitarbeitende Mütter: „Sie verbringen heute genauso viel Quality Time mit ihren Kindern wie in den 70er-Jahren eine Ganztags-Hausfrau."
Seit 1975 hat sich bei der Arbeitsteilung zwischen den Geschlechtern interessanterweise wenig getan. Damals stellte die Bundesministerin für Jugend und Familie Katharina Focke bei einer Konferenz der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen fest: „Wer sich ohne Emotionen die Situation der Männer klarmacht, wird ihre Zustimmung für Gleichberechtigung und Partnerschaft in der Theorie, ihre Abneigung, sie praktisch um-setzen zu müssen, verstehen. Sie sollen auf jahrhundertealte Privilegien in Beruf, Gesellschaft, Familie verzichten, dafür mehr Aufgaben und Pflichten in Bereichen übernehmen, wo kein Lorbeer zu ernten ist." Für Katrin Wilkens geht es über 40 Jahre später immer noch darum, Familie und Beruf bestmöglich zu vereinen. Aber nicht mehr um jeden Preis. Sie möchte keineswegs, dass alle Mütter arbeiten, für manche sei es besser, voll bei der Familie zu sein – „wenn es eine Rentenabsicherung gibt“. Auch sie habe von beiden Honigtöpfen genascht hatte, wie sie Job + Kinder nennt und will: „Beruf + Bibi Blocksberg“.
Während Frauen vor der Familiengründung in der Regel studieren oder eine Ausbildung machen und dann in Vollzeit arbeiten, ändert sich ihr Leben mit der Geburt des Kindes meist drastisch. Viele geben für eine Weile die Berufstätigkeit ganz auf: Nicht wenige genießen das auch. Nur: Auf dem Arbeitsmarkt wird Frauen diese Zeit nicht als wertvolle Erfahrung, nicht als Qualifizierung oder soziale Kompetenz anerkannt. Sondern oft als Makel betrachtet. Der Wiedereinstieg nach einer Familienphase ist für Frauen die schwerste Karrierehürde, weiß Katrin Wilkens. Trotz allen Unkenrufen, dass die Wirtschaft gut ausgebildete Frauen brauche. So erfolgt der Wiedereinstieg für viele Mütter entweder in der Teilzeitfalle, aus der sie oft nicht mehr herauskommen. Oder der Wiedereinstieg bietet die Gelegenheit, „sich selbst, seine Talente und Fähigkeiten neu zu hinterfragen“. Klingt verlockend, hat aber Tücken.
Für Katrin Wilkens die Teilzeitarbeit „die größte und bedrohlichste Ungerechtigkeit“: Weil viele Frauen eine schlechtere Pension/Rente bekommen werden. Deshalb rät sie werdenden Müttern, mit ihren Partnern idealerweise bereits vor der Geburt eines Kindes eine Pensionszusatzzahlung auszuhandeln, falls sie über einen längeren Zeitraum Ganztagshausfrau sein wollen. Wer lange beim Kind zu Hause bleibt, hat nachher weniger Rente. Punkt. Im Fall einer Scheidung sind Ex-Partner nämlich nicht so gerne bereit, Pensionszusatzzahlungen zu leisten. Aus diesem Grund plädiert die Autorin dafür, nicht erst auf Gesetze zu warten, sondern dieses Problem direkt mit dem Partner zu lösen. Bisher wurde die politische brisante Forderung nach einer Gleichstellung von Frauen bei den Renten wenig diskutiert. „Weil junge Frauen sich nicht mit ihren Renten beschäftigen. Wenn Frauen erstmals ahnen, dieses Problem könnte sie betreffen, haben sie schlicht keine Kraft und keine Stimme mehr, für ihre Rechte zu kämpfen."
Für Katrin Wilkens gibt es ein paar Moden, die geradezu verhindern, dass man den Job findet, der zur Lebenssituation passt. Ganz oben auf der Skala der „Glücksverhinderung“ steht für die Autorin der dämliche Spruch, wie sie es nennt: „Lebe den eigenen Traum“: Diese absurde Überhöhung erzeugt einen enormen Druck, weil man meint, etwas zu verpassen, wenn man nicht traumhaft lebt und arbeitet. Noch schlimmer ist für Katrin Wilkens, Hobbys wie Yoga, backen, kochen, einen Kindermodeladen, eine Wellness-Oase oder Tagebuch schreiben in Form eines Blogs zum Beruf machen zu wollen. Damit entweiht man seine wertvollen Hobbies.
Am Ende stellt Katrin Wilkens nüchtern fest: Frauen sind inzwischen emanzipiert, Mütter noch nicht. Sind Mütter also selbst schuld an ihrer Misere? „Damit machte man es sich ein bisschen zu leicht“. Der Jobcoach zieht lieber die Politik mit konkreten Forderungen in die Verantwortung: Abschaffung bzw. zeitlicher Begrenzung des Ehegatten-Splittings; Rentenausgleich, dass Frauen während der Ehe privat für ihre Rente vorsorgen können, denn Ehen halten bekanntlich heutzutage keineswegs mehr bis zum Lebensende.
Zudem sollten die Kita-Angebote in strukturschwachen Gegenden ausgebaut werden. Und gleiche Bezahlung von Vätern und Müttern. Dazu gehört auch: Die Väter mit in die Verantwortung zu ziehen. Anstatt in der Elternzeit mit dem Wohnmobil durch Südfrankreich zu fahren, besser der eigenen Frau den Wiedereinstieg ermöglichen. „Wir brauchen neue Anreize wie einen Väterurlaub. Ein extra Urlaubskontingent von 20 Tagen, das nur genutzt werden darf, wenn das Kind krank ist. Sonst bleibt wieder die Frau daheim. Das würde wirklich schon viel helfen.“
Der Buchtitel „Mutter schafft!“ spielt mit drei Assoziationen: Ersten „Mutterschaft“, zweitens „Mutter schafft es schon“ und drittens „Muttersein schafft“. Es ist nicht ausschließlich ein lesenswertes Buch für Mütter, die nach der Babypause wieder in den Beruf einsteigen wollen. Auch Frauen ohne Kinder – und Männer – haben in der Lebensmitte seltsame Wünsche, sich selbst zu verwirklichen wie zum Beispiel mit einer Coaching-Ausbildung, einer Segelschule, einen Laden mit schönen Dingen. Deswegen ist „Mutter schafft!“ ein provozierendes Buch für Menschen, die sich mit den Tücken der Sinnsuche, der Teilzeitarbeit und der Selbstverwirklichung beschäftigen wollen.
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