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Für die großen Wohlfahrtsorganisationen kommt es knüppeldick: Bekanntheit und Zuspruch bei der Bevölkerung nahmen in den vergangenen Jahren merklich ab. Das lässt sich als Symptom nachlassender Integrationskraft der traditionellen Institutionen deuten, wie sie etwa auch althergebrachte Vereine und Parteien längst erfasst hat. Für Wohlfahrtseinrichtungen ist das Grund genug, ihren gesellschaftlichen Stellenwert zu überdenken, Handlungsbereiche neu zu vermessen und die eigene Arbeit gezielt zu kommunizieren. Petra-Angela Ahrens vom Sozialwissenschaftlichen Institut derEvangelischen Kirche Deutschland (SI EKD) liefert mit dem Forschungsprojekt „Soziale Praxis und Image der Diakonie“ wertvolle Erkenntnisse zu den aktuellen Erwartungen der Bevölkerung an einen der mit rund 31.000 Einrichtungen und 526.000 Beschäftigten größten Anbieter sozialer Dienstleistungen hierzulande.
Der erste Teil (2018) des Projekts nimmt Bekanntheit und Image der Diakonie durch eine repräsentative Befragung von Menschen ab 14 Jahren in den Blick und bezieht zwei Erhebungen von 2001 und 2005 vergleichend ein. Der zweite, kürzlich vorgelegte Teil befasst sich damit, welche Relevanz die Bevölkerung religiösen und sozialen Themen beimisst und wie sie das Engagement von Diakonie und Kirche wahrnimmt. Die folgenden Ausführungen fassen den ersten Teil kurz zusammen, um sich dann dem aktuellen zweiten Teil ausführlich zuzuwenden.
Das empirische Material des ersten Studienteils belegt, wie sehr Bekanntheit und Unterstützungswürdigkeit der Wohlfahrtsorganisationen bei den Befragten im Vergleichszeitraum (2001-2016) abgenommen haben.
Die Bekanntheit der Diakonie in der Bevölkerung ging um 17 Prozent zurück, die Unterstützungswürdigkeit um 31 Prozent. Ein Lichtblick: Im Bekanntheitsranking rückte die Organisation – wie sonst nur WWF und Greenpeace – merklich vor: vom elften auf den achten Platz, belegt die Studie.
Heutzutage spielen religiöse Themen im zwischenmenschlichen Austausch eine weitaus geringere Rolle als soziale Themen, stellt die Studie in ihrem zweiten Teil fest. So spricht nur weniger als die Hälfte der (evangelischen) Befragten mit anderen Menschen über religiöse Themen (45 %) oder den Sinn des Lebens, und das auch nur gelegentlich. Gespräche über soziale Aspekte hingegen sind aus dem Alltag der Befragten nicht wegzudenken. Die meisten reden hin und wieder darüber, zwei Fünftel sogar oft. Die Beliebtheit sozialer Gesprächsinhalte gilt im näheren (Familie, Freunde, Nachbarn) und weiteren Lebensumfeld (Kollegen, Kommilitonen, Mitschüler) gleichermaßen.
Die traditionelle christlich und kirchlich geprägte Religiosität der Menschen nimmt ab, zugleich lässt sich ein gesellschaftlicher „Trend zur Sozialreligion“ beobachten, hält Studienautorin Ahrens fest: eine besondere Ausformung von Religion, die sich im sozialen Denken und Handeln verwirklicht und auf religiösen Vorstellungen beruhen kann. Auf diese Weise seien nach wie vor hohe Erwartungen an das soziale Engagement der Kirche gerichtet – auch seitens der konfessionell nicht gebundenen Bevölkerung. „Damit stellt sich dann weitergehend die Frage, inwieweit Diakonie und Kirche mit ihrer Arbeit an die sozialen Themen anknüpfen, die in der Bevölkerung virulent sind.“
Die Studienergebnisse lassen allerdings keinen alternativen Gegensatz zwischen kirchlich-religiöser und sozialer Themensetzung und deren Protagonisten zu. „Es sind nämlich zugleich die Kirchenzugehörigen, und unter ihnen die religiös-kirchlich Hochidentifizierten, die sozialen Themen die größte Relevanz einräumen“, führt Autorin Ahrens aus. Die Schnittmenge beider Gruppierungen liegt in der Überzeugung, dass die Kirche für die Schwachen da zu sein habe.
Bei der Vertretung sozialer Themen, die den Studienteilnehmern besonders wichtig sind, schneidet die Diakonie durchweg besser ab als die Kirche, konstatiert die Studie. Jedoch mit einem besonderen Akzent: Während der Diakonie im Pflegebereich (Pflegedienst, Sozialstationen, Altenheim, Betreutes Wohnen) eine hohe Kompetenz zugeschrieben wird, gilt sie bei der Armut, dem für die Befragten wichtigsten sozialen Thema, eher als unzureichend aufgestellt. Zugleich trifft sich die hohe Wertschätzung der Befragten für die Unterstützung Bedürftiger und sozialer Hilfen mit der Überzeugung, dass hier auch die Diakonie besonders aktiv sei. „All dessen unbeschadet bleibt als Haupteindruck, dass die Diakonie – inzwischen – vor allem anderen als Pflegedienst wahrgenommen wird: Dies ist die einzige Assoziation, die für eine Mehrheit der Bevölkerung gewissermaßen als ‚Markenkern‘ fungiert.“
Früher gehörten Diakonie und Kirchengemeinde im öffentlichen Bewusstsein eng zusammen, heute sorgen schwindende religiös-kirchlichen Bindungen in der Gesellschaft für eine Neujustierung im Verhältnis beider Einrichtungen: „Während die Kirche kleiner wird, expandiert die Diakonie“, bringt es die Studie auf den Punkt. Für die evangelische Wohlfahrtspflege ergibt sich daraus eine klare Option: Die Betonung sozialer Themen und Handlungspraxis gerade für die Diakonie sei dann erfolgversprechend, wenn es gelinge, die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für die vielfältigen Bereiche diakonischer Tätigkeiten zu starken. Aber auch die Kirche sei gut beraten, die breite Verankerung sozialen Interesses in der Bevölkerung in ihrem Wirken zu berücksichtigen.
Petra-Angela Ahrens, Nah dran? Diakonie aus Sicht der Bevölkerung – Trends und neue Perspektiven aus einer bundesweiten Repräsentativbefragung. Projekt „Soziale Praxis und Image der Diakonie“, SI Kompakt, Sozialwissenschaftliches Institut der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).
Teil 1: Bekanntheit und Image der Diakonie,
SI Nr. 2/2018, 17 Seiten, Download
Teil 2: Relevanz sozialer Themen in der Bevölkerung und wahrgenommenes Engagement von Diakonie und Kirche, SI Nr. 1/2019, 15 Seiten, Download
Teil 3: Ist dem sozialen Handeln der Befragten gewidmet und soll noch 2019 veröffentlicht werden.
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