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Die ganze Welt ist auf der Suche nach Glück. Glücksforscher gehen ihm auf den Grund, mathematische Glücksformeln sollen es kalkulierbar machen, der Weltglückstag der Vereinten Nationen (20. März) erinnert an den universalen Anspruch auf Wohlergehen. Kürzlich durchleuchteten Meinungsforscher im Auftrag der Deutschen Post die Gemütslage der Bundesbürger. Wie glücklich ist Deutschland? Auskunft gibt zum siebten Mal in Folge der Glücksatlas, eine Langzeitbewertung persönlicher Befindlichkeiten und Erwartungen. Dazu wurden Aspekte wie Einkommen, Arbeit, Wohnen, Gesundheit, Familie und Freizeit abgefragt. Eine Kernbotschaft: Der aktuelle Glücksindex der Deutschen liegt auf einer Skala von 0 bis 10 bei beachtlichen 7,07 und damit nahe am Vorjahresniveau (2016: 7,11).
Den leichten Rückgang werten die Forscher als statistische Unsicherheit. Zuvor hatte der Glücksindex jahrelang bei Werten um 7,0 gelegen, ehe er zwischen 2015 und 2016 auf 7,11 geschnellt war. Sie beobachten einen ungebrochenen Trend gestiegenen Glücksempfindens, der sich der prosperierenden wirtschaftlichen Entwicklung verdankt. „Die nun schon seit längerem starke Konjunktur und der Abbau der Arbeitslosigkeit dürften für den Anstieg der Lebenszufriedenheit verantwortlich sein“, heißt es in der repräsentativen Studie. Sie beruht auf Daten des Sozio-Ökonomischen Panels sowie der Meinungsforschungsinstitute Allensbach (IfD) und Kantar Emnid.
Geld und materielle Sicherheit ist eine wichtige Voraussetzung des anhaltend guten Lebensgefühls. Die höchsten Zufriedenheitswerte über 7,5 Punkte vergeben die Bürger aber verlässlich für Familie und Wohnen, stellt die Studie fest. Danach folgen Freizeit, Arbeit, Gesundheit und Einkommen.
Das allgemeine Glückshoch weist indes regionale Unterschiede auf. „Die glücklichsten Menschen leben im Nordwesten und Süden der Republik“, resümiert die Studie: Das beste Lebensgefühl haben die Menschen in Schleswig-Holstein (7,43 Punkte), gefolgt von Hamburg und Baden (jeweils 7,28). Ein Zufriedenheitsgefälle wird zum Osten der Republik hin sichtbar. In den ostdeutschen Ländern und in Berlin leben der Erhebung zufolge die wenigsten Glückspilze, Sachsen-Anhalt ist bundesweit das Schlusslicht (6,83). Allerdings stagniert das Glücksniveau im Westen, während der Osten leicht aufholt. „Die Lebensverhältnisse haben sich noch nicht angeglichen, aber es ist viel passiert“, erklären die Forscher.
Deutschland liegt im europäischen Vergleich auf Rang neun und damit im oberen Drittel. Erneut stehen die Dänen wie bereits im Vorjahr auf Platz eins, während sich die Griechen am wenigsten glücklich fühlen. Die Position Deutschlands ist angesichts des hohen Wohlstandsniveaus gut, aber nicht sehr gut. Der Grund liege auf der Hand, meinen die Forscher: Bildung und Bildungschancen müssten verbessert werden, eine Forderung, die sie durch vergleichende Schulstudien seit Jahren belegt sehen.
Schwerpunktthema des aktuellen Glücksatlas ist die Freiwilligenarbeit für Umwelt und Gemeinschaft. Welchen Einfluss hat sie auf das Glücksempfinden? Klar ist: Natur, Umwelt und soziales Engagement stehen bei den Deutschen hoch im Kurs. Zugleich tut sich eine gehörige Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit auf. 68 Prozent halten ehrenamtliches Anpacken in diesen Bereichen für höchst wichtig, doch nur 23 Prozent sind tatsächlich sehr aktiv.
Klar im Vorteil ist, wer sich engagiert. „73 Prozent der Ehrenamtlichen haben das Gefühl, dass ihr Engagement das eigene Leben bereichert“, besagt die Studie. Gleiches gilt übrigens nur für 41 Prozent der Menschen, deren Mithilfe sich ausschließlich auf Geld- oder Sachspenden bezieht. Glücksteigernd sei also nicht schon die gute Gesinnung, sondern erst die gute Tat, folgern die Autoren. Eine weitere interessante Erkenntnis: Je höher der Bildungsabschluss, desto häufiger ein Ehrenamt.
Nachhaltiger Konsum macht glücklich – man muss ihn sich aber auch leisten können. Lediglich jeder Vierte ist bereit, deutlich mehr für umweltverträglich produzierte Nahrungsmittel zu zahlen, nur 14 Prozent für entsprechend hergestellte Kleidung. Nur sieben Prozent der Befragten akzeptieren für ein E-Auto einen höheren Preis. Allerdings ordnen die Forscher diese Ergebnisse nicht dem verfügbaren Einkommen der Umfrageteilnehmer zu.
Ein weiterer Grund für die ausgeprägte Zufriedenheit ist der demografische Wandel. Die Menschen scheinen heutzutage zufriedener als früher – ein Fünftel der Bevölkerung ist über 65 Jahre alt. „Der Einfluss des Alters ist enorm. Und die Generation über 55 wird immer zufriedener, das ist in fast jedem Land so." Dabei geht es nicht nur um Gesundheit und materielle Versorgung. Auch kleine Jobs im Alter wirken sich positiv auf die Lebenszufriedenheit aus, vor allem bei gut ausgebildeten Männern, so die Feststellung. Was aber grundsätzlich für alle Altersstufen gilt: Erfüllende Arbeit trägt wesentlich zum Lebensglück bei.
Allen Turbulenzen in der großen Politik zum Trotz scheinen die Deutschen insgesamt doch ziemlich glücklich zu sein. Nämlich dann, erstens, wenn es um ihre ganz persönlichen Einstellungen und Wünsche geht und zweitens, im Vergleich zu ihren europäischen Nachbarn. Polarisierende Themen wie Migration, soziale Gerechtigkeit und Globalisierung scheinen in der Beurteilung des individuellen Wohlbefindens keine maßgebliche Rolle zu spielen. Da erstaunt auch nicht, dass Familie und Wohnen als wichtigste Glücksfaktoren gewertet werden. Daran dürfte sich selbst bei nachlassender wirtschaftlicher Zufriedenheit nichts ändern, eher im Gegenteil. Leider fehlen dem Bericht oft Begründungen für Detailergebnisse bzw. diese bleiben unscharf, zum Beispiel zur regionalen Glücksverteilung.
Oliver Krieg / Bernd Raffelhüschen, Deutsche Post Glücksatlas 2017.
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