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Normalerweise kommt der Gärtner zum Garten. Aber auch andersherum wird ein Beet daraus. Dann kommt der Garten zu den Menschen mit Herz fürs Naturgrün: mobile Gärten. Behälter unterschiedlicher Größe, die sich überall aufstellen lassen, wo urbane Tristesse sprießendem Grünwuchs weichen soll – auf Dächern, Plätzen und Werksgeländen. Gehegt und bewegt werden die Pflanzboxen von der Hamburger Initiative „Grau trifft Grün“. Menschen mit psychischen Beeinträchtigungen finden durch urbanes Gärtnern eine sinnvolle Beschäftigung.
Im Schaugarten im Oberhafenquartier in der Hafencity stellt „Grau trifft Grün“ eine Vielzahl selbstgezimmerter Holzkästen im Palettenbox-Design aus. Kleinere Varianten sind als Balkonkasten oder „Garten to go“ nutzbar, die XL-Version auf der klassischen Euro-Palette dient als Hochbeet. Beschäftigte mit psychischen Erkrankungen erstellen die Hochbeete und bestücken sie mit Nutzpflanzen – regional und saisonal – oder mit heimischen, bienenfreundlichen Zierpflanzen.
„Wichtig ist uns: Hierbei geht es nicht nur um die Kästen, sondern um oft individuell für Kunden entwickelte, zu den jeweiligen Gegebenheiten ihrer Fläche passende Pflanz-Ensembles, die wir ,Grüne Inseln‘ nennen. Darin sind etwa auch vertikale Begrünungselemente und Sitzgelegenheiten integriert“, erläutert Projektmanagerin Marita Krempl das Angebot. Zur Kundschaft zählen Unternehmen, die ihre Außenfläche begrünen, Stadtteilinitiativen, eine Wohnungsbaugesellschaft, Schulen, Kitas und Privatleute.
Mit den Händen Nützliches schaffen, kreatives Ausprobieren, Blumen wachsen sehen, das alles gibt den Teilnehmenden das Gefühl von Selbstfindung und Selbstwirksamkeit. Hinzu kommt der Kontakt mit der Natur, in der Gartentherapie ohnehin als heilsam belegt. Allerdings ist „Grau trifft Grün“ keine Therapie, sondern ein integratives Angebot zur „sozialen Teilhabe“, wie es das Sozialgesetzbuch nüchtern ausdrückt. „Das Arbeitsumfeld Garten bietet Menschen die Möglichkeit, für sich selbstständig an Aufgabenstellungen zu arbeiten und dabei in ein Größeres Ganzes eingebunden zu sein“, erklärt Krempl. Der Trend, mehr Grün in die Stadt zu holen, verschafft den Beschäftigten soziale Anerkennung und das Bewusstsein, eine wertvolle Arbeit zu leisten. Der gesamte Prozess wird mit Job Coaches regelmäßig reflektiert und soll Teilnehmenden den Weg in einen geordneten Alltag ebnen.
Daniel Backhaus (Name von der Red. geändert) ist einer der Beschäftigten. Der 29jährige war wegen einer depressiven Erkrankung jahrelang arbeitslos, bevor er sich bei „Grau trifft Grün“ bewarb. Ein Schritt, den er nicht bereut: Seit fünf Monaten packt er bei der Montage der Holzkästen an, sägt, schraubt, pflanzt und liefert die Produkte mit aus. Zwei Projektverantwortliche stehen mit Rat und Tat beiseite und machen keinen Druck, wenn es mal nicht so klappt. Mit den anderen Teilnehmenden versteht er sich gut. „Die Gartenarbeit macht mir Freude und hilft, Struktur und Orientierung in mein Leben zu bringen. Ich traue mir wieder etwas zu“, sagt Backhaus.
In seinen Beruf als Kfz-Mechatroniker möchte der Hamburger nicht mehr zurück. Er hat wieder ein Ziel vor Augen, auch wenn der Weg dorthin noch weit ist. Die neue Beschäftigung hat seine Vorliebe für die Natur geweckt, Backhaus stellt sich seine Zukunft als Friedhofsgärtner vor. Gegenwärtig arbeitet er fünf Stunden wöchentlich, die Beschäftigungsdauer kann schrittweise auf 15 Stunden hochgefahren werden. Das Programm ist auf zwei Jahre angelegt, doch auch danach wird Backhaus Unterstützung zuteil. Bei Bedarf helfen ihm die Job Coaches, eine Beschäftigung im Wunschberuf zu finden und begleiten ihn beim Übergang in seinen neuen Lebensabschnitt.
„Grau trifft Grün“ ist ein Projekt von ARINET, einer 1995 gegründeten Tochtergesellschaft der Stiftung Hamburger Initiative e.V.. ARINET unterstützt Menschen mit psychischen Einschränkungen und Behinderungen durch integrative Beschäftigungsangebote. Aktion Mensch stützt „Grau trifft Grün“ durch eine fünfjährige degressive Investitionsförderung. „Ziel ist es, nach Ablauf der Förderdauer im Jahr 2023 das erforderliche Maß an Eigenwirtschaftlichkeit erreicht zu haben“, sagt Krempl. „Dann soll die Marke ,Grau trifft Grün‘ soweit etabliert sein, dass eine Fortführung des Geschäftsbetriebs auch ohne Förderung möglich ist.“ Vielleicht geht die Saat ja auf und heraus kommt eine neue Graswurzelbewegung.
Homepage von „Grau trifft Grün“ und allen Projekten der Stiftung Hamburger Initiative unter dem Motto „Wertvolle Arbeit stiften“:
www.stiftung-hamburger-initiative.de/projekte/grau-trifft-gruen/
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Susanne Bauer
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