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Sie sind der „größte Pflegedienst Deutschlands“: geschätzte 4,7 Millionen pflegende Angehörige. Davon sind 2,6 Millionen Menschen zugleich erwerbstätig. Pflege und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist für sie meist ein Knochenjob. Die Frage nach der Vereinbarkeit von Beruf und Pflege wird sich künftig immer drängender stellen, denn der Anteil pflegebedürftiger älterer Menschen wächst. Doch wie gut sind die Unternehmen darauf eingestellt? Davon hängt nicht nur für die Beschäftigten viel ab, sondern auch für die Betriebe. Für sie geht es darum, ihren doppelt belasteten Mitarbeitern entgegen zu kommen und den ohnehin drohenden Fachkräftemangel nicht noch zu verschärfen.
Das Zentrum für Qualität in der Pflege (ZQP) untersucht das Thema aus Unternehmenssicht. Basis ist eine repräsentative Befragung von 400 Unternehmen ab 26 Mitarbeitern. Zentrale Aspekte sind, ob die Personalverantwortlichen überhaupt wissen, wer von den Beschäftigten als pflegender Angehöriger gefordert ist, welche Entlastungen der Gesetzgeber vorsieht und wie es um die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege im Unternehmen steht.
Das Erste Pflegestärkungsgesetz (PSG I) und das Gesetz zur besseren Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf (2015) definiert folgende Rechtsansprüche auf unterstützende Maßnahmen für pflegende Angehörige:
Darüber hinaus bieten sich zahlreiche Möglichkeiten der Unternehmen zur internen Entlastung an, etwa individuelle Absprachen mit pflegenden Mitarbeitern, Job-Sharing, Home Office, flexible Arbeitszeiten bzw. Arbeitszeitkonten und die betriebsinterne Beratung zur Pflege (Pflegelotse).
In 40 Prozent der befragten Unternehmen nahmen Mitarbeiter den seit 2015 gültigen Rechtsanspruch auf entsprechende Entlastungsangebote wahr, bei 59 Prozent war kein Fall bekannt. Das Modell der bis zu zehntägigen Freistellung wurde mit Abstand am häufigsten genannt (28 %), die „Pflegezeit“ folgt an zweiter Stelle (15 %), ermittelte die Studie. Generell gilt: Sämtliche Vereinbarkeitsmodelle werden in großen Unternehmen relativ häufiger wahrgenommen als in kleinen Betrieben.
Eine Mehrheit der befragten Unternehmen (58 %) hält keine Angebote zur besseren Vereinbarkeit vor und plant das auch nicht. Als größtes Problem wird fehlendes Wissen genannt, welche Mitarbeiter überhaupt Unterstützungsbedarf haben ( 62 %) und welche konkreten Angebote hilfreich wären (63 %). Weitere Gründe sind hoher betriebsinterner Aufwand (43 %) und hohe Kosten (34 %).
Bei den Angeboten der Betriebe an pflegende Mitarbeiter führen flexible Arbeitszeiten bzw. Arbeitszeitkonten (90 %) und individuelle Absprachen (78 %) das Ranking an, gefolgt von befristeter Freistellung (68 %) und Home Office (63 %). Kooperationen mit Pflegediensten bilden das Schlusslicht (21 %).
Insgesamt zählt Größe auch in diesem Bereich: Große Unternehmen tun merklich mehr als kleine. Ein Drittel der befragten Unternehmen (34 %) geht in seinen Angeboten sogar über das gesetzlich Vorgegebene hinaus. Bemerkenswert: Im Vergleich zu einer ZQP-Befragung von 2014 hat sich der Anteil großer Unternehmen mit Vereinbarkeitsangeboten von 43 auf 64 Prozent erhöht, berichtet die Studie.
Demenz ist eine der Hauptgründe für Pflegebedürftigkeit und überdies für pflegende Angehörige äußerst belastend. In Kontrast dazu steht, dass für knapp die Hälfte der Unternehmen (47 %) dieser Aspekt mit Blick auf die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf „überhaupt keine Rolle“ spielt, immerhin aber für 30 Prozent eine sehr wichtige bzw. wichtige Rolle. Auffallend, dass in den Unternehmen der Gesundheits-, Sozial- und Erziehungswesens diesbezüglich eine deutlich höhere Sensibilisierung herrscht als in den übrigen Branchen, stellt die ZPQ-Studie heraus. Als besonders nützlich empfehlen die Autoren den Zusammenschluss von Firmen in regionalen Netzwerken und die Kooperation mit Tagespflegeeinrichtungen für demenzkranke Angehörige von Mitarbeitern.
Laut Studienergebnissen ist das Bewusstsein in den Unternehmen gewachsen, die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für die Mitarbeiter zu stärken. Gemessen am großen Bedarf ist das aber zu wenig. „Als Gesellschaft sind wir dringend auf die Familienarbeit der pflegenden Angehörigen angewiesen“, stellt Dr. Ralf Suhr vom ZQP-Vorstand fest. „Gleichzeitig können wir nicht auf ihre Arbeitskraft in der Wirtschaft verzichten. Gute Vereinbarkeit von Beruf und Pflege ist also ein Gebot der Stunde.“
Simon Eggert /Daniela Sulmann / Christian Teubner, Vereinbarkeit von Beruf und Pflege 2018, ZQP-Analyse, September 2018, Seiten 1-15, Download
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