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Droemer Verlag München 2020, 256 Seiten, 18 Euro
Zuletzt widmete sich die promovierte Botanikerin Ina Knobloch gemeinsam mit dem Schauspieler und Umweltaktivisten Hannes Jaenicke der Bedrohung der Meere. Sie zeigten gemeinsam auf, welche weitreichenden Folgen die Umweltverschmutzungen im hochsensiblen Ökosystem Meere bereits haben. Jetzt hat sich Ina Knobloch mit dem Corona-Virus befasst. Wie auf einer Timeline fasst die Autorin zusammen, was bisher über Sars-CoV-2 bekannt ist, über was berichtet wurde – und worüber nicht. Ina Knobloch beschäftigt sich in „Shutdown“ mit Gewinnern und Verlierern der Pandemie. Sie fragt, welche Folgen für Gesellschaft, Wirtschaft und Politik drohen und wohin eigentlich die Milliarden an Fördergeldern und Subventionen fließen.
Das Virus ist neuartig, die Corona-Faktenlage verschiebt sich täglich und manchmal mag man gar nichts mehr hören von Aerosolen, Quarantäne und Ausbreitungsgeschwindigkeiten. Virologen warnen nach wie vor, dass wir womöglich erst am Anfang der Jahrhundertpandemie stehen. Niemand weiß so genau, was noch kommt. Eine aktuelle Einschätzung von Covid-19 und seinen Folgen ist im Grunde nahezu unmöglich. Von daher ist es kühn, dass Ina Knobloch wenige Monate nach dem Ausbruch in Europa versucht, die laufende Corona-Krise einzuordnen. Die Filmemacherin beschäftigt sich in „Shutdown“ mit den Verschwörungstheorien, mit dem Labor in Wuhan und mit den Menschenversuchen zu Impfstoffen in Afrika oder Indien.
Eine wichtige Spur, der die Autorin aus Frankfurt wie eine Detektivin folgt, sind die Geldströme: Millionen an Subventionen und Steuergeldern, die in das Entwickeln von Tests, Medikamenten und Impfstoffen fließen. Allen voran Software-Milliardär Bill Gates und seine von ihm mit initiierten Impfallianzen, Stiftungen wie GAVI oder die Europäische Impf-Allianz CEPI. Die Journalistin kritisiert vor allem das System. „Bei Weltwirtschaftsgipfeln, bei den sogenannten Sicherheitskonferenzen oder bei der EU, da laufen nebenbei Private Public Partnership und Geberkonferenzen“. Für die Autorin heißt das im Grunde, dass die Organisationen dort auch unsere Steuergelder einsammeln. „Diese Organisationen bestimmen, wohin die Gelder fließen. Ob man das so gut findet, da sollte man drüber diskutieren dürfen.“
„Fakt ist, das Bill Gates zwar immer vor einer Pandemie gewarnt hat und wenn es jetzt heißt, hätten wir auf ihn gehört, dann sage ich: Wir haben auf ihn gehört“, so Ina Knobloch im Skype-Interview mit unserer Autorin. „Wir haben auch in Deutschland immer mehr Staatsmittel in die Stiftungen von Bill Gates investiert. Es ist toll, wenn sich Philanthropen bemühen, aber deswegen die Steuergelder von Europa nur für diesen Weg einzusetzen, das halte ich für sehr gefährlich.“
Ina Knobloch zeigt auf, wie Unsummen an Forschungs- und Entwicklungshilfegeldern auch in jene internationalen Biotech-Unternehmen fließen, in die ebenfalls Bill Gates investiert hat. Steuergelder, die unzählige unabhängige Forschungsinstitute für die Entwicklung von Heilmitteln gegen Covid-19 dringend brauchen würden. „Es wird Zeit“, schreibt Ina Knobloch in dem lesenswerten Buch „Shutdown“, „unser System zu überdenken, nicht alles der Wirtschaft unterzuordnen und nicht Philanthropen-Milliardären wie Bill Gates blind wie Lemminge zu folgen.“
Die Schriftstellerin lebt abwechselnd in Costa Rica und in Frankfurt und hat in der Mainmetropole erlebt, dass beispielsweise die Chefin der Virologie nur mühsam zwei Millionen Euro an Spenden zusammenbekommen hat. „Vom großen Geldtopf, von den 7,5 Milliarden Euro der EU-Geberkonferenz und von den hunderten Millionen, die an die CEPI- und GAVI Stiftungen von Bill Gates gehen, kommt nichts zurück an solche Unis wie unsere in Frankfurt.“ Das findet Ina Knobloch grotesk, „weil dort auch an Grundlagen geforscht und an Heilmitteln gearbeitet wird“.
Es geht Ina Knobloch keineswegs um ein Bill-Gates-Bashing. Vielmehr ärgert sie zu Recht, dass der WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus, der Leiter des Robert-Koch-Instituts Lothar Wieler oder Virologen wie Christian Drosten von der Berliner Charité einen Corona-Impfstoff zum Heiligen Gral der Krise stilisieren. „Auf diesen Heiligen Gral hat die Welt gefälligst zu warten, ihn zu bezahlen und bis dahin Stillstand zu wahren“, schreibt die promovierte Biologin. Sie verstehe einfach nicht, weshalb Heilmittel überhaupt nicht im Fokus sind, „sondern immer nur die Impfungen, dieses Tracking – davon hat man doch letztendlich gar nichts“, sagt die Biologin.
Ina Knobloch gilt als Multitalent ihrer Branche. Für ihren Dokumentarfilm „Die Akte Oppenheimer - Das dunkle Erbe antisemitischer Fake News“ wurde sie vor zwei Jahren mit dem renommierten hessischen Filmpreis ausgezeichnet. Faktenreich und spannend hat die Filmemacherin den Hintergrund des antisemitisch motivierten Justizmordes an Joseph Süß Oppenheimer beleuchtet. Die Botanikerin widmet sich zudem seit vielen Jahren dem Naturschutz, produziert Naturfilme für Arte und unterstützt in Costa Rica mehrere Umweltschutz-Aktionen. Dort hat sie auch ihren zweiten Wohnsitz, in einem eigenen Baumhaus.
In Costa Rica tauscht sich Ina Knobloch in einer engagierten Amazonasgruppe über deren Wissen zu bedeutenden Heilpflanzen aus. Die Biologin ist erschüttert, wie sie es ausdrückt, dass Naturstoffe im Kampf gegen Viren kaum beachtet werden. Das Max-Planck-Institut arbeite beispielsweise mit Madagaskar zusammen am Extrakt einer Wermutpflanze, die auf Zellstrukturen sehr starke Corona-Hemmwirkung hat. „Da fließen so gut wie keine Gelder, weil pflanzliche Heilmittel nicht patentierbar sind und das ist uninteressant für das ganz große Geld. „Was Mutter Natur an Heilmitteln bietet ist einfach grandios, das ist jahrtausendealte Erfahrung und wenn wir das alles in den Boden stampfen, dann haben wir wirklich verloren.“
Viren verändern sich ihrer Meinung nach mit einer Geschwindigkeit, mit der kein Forscher der Welt mithalten kann. Ina Knobloch hat selbst vor über 30 Jahren zu Pflanzenviren und der Veränderung im Genom von Pflanzenzellen geforscht. Sie weiß also, wie gefährlich das Manipulieren von Mikroben und Krankheitserregern sein kann, das der Industrie längst Milliardengewinne beschert.
Die Autorin hat auch den Klimawandel im Blick: „Viren, die bislang in harmonischer Symbiose mit dem tierischen Wirt zusammenleben, geraten unter Druck, suchen sich einen neuen Lebensraum oder zerstören ihren Angreifer, die Menschheit“, schreibt sie. Sollte der Druck auf ein Ökosystem zunehmen, beginnen ihrer Meinung nach auch die Viren stärker zu mutieren. „Es gibt sogenannte Mutagene, wenn etwas unter Stress gerät. Das sind Faktoren wie Hitze, Klimaerwärmung oder Lebensraumzerstörung, die solche Mutationen hervorrufen“, sagt Ina Knobloch. „Das fördert das alles, sodass wir neue, schreckliche Erreger bekommen, die wir vorher so nicht hatten.“
Ina Knoblochs Anliegen ist, zur Grundlagenforschung zurückzukehren. Dazu ist ihrer Meinung nach dringend notwendig, die Wissenschaft wieder unabhängiger zu machen von Drittmitteln. „Das klarer benannt wird, wer hängt in welchen Forschungen mit drin“, sagt die Botanikerin im Interview. „Das reicht vom Pentagon bis zum Militär, von den Stiftungen mit Eigeninteressen und bis zur Großindustrie – und es ist sehr schwer nachzulesen, wer wieviel Geld für was gegeben hat.“ Sie wünscht sich zudem ein anderes Verständnis für die Natur bei den Menschen, „mehr Respekt vor der Natur, von der wir abhängig sind. Das geht vom Klimawandel bis zur Corona-Krise, wir werden diese Krisen nicht technokratisch und auch nicht biotechnologisch lösen.“
„Shutdown“ mitten in der immer wieder aufflammenden Corona-Krise zu lesen, mutet seltsam surreal an. Die Quarantäne oder die Grenzschließungen sind noch frisch in Erinnerung. Ina Knobloch ist spürbar empört, manchmal sehr parteiisch und manche Formulierung klingt arg reißerisch. Es ist der andere Blick auf die Jahrhundert-Pandemie, der den Reiz des Buches ausmacht: über immer raffiniertere Biolabore der Welt zu lesen, wo mit modernsten gentechnischen Methoden Viren und Bakterien kreiert und ganz legal in die Welt gesprüht werden. Die Biologin beschäftigt sich auch mit den Grauzonen zwischen „guter“ und „böser“ Gentechnik und mit der Impf-Forschung. Diese Grauzonen sind ihrer Meinung nach so groß, dass die weißen und schwarzen Ränder nicht mehr zu erkennen sind, was beängstigend ist.
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Ina Knobloch: Shutdown. Von der Corona-Krise zur Jahrhundert-Pandemie
Susanne Bauer
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