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Sinkende Arbeitslosigkeit, mehr Kaufkraft, weniger Schulden: Der Osten holt wirtschaftlich auf. Insgesamt zwölf Aufsteigerregionen hat eine Studie des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hierzulande ausgemacht, und die Top Vier liegen alle in Ostdeutschland. „Im 30. Jahr nach der Wiedervereinigung zeigen sich in vielen Regionen Ostdeutschlands deutliche Aufholprozesse“, so die Studienautoren. Sie gehen davon aus, dass der Aufschwung trotz Corona-Krise anhalten wird: Denn die ostdeutschen Regionen hätten eine resistentere Wirtschaftsstruktur als beispielsweise Süddeutschland.
Als Aufsteiger gelten Regionen, die ausgehend von einem unterdurchschnittlichen Ausgangsniveau eine besonders positive Entwicklung genommen haben. Bei der Analyse wurden sieben Standortfaktoren und ihre Entwicklung seit dem Jahr 2011 berücksichtigt: Arbeitslosenquote, Kaufkraft, Durchschnittsalter, Breitbandausbau, Bevölkerungsdichte, private und kommunale Verschuldung.
Gewinner in allen Bereichen war im vergangenen Jahrzehnt die Region Havelland-Fläming im westlichen Brandenburg. Sie profitiert von ihrer Nähe zum expandierenden Berlin – ein Drittel der Region gehört zum Berliner Umland. Es folgen Prignitz-Oberhavel im Nordwesten Brandenburgs und Westsachsen mit dem Zentrum Leipzig sowie Mittelthüringen.Im Westen zählen die Universitätsstandorte Göttingen und Oldenburg sowie der Stadtstaat Hamburg zu den Aufsteigern, ebenso das Emsland und die Region Donau-Iller in Bayern. In NRW, Rheinland-Pfalz, Baden-Württemberg und im Saarland fanden die Studienautoren keine Aufholregionen.
Bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit in den letzten zehn Jahren war Westsachsen besonders erfolgreich: Hier sank die Arbeitslosenquote von 13,5 auf 7,1 Prozent, in Prignitz-Oberhavel von 12,4 auf 7,0 Prozent. Sie liegt jedoch noch immer über dem bundesweiten Median von 5,3 Prozent. Überdurchschnittlich bei der Kaufkraftentwicklung haben sich die ersten vier Aufsteiger entwickelt – hier liegt Prignitz-Oberhavel mit 4.500 Euro pro Einwohner vorne.
Eher divers sieht es bei der Verfügbarkeit von Breitband aus: Diese ist in den ostdeutschen Aufsteigerregionen unterschiedlich stark gestiegen und teilweise weiter „verbesserungswürdig“. So kritisieren Unternehmen in Prignitz-Oberhavel, dass schnelles Internet und Digitalisierung dort „noch nicht als wichtiges Kriterium der Daseinsvorsorge anerkannt sei“ – hier liegt die Verfügbarkeit bei nur 65 Prozent. Auch in Westsachsen (72 %) und der Region Rostock (71 %) gibt es beim Breitbandausbau weiße Flecken.
Beim Altersdurchschnitt der Bevölkerung zeigen sich ebenfalls regionale Unterschiede: So konnten hier nur die urbane Region Westsachsen mit dem Zentrum Leipzig und das teil-urbane Mittelthüringen punkten. Eher ländlichen Aufsteigerregionen ist es trotz aller positiven Entwicklungen bislang nicht gelungen, mehr junge Menschen anzuziehen. Dafür ist die Bevölkerungsdichte in einigen ländlichen Regionen allgemein angestiegen: In Havelland-Fläming von 263 auf 295 Einwohner pro Quadratkilometer, in der Region um Rostock von 573 auf 598. Zum Vergleich: In Berlin ist der Wert von 3.732 auf 4.055 gestiegen, in Westsachsen von 962 auf 1 153.
Was die kommunalen Schulden betrifft, sind alle Regionen (mit Ausnahme der Stadtstaaten, die hier nicht bewertet wurden) positiv aufgefallen. „Dies ist ein sehr wichtiger Indikator, da die finanzielle Handlungsfähigkeit der Kommunen entscheidend ist, um den Bürgern ein präferenzgerechtes Angebot unterbreiten zu können – bei Schulen, Kultur- oder Freizeiteinrichtungen“, heißt es in der Studie. Die Autoren empfehlen daher, die Entschuldung überlasteter Kommunen trotz der Corona-Krise unbedingt fortzusetzen.
Inwieweit sich die Corona-Pandemie generell auf die wirtschaftliche Entwicklung der Aufsteigerregionen auswirken wird, ist noch ungewiss. Besonders betroffen von der Krise sind vor allem Industrieunternehmen, deren Lieferketten unterbrochen wurden, sowie die Wirtschaftszweige Handel, Logistik und Gastgewerbe. Hier könnte den ostdeutschen Aufsteigerregionen zum Vorteil gereichen, dass sie keine besonders hohen Beschäftigtenanteile in den betroffenen Wirtschaftszweigen haben. „Im Gegenteil, gerade die Regionen in Ostdeutschland, mit Ausnahme von Westsachsen, könnten relativ gesehen besser durch die Krise kommen, womit sich der Aufholprozess vielleicht sogar noch verstärken könnte“, schreiben die Autoren.
Die Region Havelland-Fläming ist jedenfalls weiter auf Erfolgskurs: 2021 wird die Stadt Brandenburg an der Havel mit dem neuen Bundesamt für auswärtige Angelegenheiten ihre erste Bundesbehörde erhalten – und verspricht sich davon mehr als 200 neue Arbeitsplätze. Und die geplante Gigafactory von Tesla in Grünheide könnte den Kreis Oder-Spree zur künftigen Aufsteigerregion machen.
Christian Oberst / Michael Voigtländer, Aufsteigerregionen Deutschland – Go East! Eine empirische Analyse der Entwicklung deutscher Kreise, IW-Report 20/2020, 36 Seiten, Download
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