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Sie finanzieren Windparks, holen Solarenergie in die Kommune und betreiben lokale E-Bike-Stationen: Energiegenossenschaften gelten hierzulande als Antreiber der Energiewende. Die 850 Genossenschaften dieser Art mit ihren 220.000 Mitgliedern verstehen sich als Bürgerbewegung für eine klimafreundliche Zukunft. Der Erfolg hängt aber nicht nur vom Umstieg auf erneuerbare Energien ab, sondern auch von einer signifikanten Reduzierung des Gesamtverbrauchs. Dieses Ziel sollten sich auch die Genossenschaften auf die Fahnen schreiben, stellt eine neue Studie heraus. Sie sind nah dran am Bürger und ideale Multiplikatoren für einen sparsamen, umweltverträglichen Lebensstil.
Welche zusätzliche Rolle den Energiegenossenschaften damit zuwachsen soll, analysiert die Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) unter dem Titel „Mit Suffizienz zur Energiewende – Wie Energiegenossenschaften Verbrauchsreduktion in Haushalten fördern können“. Daraus einige Leitgedanken:
Der Begriff „Suffizienz“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet wörtlich übersetzt „ausreichend“ und „genügend“. In der Diskussion um die Grenzen des Wachstums zirkuliert er seit den 1990er Jahren. Die vorliegende Studie thematisiert eine Suffizienzstrategie, die darauf abzielt, „die absolute Umweltbelastung des menschlichen Verbrauchs von Energie und Ressourcen sowie die Treibhausgasemissionen auf ein nachhaltiges Niveau zu senken.“ Diese Einsparungen könnten durch Konsumeinschränkung und im Engagement für eine klimafreundliche Gesellschaft erreicht werden.
An dieser Stelle kommen die Energiegenossenschaften mit ihren Stärken ins Spiel: der Gemeinwohlorientierung ihrer Mitglieder, ihrem Umweltbewusstsein sowie der partizipativen Struktur von Miteigentum und Mitbestimmung. Mit ihrer lokalen und regionalen Akzeptanz seien Genossenschaften gut beraten, das aktuelle „Energiespar-Momentum“ offensiv zu nutzen, empfehlen die Autor*innen. „Im Ausbau erneuerbarer Energien leisten Energiegenossenschaften bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Energiewende. (…) Aufgrund ihres Fachwissens und ihrer wachsenden Rolle in der Energiewende sind Energiegenossenschaften geeignet, ebenfalls zur Verbrauchssenkung beizutragen – und somit Suffizienzstrategien zu verfolgen.“
Das tun sie schon, allerdings noch längst nicht genug, stellt die Studie dar. Nur jede sechste Energiegenossenschaft versorgt ihre Mitglieder mit Energiespartipps und entsprechenden Beratungshinweisen, ergab die Inhaltsanalyse von 505 Webseiten. Allerdings reichen die angebotenen Informationen zum Teil weit über Verbrauchertipps à la „Licht aus und Heizung runter“ hinaus. Dann punkten die Netzauftritte mit konkreten Themen wie E-Car-Sharing, Fahrradnutzung und nachhaltiges Reparieren, wobei der Suffizienzbegriff nur selten benutzt wird. Hinzu kommen Aufrufe zum politischen Engagement, etwa durch Beteiligung an Demonstrationen oder Petitionen. Hinsichtlich einer umfassenden Suffizienzstrategie aber besteht ein beträchtlicher Nachholbedarf. Das betrifft Themen wie Recycling, Tauschbörsen, öffentlichen Verkehrsmittel, umweltschonende Ernährung und suffiziente Wohnformen. „Damit ist das Thema bislang noch eine Nische.“
Die Energiegenossenschaften sollten relevante Themen rund um Energieeinsparung und Suffizienz gegenüber Mitgliedern und breiter Öffentlichkeit durch „Kommunikation und Intervention“ untermauern, legen die Autor*innen nahe. Dazu listen sie Richtgrößen professioneller Medienarbeit (Zielgruppenanalyse, Kommunikationsformate etc.) auf. Wichtig ist die Wahl bewährter Narrative aus der Nachhaltigkeitsdiskussion, um das heterogene Publikum zielgenau anzusprechen. Motivierende Narrative sind „Geld sparen“, „Umwelt schützen“, „ein gutes Leben für alle ermöglichen“, „die eigene Lebensqualität steigern“ und „Energiesicherheit herstellen“. Die Typologie der Adressaten kennt Technikaffine, Aktivist*innen, Aktivierbare und Bodenständige im ländlichen Raum.
„Die Offenheit gegenüber den Ideen der Suffizienz und die große Umweltaffinität der Mitglieder bieten großes Potenzial für die Förderung von Suffizienz durch Energiegenossenschaften“, betonen die Autor*innen. „Die Genossenschaften haben die Möglichkeit, ein begrifflich noch relativ neues und unbekanntes Konzept zu besetzen.“ Die Mitwirkung könne jedoch die Einsicht in die Grenzen individuellen Engagements schärfen, zum Beispiel durch mangelhafte politische Rahmenbedingungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes. Genossenschaften böten die Möglichkeit, gemeinschaftlich erarbeitete Forderungen in die lokale und regionale Politik einzubringen. Wesentlich sei die Erkenntnis, dass Suffizienz auf einer Veränderung eigener Konsummuster und sogar des Lebensstils beruht. Auch hierzu könnten Genossenschaften wertvolle Impulse geben und darüber aufklären, dass Konsumverzicht nicht schon gleich Freiheitseinschränkung und verminderte Lebensqualität bedeute.
Weitere Info
Vivian Frick / Julia Fülling / Hannah Schnee u. a., Mit Suffizienz zur Energiewende. Wie Energiegenossenschaften Verbrauchsreduktion in Haushalten fördern können. Berlin: Institut für ökologische Wirtschaftsforschung, 2022, 108 Seiten
(mit Förderung durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz)
Download
www.ioew.de/publikation/mit_suffizienz_zur_energiewende
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