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Stress, Stau, steigende Mieten – das starke Bevölkerungswachstum der Städte in den vergangenen Jahren wirft deutliche Schatten. Daneben gibt es jedoch auch Lichtblicke. Die neuen Bewohner steigern teils erheblich die lokale Kaufkraft und stärken die Wirtschaft, belegt eine neue Untersuchung des Kölner Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Metropolen wie Berlin, München und Frankfurt profitierten am meisten von neuen Einwohnern, die Geld mitbringen. Auch mittelgroße Städte wie Trier, Potsdam und Fürth stehen auf der Gewinnerseite. Allerdings gibt es auch Verlierer. Die IW-Forscher Björn Seipelt und Michael Voigtländer wollen mit ihrer Studie zum Einfluss von Wanderungsbewegungen auf das Konsumpotenzial eine Erkenntnislücke schließen.
Ihrer Untersuchung zu den Kaufkrafteffekten des Bevölkerungszuwachses legten die IW-Forscher demografische Daten, den sozio-oekonomischen Panel (SOEP) sowie Einkommensdaten des Statistischen Bundesamtes zugrunde. Im Fokus stehen kreisfreie Städte zwischen 2011 und 2015 mit mehr als 100.000 Einwohnern. Schon der Blick auf die Migrationszahlen für diesen Zeitraum zeigt einschneidende Veränderungen: Nach dem negativen Migrationssaldo der Jahre 2008 und 2009 stieg die Netto-Migration nach Deutschland zwischen 2011 und 2015 auf knapp 2.8 Millionen Menschen an. Flüchtlinge machten den geringeren Anteil aus. Die meisten Zuwanderer – mehrheitlich aus Osteuropa – suchten Arbeit, Bildung und Ausbildung. Hinzu kam eine starke deutsche Binnenwanderung vom Land in die Städte. Metropolen wie Frankfurt (plus 8,3 %), München (6,3 %) und Berlin (5,8 %) erlebten einen geradezu rasanten Zuwachs.
Berlin hat laut Studie von der Zuwanderung aus dem In- und Ausland mit Abstand am meisten profitiert. Zwischen 2011 und 2015 stieg das einzelhandelsrelevante Konsumpotenzial – also das Geld, das die Menschen rechnerisch für Essen und Kleidung ausgeben können – in der Hauptstadt nominal um rund 1,3 Prozent pro Jahr: Ein Plus von rund 610 Mio. Euro jährlich, das zusätzlich in den lokalen Handel fließt, rechnen die IW-Experten vor.
Auch Metropolen wie München (plus 357 Mio. Euro), Hamburg (268) und Frankfurt (186) verzeichnen einen starken Zuwachs ihres Konsumpotenzials. Köln (164) und Stuttgart (143) liegen knapp dahinter, gefolgt von Leipzig mit einem Plus von 125 Mio. Euro pro Jahr.
Ebenfalls unter den Gewinnern: Städte in unmittelbarer Nähe zu den Ballungszentren. „Sie punkten mit ihrer guten Infrastruktur, niedrigeren Mieten und der Anbindung an die Metropolen“, sagt IW-Forscher Seipelt. Beispiele sind Heilbronn nahe Stuttgart (Zuwachs 41 Mio. jährlich), Potsdam nahe Berlin (33 Mio.) und Offenbach bei Frankfurt (24 Mio.).
Auch weithin als beschaulich eingeschätzte Städte konnten von Zuwanderung und Bevölkerungswachstum profitieren, legt die Studie dar. So erhöhte sich die Kaufkraft in Münster um 63 Mio. Euro, in Freiburg um 43 Mio. Euro und in Bonn um 40 Mio. pro Jahr. Diese Orte punkten bei Zuwanderern mit Wissenschaft, Bildung, Infrastruktur und Lebensqualität.
Die Industrieregion an Rhein und Ruhr kann vom Zuzug nur wenig profitieren, schreiben die IW-Forscher. Bereits die Metropolen müssen sich mit einem mageren Kaufkraft-Plus begnügen: Dortmund mit 45,6 Mio. und Essen mit 53,3 Millionen Euro pro Jahr (beide jeweils 0,6 Prozent Plus) pro Jahr. Kleinere Städte haben noch weniger Kaufkraft gewonnen. Remscheid etwa verzeichnete im Jahr 2015 gegenüber 2011 nur ein Plus von 1,4 Mio. Euro oder 0,1 Prozent. Auch Hagen musste sich mit einem Zuwachs von 4,8 Mio. Euro. oder 0,2 Prozent begnügen. Duisburg kam sogar nur auf ein Plus von 13 Mio. oder 0,2 Prozent.
Mit dem Flüchtlingszuzug 2016 und 2017 ging der starke Bevölkerungszuwachs, wie er der IW-Studie bereits für den Zeitraum 2011 bis 2015 zugrunde lag, weiter. Die Kaufkrafteffekte der Migration dürften also noch weit größer sein als in der Studie ermittelt. Das Argument, dass Online-Plattformen dem stationären Einzelhandel das Leben schwer machten und den demografiebedingten Kaufkraftgewinn verringerten, wollen die Autoren in diesem Zusammenhang nicht gelten lassen. „Trotzdem finden die meisten Einkäufe meist lokal statt, vor allem für Einkäufe des täglichen Bedarfs“, halten sie dagegen. So betrage das Konsumpotenzial alleine für Nahrungsmittel und Kleidung, zwei Kernbereichen des urbanen Einzelhandels, für Berlin 78 Mio. Euro und für München 193 Mio. Euro jährlich.
Metropolen, Großstädte und mittelgroße Städte werden auch künftig wachsen, sind sich die Autoren sicher, und damit auch die dem Einzelhandel zufließende Kaufkraft. „Investoren sind gut beraten, ihre Investment-Perspektiven zu erweitern“, resümiert die Studie. Auch kleinere, international weniger bekannte Städte, böten erstklassige Chancen. Der Preis für Gewerbeimmobilien dort sei zwar oft niedriger als in den Metropolen, die Mieten dürften bei der derzeitigen demografischen Entwicklung jedoch stärker steigen.
Michael Voigtländer / Björn Seipelt, The Impact of Demographics on the German Retail Market, IW-Report 6/2018, 21 Seiten
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