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Bürgerschaftliches Engagement und Digitalisierung – passt das zusammen? Ist für ehrenamtliches Mitgestalten nicht die „analoge“ soziale Interaktion von Angesicht zu Angesicht unabdingbar? Stimmt, manche Bereiche, beispielsweise in der Beratung, eignen sich tatsächlich nicht zur Digitalisierung. Mit dem digitalen Wandel haben sich aber auch ganz neue Engagement-Formen entwickelt, die offline gar nicht möglich wären. Beispielhaft genannt seien nur die Wissensplattform Wikipedia, die „Mobilen Retter“, die Ersthelfer via Smartphone über einen Notfall informieren, oder die vielfältigen Open-Education-Angebote. Was in der gemeinnützigen Arbeit alles möglich ist, wenn man sie mit digitaler Technik verbindet – das zeigt die neue Publikation „Engagement im digitalen Zeitalter“ der Friedrich-Ebert-Stiftung mit zahlreichen Expertenbeiträgen.
„Hamburg räumt auf“ – die spontane Facebook-Initiative einer Hamburgerin, die nach dem G20-Gipfel im Sommer 2017 Mitstreiter für die Aufräumarbeiten im Schanzenviertel suchte, aktivierte in kürzester Zeit zigtausend Helfer. Die Aktion zeigt, dass sich Organisationen und Menschen schnell, einfach und kostengünstig durch die sozialen Medien vernetzen lassen. Und: „Die klassische Trennung von Engagierten und denjenigen, die ein zivilgesellschaftliches Engagement nutzen, wird durch die Digitalisierung aufgehoben: eine Person kann beide Rollen einnehmen“, so der Freizeitforscher Hannes Jähnert, einer der Autoren des Reports. Das Beispiel Hamburg zeigt auch: Eine digitale Aktion beschränkt sich nicht zwangsläufig auf den Austausch im Internet, sondern kann sofort in reale Aktivitäten münden.
Über das Internet können sich Gemeinschaften von Gleichgesinnten, so genannte Communities, blitzschnell zusammenschließen – beispielsweise Menschen, die barrierefreie Orte (www.wheelmap.de) oder Streuobstwiesen kartieren (www.mundraub.org) oder Informationen zu überschüssigen Lebensmitteln (www.foodsharing.de) im Internet hinterlegen. „Anders als beim klassischen Ehrenamt sind die Leute hierbei zeitlich und räumlich flexibel, das senkt die Hemmschwelle für das eigene Engagement.“
Doch braucht Ehrenamt nicht auch eine gewisse Beständigkeit und Verlässlichkeit? Das stellt Jähnert nicht in Abrede, empfiehlt traditionellen Organisationen aber dennoch, Einzelne, die vielleicht nur projektweise mitarbeiten wollen, durch digitale Angebote „mitzunehmen“. Ein gutes Beispiel ist die Webseite werde-tueroeffner.de der Caritas. Hier berichteten Ende 2016 rund 40 Geflüchtete und deren Paten eine Woche lang über ihre Bemühungen, einen Job oder Praktikum zu bekommen. Das Ergebnis nach dieser Zeit: 50.000 Klicks auf die Seite, mehr als 100 Tipps und 15 konkrete Jobangebote. Die Seite ist mittlerweile wieder offline.
Damit der digitale Wandel einer Organisation gelingt, sollten die beteiligten Mitarbeiter auch über die entsprechenden Kompetenzen verfügen. Außerdem muss genau überlegt werden, welches digitale Tool sich wofür eignet – und wieviel personelle und technische Ressourcen es benötigt. Das Alter spielt beim digitalen Engagement übrigens kaum eine Rolle: Menschen zwischen 60 und 69 und Menschen zwischen 20 und 29 sind mit jeweils rund 25 Prozent gleich stark engagiert. Am meisten digital aktiv ist die Altersgruppe 40 bis 49 (31 %). Interessanterweise sind Jugendliche unter 19, obwohl „digital natives“, deutlich stärker analog im Einsatz.
Neben Online-Kampagnen sind auch frei zugängliche Datenangebote (statistische Daten, Gesetzestexte, wissenschaftliche Formeln etc.) ein gutes Mittel, um engagierte Menschen anzusprechen. Wer open data nutzt, muss diese jedoch sorgsam auswählen: Was sind zuverlässige Quellen, welche Daten brauche ich überhaupt? „Wir hinterfragen noch zu wenig, wie Daten – zum Beispiel Grafiken und Visualisierungen zur Meinungsbildung in der Politik – ausgewertet werden“, sagt die Kulturwissenschaftlerin Helene Hahn, die bei dem Weiterbildungsprogramm www.datenschule.de mitarbeitet. Nicht jeder muss das Rad neu erfinden: „Es geht darum, die richtigen Wegbegleiter zu finden. Das können andere Non-Profit-Organisationen sein oder ehrenamtliche Experten.“ Für Schulinfos bietet sich beispielsweise die Recherche-Plattform www.jedeschule.de an: Sie gibt einen Überblick über rund 30.000 allgemeinbildende Schulen in Deutschland.
Ein anderes spannendes Angebot sind Online-Beratungen. „Für viele ist es schwer vorstellbar, dass Angebote sozialer Arbeit digitalisiert werden. Gleichzeitig sucht jeder von uns Hilfe im Netz, wenn er ein gesundheitliches Problem hat oder Rat bei der Kindererziehung braucht“, weiß Niko Brockerhoff, der seit 2016 das Projekt www.u25-gelsenkirchen.de leitet. Hier können sich Menschen unter 25 Jahren, die in einer Krise oder suizidgefährdet sind, online beraten lassen. Bundesweit gibt es mittlerweile zehn dieser U25-Standorte. „Der Vorteil: Die Hemmschwelle sinkt, weil die Anonymität im Netz gewahrt bleibt. Auch können mehr Menschen ortsunabhängig erreicht werden.“ Allerdings: Nicht für alle Probleme eignet sich die Online-Beratung. Und sie kann auch nur mit gut ausgebildeten Beratern funktionieren, die beispielsweise die Eigenheiten der Chat-Sprache kennen.
Ein umfangreiches Kapitel widmet die Broschüre dem Thema Datenschutz. Hier gibt der Kommunikationswissenschaftler Joachim Schulze eine Menge guter Tipps. So können sich Interessierte beim Projekt www.digitale-nachbarschaft.de kostenfrei zum ehrenamtlichen Trainer für Sicherheit im Internet ausbilden lassen. Für die Suche im Internet sollten Suchmaschinen genutzt werden, die das persönliche Such-Verhalten nicht analysieren (DuckDuckGo oder Ecosia). Als besonders sichere E-Mail-Programme gelten Posteo und Mail.de.
Eine große Rolle spielt auch das Thema digitale Selbstverteidigung. In sozialen Medien wird nicht selten mit harten Bandagen gekämpft. Wie Organisationen mit Hasskommentaren umgehen können, erfahren sie zum Beispiel auf der Webseite www.belltower.news.
Zwar gibt es bereits eine Reihe guter Ansätze und einige Best-Practice-Beispiele, wie Non-Profit-Organisationen den digitalen Wandel gestalten. Leonie Beining von der Stiftung Neue Verantwortung (www.stiftung-nv.de) sieht jedoch noch jede Menge Handlungsbedarf: „In welche Richtung sich der digitale Wandel bewegt, wird bislang vor allem von der Wirtschaft bestimmt. Es braucht zivilgesellschaftliche Akteure, die sich mit den Auswirkungen der Datennutzung und algorithmischer Verfahren auseinandersetzen und sich für einen gemeinwohlorientierten Umgang mit Daten stark machen.“
Katrin Matuschek / Valerie Lange, Engagement im digitalen Zeitalter, Trends, Chancen und Herausforderungen, Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.), Akademie Management und Politik, 2018, Bonn, 33 Seiten
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