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Joggen oder Schwimmen, Treppensteigen oder Gartenarbeit: Bewegung hält körperlich und geistig fit. Nichts Neues unter der Sonne. Doch gilt das auch so ohne Weiteres für stationär pflegebedürftige Menschen? Ein Forschungsprojekt am Fachbereich Pflege und Gesundheit der Hochschule Fulda wollte es genauer wissen und nahm sich die internationale Studienlage zu dieser Frage vor. „Es gibt zu vielen Themen der Prävention in der stationären Pflege kein brauchbares Wissen“, begründet Prof. Beate Blättner das Projekt gegenüber der Trendinfo-Redaktion. Vorhandene Übersichtsarbeiten bezögen sich zu allgemein auf ältere Menschen, messen den Erfolg oft an Kriterien, die für die Betroffenen und ihre Gesundheit nur bedingt relevant sind oder seinen methodisch einfach schlecht gemacht, findet die Gesundheitswissenschaftlerin. „Wir wollten aber wissen, was man denn konkret empfehlen kann.“
Pflegeprofis stehen dem Präventionsgedanken in den Heimen oft skeptisch gegenüber. „Das ist auch verständlich“, meint Blättner. In der stationären Pflege gehe es um Menschen, die in hohem Maße multimorbid oder demenziell verändert seien oder beides. Manche könnten das Bett nicht mehr verlassen und seien nicht ansprechbar. „Bei Prävention denken die meisten an die Verhinderung von Erkrankungen und das ist bei dieser Klientel schwierig“, sagt die Expertin. „Man muss das Ziel von Prävention genauer formulieren: Möglichst langer Erhalt einer trotz Unterstützungsbedarf hohen Autonomie und bestmöglicher Lebensqualität.“
Wichtigster Parameter der untersuchten Studien für die körperlichen und geistigen Aktivitäten von Pflegebedürftigen ist die Fähigkeit, alltägliche Handlungen selbst zu verrichten (Barthel-Index und Mini-Mental-Status oder vergleichbare Instrumente). Klares Ergebnis: Eine über das Normalmaß hinausgehende körperliche Aktivität verbessert die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen. Bewegung und mentale Aktivitäten stabilisieren überdies die kognitiven Leistungen. Letzteres gilt allerdings eher für Heimbewohner, die zu Beginn des Trainings noch besser orientiert waren. Erforscht wird in Fulda derzeit ein besonderer Cross-Effekt: ob vermehrte Alltagsaktivitäten auf bessere kognitive Leistungen zurückgeführt werden können.
„So frustrierend das ist: Dazu sagen uns die Studien nichts“, resümiert Blättner. „Wir können nur sagen, dass die Trainings dauerhaft beibehalten werden sollten, es dafür aber auch ganz wichtig ist, die Motivation zur Teilnahme zu fördern und dass die Trainings natürlich den vorhandenen Fähigkeiten angepasst sein sollten.“ Schon ob Gruppen- oder Einzeltraining besser wirkt, lasse sich aus den Daten nicht klar genug erkennen. Andererseits gebe es hierzulande zahlreiche Programme, die speziell für diese Zielgruppe entwickelt wurden und deren Effekte auch überprüft würden. So böten zum Beispiel viele Sportvereine Derartiges an. „Hervorzuheben ist auch das Projekt der Landesvereinigung für Gesundheit Niedersachsen zusammen mit der Barmer Ersatzkasse und Pro Familia – da ist körperliche Aktivität in ein Gesamtkonzept eingebettet.“
Jeder Spaziergang, jedes Treppensteigen, jede noch so kleine Tanzeinlage, jedes Recken und Strecken könne helfen, rät Blättner. Im Alltag aktiv bleiben und sich gemäß den persönlichen Möglichkeiten bewegen, das sei eine einfache und effektive Formel. Es gehe nicht unbedingt um Sport, sondern um Bewegung im Alltag. Dabei könnten auch die Angehörigen wirksame Unterstützung leisten.
Hier stießen die Forscher aus Fulda auf eine große Lücke. „Die Forschungslage ist total enttäuschend. Wir wissen höchstens, was nicht wirkt, aber nicht, was wirkt.“ Mit dem gesunden Menschenverstand lasse sich aber sagen: „Alles, was der Person Spaß macht und alles, was ihr das Gefühl gibt, etwas auch für andere Sinnvolles tun zu können, ist gut.“ Hier seien eben auch die Grenzen solcher Art von Studien erkennbar: „Wenn ich einer Gruppe Musik vorspiele und der anderen vorlese und vergleiche dann den Effekt auf die Gesundheit beider Gruppen, was soll dabei herauskommen? Musik- und Literaturgeschmack sind bei Menschen nunmal sehr unterschiedlich.“
„Trotz aller Bemühungen in den letzten Jahren wird weit mehr für die Behandlung von Erkrankungen ausgegeben als für Prävention“, gibt Blättner zu bedenken. Das sei zwar angesichts der hohen Therapiekosten für schwere Erkrankungen nachvollziehbar, lasse aber dennoch Spielraum für mehr Prävention. Es gehe es um eine grundsätzliche Diskussion: „Welchen Stellenwert hat Lebenszufriedenheit im Alter? Was ist es der Gesellschaft wert, dass Menschen in Würde altern können?“
Zur Einführung in das Thema:
Beate Blättner / Caroline Wöhl / Hendrik Siebert, Verbessert körperliche Aktivität die Durchführbarkeit der Aktivitäten des täglichen Lebens? Ansatzpunkt universeller Prävention in der stationären Pflege. In: Pflegewissenschaft 1/2, 19 (2017), Seiten 96-103
Beate Blättner / Caroline Wöhl / Hendrik Siebert / Simone Richter,
Können kognitive Ressourcen in der stationären Pflege gestärkt werden? Wirksamkeit körperlicher und kognitiver Aktivitäten. In: Pflegewissenschaft 9/10 (2017), Seiten 427-432
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