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Zwischen Weihnachten und dem Dreikönigstag liegt eine magische Zeit, die auch als Rauhnächte bezeichnet wird. Viele Mythen ranken sich um diese zwölf Tage zwischen den Jahren, in denen die Zeit still zu stehen scheint und die Hektik der Vorweihnachtszeit plötzlich verflogen ist. Es wird viel gelesen und der eine oder andere längere Beitrag angehört oder geschaut, für den sonst die Zeit fehlt. Für diese besondere Zeit hat die Trendinfo-Redaktion einige Tipps für Sie zusammengestellt: journalistische Beiträge zu sozialen Themen, die im November mit dem Deutschen Sozialpreis ausgezeichnet wurden, und die diesjährige Auswahl der Zukunftsliteratur der Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen.
Mit dem Deutschen Sozialpreis, dem Medienpreis der Freien Wohlfahrtspflege, wurden am 28. November 2023 herausragende journalistische Arbeiten zu sozialen Themen ausgezeichnet, die das gesellschaftliche Bewusstsein prägen. Der Preis gilt als einer der wichtigsten Journalistenpreise in Deutschland und wird seit vielen Jahren von der BAGFW verleihen und von der SozialBank gefördert. Ausgezeichnet wurden die folgenden vier Beiträge in den Kategorien Text, Audio, Bewegtbild und Sonderpreis:
Ulrike Radix ist Krankenhausseelsorgerin im evangelischen Krankenhaus in Oberhausen und in Mülheim, zuständig für 1.800 Pflegekräfte und 1.100 Patienten. In den heutigen Zeiten des Fachkräftemangels müsste sie überall arbeiten. Denn im ganzen Land kündigen Pfleger und Ärztinnen, ausgelaugt und allein gelassen. Doch in den von ihr betreuten Krankenhäusern bleiben die Leute. Der Beitrag lässt erleben, wie Frau Radix pragmatisch, zupackend und empathisch Lösungen für die in Not geratenen Mitarbeitenden ihrer beiden Krankenhäuser findet.
Der ausführliche Radiobeitrag rekonstruiert scheinbar nüchtern die Ereignisse des Attentats in Hanau, und ist doch voller Empathie und Wertschätzung für die Opfer und Hinterbliebenen. Sebastian Friedrich rekonstruiert den Tag des Anschlags im Februar 2020 aus der Perspektive von Angehörigen, Überlebenden und Freundinnen und Freunden der Toten. Repräsentativ für die Ermordeten steht in dem Feature Ferhat Unvar. Alle Menschen, die zu Wort kommen, hatten einen Bezug zu ihm. Dem Beitrag gelingt es, ihnen nahezukommen, ohne ihnen zu nah zu treten. Er beschreibt das Sozialmilieu, in dem Opfer wie Täter leben, und eröffnet die gesellschaftliche Dimension hinter den Schlagzeilen.
Jeden dritten Tag bringt ein Mann in Deutschland seine Partnerin oder Ex-Partnerin um. Die Medien neigen dazu, solche Taten als "Familiendrama" zu verharmlosen, während ausführliche Berichterstattung vor allem über sogenannte Ehrenmorde als migrantisches Problem erfolgt. Die Gewalt gegen Frauen betrifft jedoch alle gesellschaftlichen Gruppen. In der Dokumentation kommen Frauen zu Wort, die verschiedene Formen von Gewalt erlebt haben, darunter physische, psychische, ökonomische und strukturelle Gewalt. Die Sendung ist von einer extremen inhaltlichen Dichte und betrachtet das Thema aus verschiedensten Perspektiven. Sie zeigt, dass der systemische Charakter trotz der gesellschaftlichen Relevanz noch nicht ausreichend anerkannt wird. Offenen Worte und Bilder ohne Worte der Protagonistinnen lassen tief in ihr Leben blicken.
TikTok als Bildungskanal – das fand die Jury innovativ. Dabei ist Safespace kein herkömmliches Aufklärungsformat, sondern setzt auf userzentrierten Journalismus, bei dem die Fragen und Bedürfnisse der 14- bis 16-jährigen Zielgruppe im Mittelpunkt stehen. Das Team entwickelt das Format gemeinsam mit der Community, insbesondere auf TikTok, wo einfühlsame und journalistisch fundierte Antworten in kurzen Videos zu Themen wie Periode, Körper und Sex gegeben werden. Die moderierte Kommentarspalte dient als geschützter Raum für den Austausch. Die Videos, die durchschnittlich 20 bis 60 Sekunden lang sind, veranschaulichen medizinische Informationen mit Requisiten und Illustrationen, um sie für alle verständlich zu machen. Das junge, weibliche und diverse Team von safespace setzt dabei auf eine inklusive und selbstbestimmte Aufklärung.
Alle ausgezeichneten Beiträge finden Sie unter
www.bagfw.de/ueber-uns/deutscher-sozialpreis/preistraeger-2023
Jedes Jahr im Dezember zeichnet die Robert-Jungk-Bibliothek für Zukunftsfragen zusammen mit changeX und pro zukunft deutschsprachige Sachbücher aus, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren und neue Zukunftsperspektiven eröffnen. Damit würdigt sie Arbeiten, die gesellschaftliche Entwicklungen kritisch reflektieren und neue Zukunftsperspektiven eröffnen. Diesmal fiel die Wahl auf folgende Zukunftsbücher:
Anders Levermann: Die Faltung der Welt (Ullstein)
Anders Levermann vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung schlägt ein neues Paradigma aus der Komplexitäts- und Chaostheorie vor: Faltung. Faltung entsteht immer dann, wenn ein sich selbst entwickelndes System an Grenzen stößt. Dann wird der Wachstumsimpuls gebrochen und in Richtung Erneuerung und Innovation umgelenkt. Statt weiteren Wachstums in dieselbe Richtung entsteht ein Wachstum in die Vielfalt, in die Diversität. Faltung als neues Paradigma jenseits des Wachstumsdenkens eröffnet einen neuen Ansatz, die Transformation der Wirtschaft und die Bewältigung der Klimakrise zusammenzudenken. Denn eine bloße Reduktion der Treibhausgase, das zeigt Levermann eindringlich, reicht nicht aus, um die Erderhitzung zu stoppen. Und Verzicht taugt nicht als Handlungsmaxime gegen Umweltzerstörung und Klimawandel. Levermann fasst die notwendige Wende in eingängige Bilder. An die Stelle der ansteigenden Kurve tritt das Bild eines Wachstums in Vielfalt.
Jenny Odell: Zeit finden (C.H. Beck)
Die Künstlerin und Autorin Jenny Odell zeigt, wie eng unser Zeitempfinden mit dem westlich-rationalistischen Weltbild und Lebensstil verbunden ist – und damit mit der Zerstörung unserer natürlichen Umwelt. Sie plädiert dafür, die Vielfalt von Zeiterfahrungen wieder wahrnehmen zu lernen: Chronodiversität. Mit der effizienzbedingten Taktung der Zeit wurde der kapitalistische Zeitgeber dominant und drängte andere Zeitgeber – wie etwa Mutterschaft, Fürsorge oder Gemeinschaftsarbeit – in den Hintergrund. Im Grunde aber befinden wir uns alle in einem Spannungsfeld von Zeitgebern, sagt die Autorin. Und fordert, ihre Existenz und Vielfalt wieder anzuerkennen. So führt Jenny Odell in diesem Buch fort, was sie in Nichts tun begonnen hat. Sie fordert uns auf, die ausgetretenen Pfade westlich-rationalistischer Zeitwahrnehmung zu verlassen, die Chronodiversität wahrzunehmen und so unseren Platz in der Welt zu erkennen – mit und in ihr.
Miranda Fricker: Epistemische Ungerechtigkeit
Die Philosophin Miranda Fricker entwickelt in ihrem Buch die Idee, dass es eine besondere Art von Ungerechtigkeit gibt, die uns spezifisch als Erkennende und Wissende betrifft: epistemische Ungerechtigkeit: "Jegliches epistemische Unrecht verletzt jemanden in seiner Eigenschaft als Wissenssubjekt und damit in einer Eigenschaft, die für den Wert eines Menschen wesentlich ist." Ein bahnbrechendes Buch, das Wissen und Erkenntnis einen eigenständigen Stellenwert als Grundlage der Menschenwürde zuweist und nun endlich in deutscher Übersetzung vorliegt. Miranda Fricker gelingt es, unser Blickfeld grundlegend zu erweitern.
Steffen Mau, Thomas Lux, Linus Westheuser: Triggerpunkte
Die Sozialwissenschaftler Steffen Mau, Thomas Lux und Linus Westheuser vermessen den Konfliktraum in Deutschland – und finden keine Polarisierung, keine Spaltung der Gesellschaft. Ihre breit angelegte empirische Studie kommt zu einem anderen Ergebnis: Die Einstellungen driften nicht auseinander, in vielen großen gesellschaftlichen Fragen herrscht überraschend viel Konsens. Polarisierende Debatten entzünden sich vielmehr an bestimmten neuralgischen Themen, die die Menschen emotionalisieren: an Triggerpunkten. Das Buch bietet reichlich Anstöße zum Nachdenken: über das Wesen von Konflikten und darüber, wie Menschen in Veränderungsprozesse eingebunden werden können. Nicht zuletzt ist Triggerpunkte ein Glanzstück empirischer Sozialforschung.
Gabriella Rosen Kellerman, Martin Seligman: Tomorrowmind
Martin Seligman, der Begründer der Positiven Psychologie, beschreibt zusammen mit Gabriella Rosen Kellerman die Prospektion als die zentrale Zukunftskompetenz unserer Zeit: die Fähigkeit, sich die Zukunft vorzustellen und sie zu planen. Zusammen mit vier weiteren Kompetenzen bildet sie die Grundlage für den titelgebenden Begriff "Tomorrowmind", verstanden als "eine Denkweise, die uns ermöglicht, Veränderungen zu antizipieren, angemessen zu planen, mit Rückschlägen umzugehen und unser volles Potenzial auszuschöpfen". Der Grundtenor des Buches ist positiv-optimistisch: Diese Fähigkeiten können gelehrt und gelernt werden. Eine dichte, fundierte Darstellung, die sich vor allem durch vernetztes Denken auszeichnet.
Henning Beck: 12 Gesetze der Dummheit
Henning Beck spürt verbreiteten Denkfehlern und kognitiven Verzerrungen nach – in der Politik, in der Gesellschaft, bei uns allen. Kognitive Verzerrungen sind systematische Denkfehler. Sie sind tief in unserem Denken verankert. Viele wurden bereits nachgewiesen, entsprechend unübersichtlich ist das Feld. Henning Beck unternimmt nun den Versuch, das Thema in einer narrativen, anschaulichen und nachvollziehbaren Form darzustellen. Ziel ist es, unser Denken zu verbessern, indem wir uns der kognitiven Stolpersteine bewusstwerden, die uns in unserer Denkfähigkeit einschränken und unsere Wahrnehmung vernebeln. Schon das Wissen darüber sei "ein erster Schritt zu besserem Denken", so Beck. Seine zentrale These: "Wir haben die Verantwortung, gut zu denken. Das ist unser evolutionäres Erfolgsmodell." Ein Buch in bester Tradition aufklärerischen Denkens.
Jane McGonigal: Bereit für die Zukunft
Jane McGonigal zeigt überzeugend, dass es Handlungsmöglichkeiten gibt, die Welt, in der wir leben wollen, mitzugestalten. Voraussetzung dafür ist zu lernen, mit den tiefgreifenden Brüchen und Umbrüchen unserer Zeit umzugehen. In dieser Situation gelte es, sich auf das einzustellen, was kommen könnte. Man müsse akzeptieren, dass es keine „Rückkehr zur Normalität“ geben werde. Zugleich biete sich in diesen Momenten die Chance, „unsere Gesellschaft wirklich zu verändern – und wir alle können einen Beitrag zum positiven langfristigen Wandel leisten.“ Gefragt sei „dringlicher Optimismus“: Dieser „erkennt an, dass die Zukunft tatsächlich große Probleme und Bedrohungen bringen wird, doch er ist zugleich realistisch zuversichtlich, dass wir etwas zur Lösung dieser Probleme und zum Umgang mit diesen Gefahren beitragen können.“ Ein Lernprogramm im Zukunftsdenken.
Stella Schaller, Lino Zeddies, Ute Scheub, Sebastian Vollmar, Reinventing Society (Hrsg.): Zukunftsbilder 2045
Wir brauchen neue Bilder von der Zukunft, um mit Lust und Tatkraft das Kommende mitzugestalten. Das ist die Ausgangsthese dieses Buches. Den Autorinnen und Autoren vom Thinktank Reinventing Society geht es darum, den notwendigen Wandel attraktiv und andere Zukunftsentwürfe vorstellbar zu machen. Eine fiktive Reise in verschiedene Städte der DACH-Region im Jahr 2045 macht deutlich, wie sich das Bild der Stadt verändert hat. Die Städte sind viel grüner und nachhaltiger geworden. Man sieht nur wenige Autos, dafür viele Radfahrende und Menschen zu Fuß. Öffentliche Plätze laden zum Verweilen und Flanieren ein. Urbane Gärten, Permakulturanlagen, Gewächshäuser und renaturierte Brachflächen prägen das Bild. Ebenso wie moderne Technik, denn jede Stadt braucht auch in Zukunft Unternehmen und Wirtschaftskraft. Ein inspirierendes Plädoyer für den Wandel und ein Aufruf zum Mitmachen.
Claudia Kemfert: Schockwellen
Claudia Kemfert, Leiterin der Abteilung Energie, Verkehr, Umwelt am DIW, beschreibt in ihrem neuen Buch die energiepolitischen Folgen des Angriffs Russlands auf die Ukraine, und sie skizziert die Politik der Jahre zuvor, die zur Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas geführt hat. Im Zentrum ihrer Kritik stehen der ehemalige CDU-Umweltminister Peter Altmaier, der 2012 mit der „Ökostrompreisbremse“ den Einbruch der Wind- und Solarenergie in Deutschland einläutete („Altmaier-Knick“), sowie Sigmar Gabriel, als Wirtschaftsminister Hauptpromotor von Nordstream 2, der mit seiner „Ökostromreform“ den Motor der Energiewende abwürgte („Sigmar-Senke“). Kemfert zeigt, wie sehr Energiepolitik mit Machtpolitik und Lobbyismus verflochten ist. Ein wichtiges, aufklärerisches Buch, das zu Recht große Beachtung gefunden hat.
Thor Hanson: Von schrumpfenden Tintenfischen und windfesten Eidechsen
Thor Hanson beschreibt in seinem Buch, wie sich die Tier- und Pflanzenwelt an eine sich stetig erwärmende Umwelt anpasst: Tintenfische zum Beispiel, die kleiner werden, um ihren Energiehaushalt auf das sich wärmere Meerwasser einzustellen, oder Eidechsen, die sich kraftvoller am Untergrund festklammern, um den immer heftigeren Wüstenstürmen zu trotzen. Mit Beispielen wie diesen verdeutlicht Hanson eindrucksvoll, dass die Auswirkungen der Klimakrise auf unsere Umwelt bereits Realität sind. Den Lebensraum verlassen, sich anpassen oder sterben – das sind die Optionen, die der Klimawandel vielen Arten lässt. Und der Druck steigt: „In Phasen eines sehr schnellen Klimawandels werden seine biologischen Auswirkungen durch andere ökologische Stressfaktoren verstärkt.“ Ein ebenso informativer wie beunruhigender Band.
John von Düffel: Das Wenige und das Wesentliche
John von Düffel stellt die Frage nach dem richtigen Leben und findet seine Antwort im Maßhalten, in der Orientierung an dem, was man wirklich braucht. Er denkt von der Askese her. Askese als „Übung der Konzentration auf das Wesentliche“. Als „die einzige Antwort auf das Zuviel des Konsums“. Nicht Verzicht sei gefragt, sondern Orientierung an dem, was man wirklich braucht. Weniger an Konsum nicht als Einschränkung, sondern als Befreiung von Unwichtigem. „Wegzulassen, was nicht fehlte“, das ist die Kunst. Was das Buch leistet, ist eine Umkehrung der Perspektive: Askese emanzipiert sich vom Verzicht. John von Düffels hellsichtiges Stundenbuch ist das Buch der Stunde: in der Klimakrise, die das Wachstumsdenken an sein Ende führt.
Weitere Informationen zum Deutschen Sozialpreis unter:
Preisverleihung 28.11.2023
Mehr Infos zur Bestenliste der Zukunftsbücher, kurze Zusammenfassungen und eine Bewertung finden Sie unter: Die Bücher des Jahres ausgewählt von pro zukunft und changeX
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Inspiration zwischen den Jahren: Preisgekrönter Journalismus und wegweisende Zukunftsliteratur
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