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Nicht nur Arbeit kann krank machen, auch der persönliche Umgang am Arbeitsplatz beeinflusst die Gesundheit, stellt der neue AOK-Fehlzeiten-Report fest. Entscheidend ist, ob Hierarchien fair oder unfair gelebt werden: Wer sich vom Chef gerecht behandelt fühlt, wer Wertschätzung und Vertrauen erlebt, ist seltener krank, so das Resultat. Den Führungskräften kommt große Verantwortung für eine förderliche Unternehmenskultur zu. Besonders die mittlere Entscheiderebene zwischen Unternehmensleitung und Beschäftigten ist gefragt.
Aus der Gerechtigkeitsforschung ist schon lange bekannt, dass sich tiefgreifende Unzufriedenheit mit der monetären Entlohnung nachteilig auf die Gesundheit auswirken kann.* Wissenschaftler sprechen von einer „Gratifikationskrise“, einer Stressreaktion, die langfristig zu körperlicher und seelischer Erkrankung führt.
Der AOK-Report belegt jetzt einen vergleichbaren Zusammenhang mit dem Gerechtigkeitsempfinden. Er beruht auf der Befragung von 2.500 Beschäftigten im Alter zwischen 18 und 65 Jahren. Mitarbeitende, die ihren Vorgesetzten schlechte Fairnessnoten geben, fehlen demnach im Schnitt 15 Tage pro Jahr, wer sich jedoch gerecht behandelt sieht, lediglich 12,7 Tage. „Gefühlte Ungerechtigkeit bringt dabei insbesondere emotionale Irritationen und psychosomatische Beschwerden mit sich“, sagt Helmut Schröder, stellvertretender Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO) und Mitherausgeber des Fehlzeiten-Reports 2020. Dazu einige Zahlen aus der Studie:
13 Prozent aller Beschäftigten, die sich ungerecht behandelt fühlen, berichten über gesundheitliche Beschwerden unterschiedlicher Art, während von den Beschäftigten mit einem als fair und zugewandt erlebten Chef nur 3,4 Prozent betroffen sind.
Die gesundheitsbezogene Perspektive der Studie unterstreicht, dass im Berufsleben eben nicht nur monetäre Aspekte zählen. Auch Anerkennung, Vertrauen und eine faire Streitkultur prägen die Einstellung der Beschäftigten zum Unternehmen, bestimmen Engagement, Loyalität und Belastbarkeit. In Zeiten des Fachkräftemangels wird daraus ein Pluspunkt: „Fairen Betrieben gelingt es eher, hochqualifizierte, selbstständig arbeitende, zufriedene und gesunde Beschäftigte auch dauerhaft an das Unternehmen zu binden", erklärt Schröder.
Tatsächlich gehen Wunsch und erlebte Wirklichkeit längst nicht immer konform: Fast jeder zweite Beschäftigte (46,4 %) vermisst gerechte Konfliktlösungen; Wertschätzung im Job sehen 40,8 Prozent der Befragten nicht gegeben. Rund ein Drittel (32,9 %) beklagt mangelnde Rückendeckung durch das Unternehmen.
Führungskräfte der mittleren Ebene üben laut AOK-Studie einen starken Einfluss auf die Unternehmenskultur aus. Sie tragen sichtbar Verantwortung, sind die unmittelbaren Ansprechpartner der Mitarbeitenden, sollen moderieren und delegieren. Wenn sie das Gerechtigkeitsempfinden der Belegschaft verletzen, hat dies laut Studie nicht nur Einfluss auf den Krankenstand, sondern auch darauf, wie sehr sich Beschäftigte mit ihrem Unternehmen identifizieren.
An der mittleren Führungsebene und dem dort angesiedelten komplexen Kommunikationsgeschehen setzen folglich die Empfehlungen der Autoren für ein besseres Gerechtigkeitserleben an: Erstens komme es darauf an, dass die Arbeitslasten gerecht verteilt würden. Zweitens sollten Angebote zur Weiterbildung gerecht verteilt werden – jeder Beschäftigte müsse die Chance dazu haben. Drittens setzt der Report auf die Schulung von Führungskräften. Sie benötigten Kompetenzen für gerechte Konfliktlösungen, ein waches Bewusstsein für Probleme und deren Ursachen und sollten Sorge tragen, dass unternehmensseitige Schwachstellen nicht zu Problemen der Beschäftigten gemacht würden.
Der Fehlzeiten-Report 2020, wird vom Wissenschaftlichen Institut der AOK (WIdO) in Zusammenarbeit mit der Universität Bielefeld und der Beuth Hochschule für Technik Berlin herausgegeben. Der Schwerpunkt „Gerechtigkeit und Gesundheit“ besteht aus 20 Fachbeiträgen zum Thema.
Bernhard Badura / Antje Ducki / Helmut Schröder u. a. (Hrsg.), Schwerpunkt: Gerechtigkeit und Gesundheit. Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg 2020, 789 Seiten
Softcover: 59,99 €, ISBN: 978-3-662-61523-2
eBook: 46,99 €, ISBN: 978-3-662-61524-9
www.wido.de/publikationen-produkte/buchreihen/fehlzeiten-report/2020/
* Reinhard Schunck / Carsten Sauer / Peter Valet, Macht Ungerechtigkeit krank? Gesundheitliche Folgen von Einkommens(un)gerechtigkeit, in: SOEP Papers 662, DIW Berlin 2014, 18 Seiten,
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