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Plattform-Ökonomie und Telemedizin, E-Learning und Apps – willkommen in der Digitalisierung! Ein großes Thema auch in der Sozialwirtschaft, wo es mitunter immer noch auf Skepsis stößt. Der neue Report Erfolgsfaktor Digitalisierung – Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0 der Bank für Sozialwirtschaft leuchtet entscheidende Aspekte dieser Herausforderung aus: Zwei Umfragen – von 2019 zur Digitalisierung und vom Sommer 2020 zu den Auswirkungen der Pandemie – bündeln sich zur Bestandsaufnahme und Wegweisung für Leistungsanbieter und Verbände. Markus Sobottke, Teamleiter Research in der BFS Service GmbH, erläuterte im Gespräch mit der Trendinfo-Redaktion zentrale Ergebnisse.
Markus Sobottke: Unbestritten ist die Digitalisierung für viele soziale Organisationen ein wichtiges strategisches Thema. Sie nehmen sowohl den Veränderungsdruck – u. a. im Zusammenhang mit der Plattform-Ökonomie und den Erwartungen der Leistungsempfängerinnen und -empfänger sowie der Mitarbeitenden – als auch die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten wahr.
Die Sozialwirtschaft insgesamt gilt als eine der am wenigsten digitalisierten Branchen bundesweit. Die Gründe hierfür sind zum einen in den herausfordernden strukturellen Voraussetzungen insbesondere hinsichtlich der Finanzierung, Komplexität und Reglementierung der Leistungen zu suchen. Zum anderen deckt unsere Studie bedeutende Nachholbedarfe der Sozialwirtschaft bei zentralen Erfolgsfaktoren auf: Klare Verantwortungsstrukturen für das Thema Digitalisierung, Kooperationen mit externen Partnern und die strategische Ausrichtung auf innovative Digitalisierungsformen.
Im Vergleich zur Gesamtwirtschaft investieren soziale Organisationen nur einen sehr geringen Anteil ihres Umsatzes in den digitalen Fortschritt. Weniger als fünf Prozent der Befragten veranschlagt den Investitionsumfang auf über zwei Prozent des Gesamtumsatzes. Im Durchschnitt aller Unternehmen der deutschen Wirtschaft liegt das Investitionsvolumen gemessen am Gesamtumsatz bei 5,5 Prozent.
Nur 16 Prozent der sozialen Organisationen gehen uneingeschränkt davon aus, dass die erforderlichen Investitionen in naher Zukunft getätigt werden können. Ein Grund hierfür ist nicht zuletzt, dass sie in hohem Maße auf Eigenmittel bei der Finanzierung angewiesen sind.
Eine große Herausforderung sind die personellen Voraussetzungen. Für fast 80 Prozent der Studienteilnehmenden gehören zu geringe Personalkapazitäten für die Projektumsetzung zu den Gründen, warum eigentlich notwendige Investitionen in die Digitalisierung bislang nicht erfolgt sind.
Darüber hinaus fallen zwei weitere kritische Studienbefunde auf: unzureichende betriebliche Verantwortungsstrukturen für Digitalisierung und geringer innovativer Gehalt von Digitalisierungsstrategien. Letzteres heißt konkret: Themenfelder wie Unternehmensprozesse und IT rangieren klar vor Big Data und Plattformaktivitäten.
Über die Arbeit an den vorgenannten Defiziten hinaus spielen Kooperationen eine zentrale Rolle für den digitalen Fortschritt. Bisher arbeitet nur rund die Hälfte der Organisationen zusammen mit externen Partnern an der Digitalisierung. Für die Gesamtwirtschaft liegt dieser Wert mit knapp 80 Prozent deutlich höher. Insofern sollte die Sozialwirtschaft geeignete Partnerschaften aktiv anstreben.
Ein weiteres Aktionsfeld verdient hohe Aufmerksamkeit – die Kompetenzen der Mitarbeitenden. Unter anderem sollten Themen der Digitalisierung stärker in den Qualifizierungs- und Weiterbildungsprogrammen sozialer Organisationen verankert werden.
Die in der Sozialwirtschaft agierenden Finanzinstitute haben die Veränderungen in den Finanzierungsbedarfen, -instrumenten und -strategien zu antizipieren. Darüber hinaus verfügen die Banken aufgrund der Digitalisierung in der Finanzbranche bereits über umfangreiche Erfahrungen und über eigene IT-Strukturen mit maximalen Standards hinsichtlich Datenschutz und Datensicherheit. Hierdurch eröffnen sich Unterstützungsmöglichkeiten über Finanzierungsthemen hinaus, beispielsweise bei der Entwicklung von Web-Anwendungen.
Die Weiterentwicklung der Investitions- und Finanzierungsbedingungen in der Sozialwirtschaft ist ein maßgebliches politisches Handlungsfeld. Organisationen aller Größen und Trägerschaften müssen in die Digitalisierung investieren können. Zudem wird die öffentliche Förderung in diesen Bereich an Bedeutung gewinnen müssen, zum Beispiel, indem Fördertöpfe für Innovation und Digitalisierung, die bisher der gewerblichen Wirtschaft vorbehalten sind, für freigemeinnützige Organisationen der Sozialwirtschaft geöffnet werden. Darüber hinaus geht es um die fehlende Refinanzierung durch die öffentlichen Kostenträger.
Die Corona-Pandemie wirkt auch in der Sozialwirtschaft wie ein Katalysator für die Digitalisierung. Technische und digitale Anwendungen wie Bildungsplattformen, Apps und Online-Beratung sind maßgebliche Pfeiler der Krisenbewältigung. Etwa 70 Prozent der Teilnehmenden unserer Umfrage von Mitte dieses Jahres gaben an, den Ausbau von Hard- und Software forciert zu haben. Neue Formate zum Informationsaustausch wurden in rund zwei Drittel der Fälle geschaffen. Über 50 Prozent erhöhen die Wirksamkeit der technischen Möglichkeiten durch gezielte Schulungen ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Die Sozialwirtschaft hat die digitale Herausforderung erkannt, die Corona-Krise zeigt die Notwendigkeit für eine umfassende Digitalisierung des Sozial- und Gesundheitswesens auf. Wir sind überzeugt, dass unser Report zentrale Problembereiche und strategische Erfordernisse deutlich macht und wertvolle Impulse für die digitale Modernisierung der Sozialwirtschaft gibt.
Der komplette Report zum kostenlosen Download:
Britta Klemm / Markus Sobottke / Sabrina Leuschen / Dr. Florian Klein / Desdemona Möller, Erfolgsfaktor Digitalisierung – Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0, Herausgeber: Bank für Sozialwirtschaft (BFS), Oktober 2020, 52 Seiten
www.sozialbank.de/news-events/publikationen/bfs-marktreports
Ergebnisse der Studie auf einen Blick:
Sabrina Leuschen / Markus Sobottke, Auf dem Weg zur Sozialwirtschaft 4.0, in: Sozialus, BFS-Info 05/2020, Seiten 16-19
www.sozialus.de
Kooperationspartner sind die Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) und der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge. Die Wissenschaftliche Begleitung oblag Prof. Dr. Ludwig Kuntz vom Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Management im Gesundheitswesen an der Universität Köln. Der Report richtet sich an Geschäftsführer und Vorstände von Trägern und Einrichtungen aus allen Leistungsfeldern des Sozial- und Gesundheitswesens sowie der Freien Wohlfahrtspflege.
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