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Was hat eigentlich das Elterngeld gebracht? Anfang des Jahres, pünktlich zum zehnjährigen Jubiläum, stellte das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) dieser familienpolitischen Reform ein gutes Zeugnis aus. Die Berliner Ökonomen bilanzierten einen dreifachen Erfolg: ein höheres Einkommen für junge Familien, die Zunahme der Erwerbstätigkeit von Müttern und die vermehrte Elternzeit von Vätern.* Eine neue DIW-Studie legt nach und untersucht den Einfluss des Elterngeldes auf die Einstellung junger Mütter, Väter und Großeltern hierzulande. Das Ergebnis überrascht nicht, belegt aber, dass mentale Veränderungen viel Zeit und Geld brauchen: Das Elterngeld stößt einen spürbaren Wandel im Verhältnis von Familie und Beruf, von Frau und Mann an.
Das Elterngeld (ab 2007) verändert gegenüber dem Erziehungsgeld (1986 bis 2006) den Anreiz für die Erwerbsbeteiligung von Müttern. Das Erziehungsgeld gewährte Müttern in Familien mit niedrigem Haushaltseinkommen (bis 30.000 Euro im Jahr), maximal 24 Monate lang je 300 Euro. Mütter mit Einkommen über der Bemessungsgrenze hingegen erhielten nach Ablauf des Mutterschutzes (14 Wochen) nichts.
Im Vergleich dazu beträgt das Elterngeld zwei Drittel des letzten Nettoeinkommens, mindestens 300 Euro und maximal 1.800 Euro. Es wird aber nur für zwölf Monate plus zwei weitere Monate („Partnermonate“) gewährt.
Klares Ergebnis der Neuregelung: Mütter mit geringem Einkommen kehren früher ins Arbeitsleben zurück, besser verdienende Frauen pausieren länger vom Job. „Die Befunde bestärken die Vermutung, dass sich für alle Mütter die neue Norm etabliert hat, die Berufstätigkeit zwölf Monate lang zu unterbrechen, unabhängig von ihrem Einkommen“, fassen die DIW-Autorinnen zusammen.
Geld bestimmt die Welt, die ökonomische Lenkungsfunktion des Elterngeldes funktioniert. Doch das ist nicht alles: Die Mütter lassen sich nicht nur von der Höhe und Laufzeit der Lohnersatzleistung leiten, sondern auch vom Verhalten ihrer Arbeitskolleginnen. Vorbild- und Nachahmer-Effekt sind für die Akzeptanz sozialer Normen nun mal wichtig. Zum Nachweis bedient sich die Studie eines ausgeklügelten methodischen Verfahrens.
Die Autorinnen wollten herausfinden, inwieweit sich Mütter bei ihrer Entscheidung, wie lange sie vom Beruf pausieren, von Kolleginnen leiten lassen. Auf der Basis von Daten des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zu mehr als 5.000 Betrieben bildeten sie eine Stichprobe mit Müttern, die nach Einführung des Elterngeldes ihr Kind bekommen hatten. Eine Teilgruppe daraus hatte Kolleginnen, die ihr Kind ebenfalls nach Einführung des Elterngeldes zur Welt gebracht hatten, die andere Teilgruppe hatte Kolleginnen, die ihr Kind noch zu Zeiten des Erziehungsgelds bekommen hatten, dieses aber wegen ihres vergleichsweise hohen Einkommens nicht in Anspruch nehmen konnten.
Die Kolleginnen unterschieden sich also in der Höhe der Geldleistungen in den ersten beiden Lebensjahren ihres Kindes. Das Ergebnis: Mütter, deren Kolleginnen nach der Elterngeldeinführung ein Kind bekommen haben, sind in den ersten zehn Monaten nach der Geburt mit höherer Wahrscheinlichkeit nicht erwerbstätig (Anstieg von 75 auf 81 Prozent) als Mütter mit Kolleginnen, die vor der Elterngeldeinführung entbunden haben. „Die zwölfmonatige Elternzeit hat sich zu großen Teilen als Norm etabliert“, verweist Studienautorin Katharina Wrohlich auf die Wirkung sozialer Interaktionseffekte. „Das bedeutet für Mütter mit eher niedrigerem Einkommen de facto eine Verkürzung ihrer Erwerbsunterbrechung, hingegen bedeutet es für Mütter mit hohem Einkommen de facto eine Verlängerung der Arbeitszeit.“
Das Elterngeld hat auch bei Vätern zur Verhaltensänderung geführt. Sie nehmen immer häufiger Elternzeit in Anspruch. Vor 2007 waren nur 3,5 Prozent aller Erziehungsgeldberechtigten Väter. Schon ein Jahr nach Einführung des Elterngeldes lag die Väterbeteiligung an der Elternzeit bei über 15 Prozent, 2015 betrug sie 35,7 Prozent, meistens für zwei Monate. Auch daran lesen die Autorinnen ab, dass sich mit dem Elterngeld eine neue soziale Norm etabliert hat.
Nicht nur Eltern, sondern auch Großeltern denken mittlerweile anders als früher über die Arbeitsteilung von Mann und Frau. Vor allem die Einführung des Elterngeldes hat bei ihnen das Rollenverständnis im Sinne der Gleichberechtigung verändert, stellt die Studie fest. Insbesondere Großmütter lehnen die Aussage, Frauen hätten sich in erster Linie um die Familie zu kümmern, deutlich häufiger ab, wenn ihr Sohn Elternzeit wahrnimmt. Ähnlich ist die Entwicklung bei den befragten Großvätern.
Die familienpolitischen Ziele, die an die Einführung des Elterngeldes vor zehn Jahren geknüpft waren, haben sich gemäß der DIW-Studie in hohem Maße erfüllt. Über die finanziellen Ausgleichsmechanismen und eine stärkere Beteiligung der Väter an der Kinderbetreuung besteht längst sozialer Konsens. Das Elterngeld Plus (2015) geht einen Schritt weiter: Es beseitigt die Benachteiligung von Eltern in Teilzeit. „Noch stärker in Richtung einer egalitären Aufteilung von Erwerbs- und Familienarbeit geht das Konzept einer Familienarbeitszeit“, urteilt die Studie. Das Modell sieht für Eltern von ein- bis dreijährigen Kindern Lohnersatzleistungen vor, wenn Mutter und Vater in Teilzeit arbeiten. Das verändere die sozialen Normen noch stärker in Richtung einer gleichberechtigten Arbeitsteilung.
* Siehe dazu: BFS-Trendinfo 2/17: Zehn Jahre Elterngeld: Und was gibt’s zu feiern?
Ulrike Unterhofer / Clara Welteke / Kathrina Wrohlich, Elterngeld hat soziale Norm verändert, DIW Wochenbericht 34/2017, Seiten 659-668
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