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Warum nur schneiden Ahmed und Fatima in der Schule so viel schlechter ab als Finn und Anna? Jugendliche mit Migrationsgeschichte haben von der Hauptschule bis zur Berufsausbildung eine merklich höhere Abbrecherquote als ihre deutschen Mitschüler und schaffen dreimal seltener die Hochschulreife. Könnte das auch an den Lehrern liegen? Daran, dass sie schon in ihrer Ausbildung zu wenig auf den förderlichen Umgang mit Migranten vorbereitet werden? Eine aktuelle Studie der Universitäten Bremen und Oldenburg im Auftrag der Mercator-Stiftung will es genauer wissen.
Das Ergebnis vorweg: Noch heute sei die Realität der Migrationsgesellschaft nicht in der Lehrerbildung angekommen, konstatieren die Wissenschaftler. In die Jahre gekommene Studienpläne und Curricula sowie unhinterfragte Zuschreibungen und Klischees – meist unbewusst projiziert – blockierten den Perspektivwechsel. Die Lehrerausbildung fördere veraltete Weltbilder von „wir“ und „ihr“, Schüler mit Migrationshintergrund würden zuweilen explizit als Mängelwesen adressiert.
Für ihr Forschungsprogramm „Pädagogisches Können in der Schule der Migrationsgesellschaft“ haben die Autoren die drei Phasen der Lehrerbildung untersucht. Sie bewerteten Ausbildungsgänge im Studium, Lehrpläne des Referendariats sowie Fortbildungsangebote, dazu Vorgaben und Empfehlungen bundesweiter Bildungsinstitutionen wie der Kultusminister- und der Hochschulrektorenkonferenz.
Die vorliegende Handreichung stellt Ergebnisse der qualitativen Studie zum „Pädagogischen Können in der Schule der Migrationsgesellschaft“ vor. Die wichtigsten Thesen im Überblick:
Der enge Zusammenhang von Bildungserfolg und Herkunft in Deutschland ist schon oft nachgewiesen worden. Ein Aspekt ist dabei die Rolle der Lehrer und ihre Einstellungen bei der Fortschreibung von Ungleichheit, zum Beispiel durch stereotype Wertungen. Eine erst kürzlich vorgestellte Studie des Berliner Instituts für Integrations- und Migrationsforschung* zu diesem Thema belegt die Dynamik von Vorurteilen in der Schulpraxis als einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung. So stehe türkischstämmigen Kindern pauschal die Meinung von einer geringen Bildungsorientierung von Muslimen entgegen, bekämen sie trotz gleicher Leistungen weniger Chancen auf einen Wechsel ins Gymnasium eingeräumt. Diese perspektivische Verzerrung kann auch zu positiven (Falsch-) Bewertungen führen: Kinder aus asiatischen Familien gelten oft als lerneifrig, Kinder mit russischen Wurzeln dürfen auf einen Bonus bei den Mathematiknoten hoffen.
Nur welchen Anteil haben stereotype Lehrerurteile und überkommene Curricula am mangelnden Bildungserfolg von Schülern, wo spielen weitreichende soziokulturelle Ursachen hinein? Beide Untersuchungen bleiben hier Antworten schuldig. Viele Zuwandererfamilien haben einen hohen Bildungsanspruch, unterstützen ihre Kinder aber nicht hinreichend. Dem können Sprachprobleme, mangelnde Kenntnis des deutschen Bildungssystems und knappe finanzielle Mittel zugrunde liegen.
Die Wissenschaftler des gemeinsamen Forschungsprojekts aus Bremen und Oldenburg empfehlen, Theorie und Praxis der Schule vor dem Hintergrund der Migrationsgesellschaft zu modernisieren. Lehrer sollten für die migrationsbedingte Vielfalt unterschiedlicher Sichtweisen und Bildungsbiografien sensibel sein und stigmatisierende Zuschreibungen erkennen, fordern die Autoren. An Lehramts-Studierende geht der Rat, sich mit aktuellen Themen zu Migration und kulturspezifischer Sozialisation auseinandersetzen, um das soziale Geschehen in der Klasse professionell deuten zu können. Zwar gibt es nach Ansicht der Verfasser in den meisten Bundesländern schon Studien- und Schulpläne, die auf interkulturelle Bildung, Migration und Vielfalt zielen. Doch weil Migration nun mal alle betreffe, müsse dies als Schlüsselqualifikation in der Lehrerbildung verankert werden.
Yasemin Karakaşoğlu / Paul Mecheril / Saphira Shure / Anna Aleksandra Wojciechowicz, Angekommen in der Migrationsgesellschaft. Grundlagen der Lehrerbildung auf dem Prüfstand. Herausgeber: Stiftung Mercator, September 2017, 8 Seiten
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