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Alle paar Jahre ein Kreuzchen auf dem Wahlzettel ist nicht genug. Unter dem Stichwort Demokratie 4.0 bietet die Digitalisierung noch wenig praktizierte Beteiligungsformate. Online-Befragungen, Videosprechstunden und soziale Netzwerke werden im Dialog zwischen Bürgern und Politikern immer wichtiger. Eine gemeinsame Publikation der Allianz Vielfältige Demokratie und der Stiftung Zukunft Berlin stellt Konzeptionen und Praxisbeispiele digitaler Bürgerbeteiligung in der Kommunalpolitik vor.
Die Veröffentlichung stellt Ergebnisse einer Fachtagung in Berlin im Oktober 2020 vor. Dabei berieten Experten aus Politik, Wissenschaft und Praxisprojekten über Formen und Chancen digitaler Bürgerbeteiligung. Ob kommunale Bauplanung, regionaler Netzausbau oder das Modell der Europäischen Bürgerbeteiligung: In- und Ausland liegen bereits vielfältige Erfahrungen vor, vielerorts aber herrscht schlichtweg Unkenntnis darüber.
In einem Grundsatzreferat „Demokratie und Digitalisierung“ zeigen Jörg Sommer (Allianz Vielfältige Demokratie) und Stefan Richter (Stiftung Zukunft Berlin) die Relevanz des Themas auf: „Die Digitalisierung hat das Potenzial, zur Stärkung unserer Demokratie beizutragen. Sie hat aber auch das Potenzial, unsere Demokratie weiter auszuhöhlen oder sogar zu zerstören. Wir müssen sie also gestalten.“
Beide Autoren setzen sich kritisch mit der populären Erwartung an das Potenzial direktdemokratischer Abstimmungen auseinander. Diese Beteiligungsform sei zwar digital gut umsetzbar, binäre Ja-/Nein-Entscheidungen seien aber eher spaltend und einengend, wenn es an Diskurskultur fehle. „Genau diese Diskurse, werden sie online geführt, neigen dazu, entweder nur wenige zu erreichen, in Lichtgeschwindigkeit zu eskalieren oder in kollektiver Selbstbestätigung Gleichdenkender zu versanden.“
Damit ist die Frage nach der adäquaten Beteiligungsform gestellt: Offline, online oder hybrid? Ist die klassische Präsenzveranstaltung, in Corona-Zeiten ohnehin zum Erliegen gekommen, ein Auslaufmodell? Gehört die Zukunft also der digitalen Beteiligung? Die Antwort von Autor Frank Zimmermann lautet lapidar: „Kommt ganz darauf an!“ Zum Beispiel auf „die fachliche, prozessuale und politische Beantwortung der W-Fragen der Bürgerbeteiligung“: Wozu soll beteiligt werden, welche Verfahren eignen sich, von wem soll das Verfahren gesteuert werden und was geschieht mit den Ergebnissen? Die gemeinschaftliche Klärung dieser Fragen stehe vor jeder Bürgerbeteiligung und könne dann zugunsten eines Präsenz- oder Onlineformats entschieden werden.
Präsenzveranstaltungen erlaubten mehr als Onlineformate, miteinander ins Gespräch zu kommen, sich gegenseitig zuzuhören und gemeinsam neue Lösungen zu finden, gibt Zimmermann zu bedenken. Selbst jüngere Menschen fühlten sich allein aufgrund des Onlineformats nicht automatisch angesprochen, bei den Kosten sei dieses Verfahren in der Regel nicht günstiger.
Andererseits falle es manchen Teilnehmenden schwer, in einer Präsenzveranstaltung eigene Gedanken zu bündeln und vor anderen zu sprechen; überdies könnten Onlineformate ohne größeren Aufwand zeitsparend von zu Hause begleitet werden.
Bleiben noch hybride Veranstaltungen mit analogen und digitalen Bestandteilen – bieten sie das Beste aus beiden Welten? Wenn es vor allem um Informationen und um Fragen an die Expert*innen geht, ließe sich das durchaus bejahen, meint der Autor. Wolle man aber in kleinen Gruppen gründlich diskutieren oder gar zu gemeinsamen Ergebnissen kommen, gestalteten sich hybride Formate hinsichtlich der Moderation vor Ort und der technischen Ausstattung äußerst komplex.
Oft habe sich die Kombination von Präsenz- und Onlineveranstaltungen bewährt, um „in einem breit aufgestellten Beteiligungskonzept alle Optionen sinnvoll miteinander zu verzahnen.“ So sei die Stadt Heidelberg beim neuen Konferenzzentrum vorgegangen: Bei der Standortsuche für das Bauprojekt hätten sich Onlineformate besser geeignet, um Vorschläge zu sammeln und einer ersten Bewertung zuzuführen. Nach der Standortentscheidung hingegen habe sich der persönliche Austausch über damit verbundene Vorstellungen und Konflikte aller Beteiligten als das beste Verfahren erwiesen.
Die Publikation beschreibt einige Beispiele, welche die Praxistauglichkeit digitaler Bürgerbeteiligung zeigen. Eine Auswahl:
„Die Digitalisierung wird unsere Demokratie verändern, das ist sicher“, schreiben Jörg Sommer und Stefan Richter. Sie biete der aktiven Bürgerbeteiligung zahlreiche neue Möglichkeiten, sei allerdings kein Selbstläufer. Nun komme es darauf an, die digitalen Chancen zugunsten breiter politischer Teilhabe zu nutzen, ohne die Möglichkeiten direkter Begegnung zu vernachlässigen – damit „die Demokratie nicht zum Opfer, sondern zu einem Profiteur der Digitalisierung wird“.
Allianz Vielfältige Demokratie/Stiftung Zukunft Berlin (Hrsg.): Demokratie 4.0. Bürgerbeteiligung und Mitverantwortung im Zeichen der Digitalisierung. Berlin 2021, 38 Seiten
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