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Harte Zahlen verlangen nach kreativen Ideen: Die Pflegebranche sucht bis 2030 händeringend 130.000 Fachkräfte, bis 2050 mehr als 400.000 – wohlgemerkt zusätzlich zu den heute 590.000 Beschäftigten. Darum kreist das Schwerpunktthema des aktuellen AOK-Pflege-Reports unter dem Titel „Mehr Personal in der Langzeitpflege – aber woher?“ Der beispielhaft ausgewählte Fachbeitrag (von 19) untersucht die Chancen des rationalen Personaleinsatzes in der Altenpflege. Ein sensibler Aspekt, der aber nichts mit „Wegrationalisieren“ zu tun hat, sondern eine qualitätsverbessernde Entlastung der Pflegenden intendiert, versichert das Autorenteam der Universität Bremen.
Viele Wege können die Personalnot mildern: Eine veränderte Ausbildung, bessere Vergütung, die Integration ausländischer Pflegekräfte und das betriebliches Gesundheitsmanagement. Der rationale Personaleinsatz bildet einen eigenen Lösungsansatz mit mehreren Optionen:
In diesem Sinne untersucht ein aktuelles Forschungsprojekt der Universität Bremen eine zentrale Frage für die zukünftige Versorgungssituation: Mit welchem und mit wieviel Personal (Care-Mix) kann eine gegebene Heimbewohnerschaft (Case-Mix) bei einer bestimmten Einrichtungsorganisation (Größe, Trägerschaft etc.) bestmöglich versorgt werden? Für die Antwort stehen Daten von 2.000 Bewohnern aus 40 Heimen zur Verfügung. Erste Ergebnisse zeigen zweierlei: Einrichtungen mit einem hohen Pflege-Fortbildungsstandard weisen weniger Fälle von Dekubitus und Krankenhauseinweisungen auf und mehr Pflege- und Betreuungspersonal korreliert mit weniger schweren Sturzereignissen und weniger Inkontinenzfällen.
Ruhig mal in die Ferne schweifen und über den eigenen nationalen Tellerrand blicken: So betreiben in Norwegen Pflegeexperten ein Informationsnetzwerk für Pflegende und Angehörige, das pflegebedürftigen Menschen den längeren Verbleib in den eigenen vier Wänden ermöglicht. In den Niederlanden schult ein gemeinnütziger Pflegedienst Helfer für leichte Tätigkeiten und vermittelt sie an Hilfebedürftige vor Ort. In Deutschland zeigt das Modellkonzept „AGnEs“, auf welche Weise der Arzt durch Tele-Monitoring entlastet wird, ohne dass es zu Qualitätseinbußen in der Pflege kommt. In Frankreich, der Schweiz, in Österreich und Großbritannien gilt die akademische Aufwertung der Grundausbildung in Pflege, Ergotherapie, Logopädie und Hebammenkunde als Voraussetzung für einen rationellen Pflegeeinsatz.
Gängige Rezepte gegen die Unterversorgung in der Pflege im Stil von „mehr Geld, mehr Köpfe“ liefern keine tragfähigen Lösungen, monieren die Autoren. Notwendig ist das Zusammenspiel einer Vielzahl einzelner Faktoren: die Professionalisierung des Pflegeberufs ebenso wie die maximale Nutzung technischer Innovationen und die intelligente Steuerung von betrieblichen Prozessen mit einem erforderlichen Care- und Case-Mix. Nicht zu vergessen der Einsatz von Digitalisierung und Robotik, der erst zögerlich einsetze, künftig aber einen bedeutenden Beitrag zum rationalen Personaleinsatz in der Pflege leisten werde, so die Prognose.
Klaus Jacobs / Adelheid Kuhlmey / Stefan Greß / Jürgen Klauber / Antje Schwinger (Hrsg.), Pflege-Report 2019, Schwerpunkt: Mehr Personal in der Langzeitpflege – aber woher? Berlin, Heidelberg 2019.
Printausgabe: ISBN 978-3-662-58934-2, 350 Seiten; 53,49 Euro
Kostenloser Download unter www.wido.de
Darin der hier zugrundeliegende Fachbeitrag von Stefan Görres / Silke Böttcher / Lisa Schumski, Rationaler Pflegeeinsatz in der Alten- und Langzeitpflege, S. 137-145
*Weiterführend zum Thema:
Margit Christiansen, Arbeitsorganisation und Führungskultur, S. 123-135
Heinz Rothgang / Mathias Fünfstück / Thomas Kalwitzki, Personalbemessung in der Langzeitpflege, S. 147-157
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