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„Das hat mir sehr geholfen, viele Erfahrungen zu machen und über mich hinauszuwachsen, wie auch mir über meine beruflichen Wünsche klar zu werden“, blickt Lena Pape auf ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) zurück. Die 19-jährige war über die Arbeiterwohlfahrt (AWO) an eine bayrische Mittelschule gekommen, wo ihr Entschluss reifte, beruflich in die Jugendsozialarbeit einzusteigen. Schon mehr als 400.000 Menschen jeden Alters lernten den freiwilligen Dienst seit seiner Gründung vor zehn Jahren kennen. Außerdem sind die „Bufdis“ unverzichtbarer Teil des weitgespannten Hilfsangebots der Wohlfahrtsverbände.
Der BFD wurde zum 1. Juli 2011 als Ersatz für den Zivildienst eingeführt. Er trat neben das Freiwillige Soziale Jahr (FSJ) und das Freiwillige Ökologische Jahr (FÖJ) und wird in der Regel zwölf Monate lang absolviert. Träger sind vor allem Wohlfahrtsverbände und kommunale Einrichtungen. Die Freiwilligen sind hauptsächlich in den Bereichen Alten- und Krankenpflege, Jugendarbeit und Behindertenhilfe tätig, außerdem in Sport, Ökologie und Kultur. Edith Kürten, Präsidentin des zuständigen Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, ist mit dem Newcomer hoch zufrieden: „Der Bundesfreiwilligendienst ist für mich ein Erfolgsprojekt. Er bietet vielen Menschen die Gelegenheit, sich für die Gesellschaft zu engagieren, unabhängig von Alter, Geschlecht, Herkunft oder Schulabschluss.“
Als Stärke des BFD gilt, dass er kein Alterslimit hat, während beim FSJ mit 27 Jahren Schluss ist. Engagement ist keine Frage des Alters, so der dahinterstehende Gedanke. Neben Schulabgängern, die eine sinnvolle Überbrückung zu Ausbildung oder Studium beabsichtigen, stehen Menschen, die sich in der Mitte des Lebens beruflich neu orientieren oder im Ruhestand einer erfüllenden Tätigkeit nachgehen wollen. Tatsächlich sind 70 Prozent der BFD-Absolventen jünger als 27 Jahre und ältere Jahrgänge deutlich in der Minderzahl.
Bei der Ausgestaltung der Freiwilligendienste legen die Träger Wert darauf, den Teilnehmenden eine Orientierungs- und Lernzeit zu ermöglichen. „Das bedeutet, dass sie sich im praktischen Einsatz nach eigenen Interessen und Neigungen ausprobieren und einbringen können, aber auch, dass wir eine attraktive Seminarbegleitung anbieten“, erläutert Tina Stampfl, AWO-Referentin für Freiwilligendienste. „Dabei liegt neben der Praxisreflexion und Persönlichkeitsbildung bei uns ein Schwerpunkt im Bereich Politische Bildung und gesellschaftliches Engagement.“
Katharina Puche, Referentin für Kommunikation beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), nennt einen weiteren Nutzen: Der Freiwilligendienst trage nicht nur zur Persönlichkeitsentwicklung und beruflichen Orientierung der Absolventen bei, sondern auch zu ihrer Ausbildungs- und Beschäftigungsfähigkeit: „Das gilt insbesondere für die im Freiwilligendienst erworbenen sozialen und persönlichen Kompetenzen, die in der modernen Arbeitswelt mit über den Erfolg entscheiden.“
Bei näherem Hinsehen ergibt sich eine Win-Win-Situation – auch die Trägereinrichtungen und deren Klient*innen profitieren vom BFD. Zum einen, weil Freiwillige Hilfstätigkeiten übernehmen, für die eine hauptamtliche Fachkraft wenig Zeit hat. Davon profitieren die Menschen in der Einrichtung – sie können individueller versorgt werden.
Zum anderen kratzen die Freiwilligen an liebgewonnenen Gewohnheiten und tragen so zur Qualitätsverbesserung bei, erläutert DRK-Referentin Puche: „Die Freiwilligen kommen mit einem unverstellten Blick in die Einrichtung und bereichern diese mit kreativen Ideen oder geben Impulse, Routinen in der Einrichtung zu hinterfragen. Zudem treiben sie Projekte voran, die im Arbeitsalltag aufgrund begrenzter Kapazitäten zurückgestellt werden, oder ermöglichen neue Angebote.“
Ein weiterer Mehrwert für die Träger bestehe darin, Freiwillige für ein Studium oder eine Ausbildung in einem sozialen Bereich zu motivieren. Wichtig sei auch, sie für ein späteres Engagement in der Einrichtung zu gewinnen, die sie im BFD kennengelernt haben.
Monatlich gibt es ein Taschengeld von rund 400 Euro plus Sozialversicherung, bei einzelnen Trägern zusätzlich Unterkunft und Verpflegung. Vereinzelte Befürchtungen, dass die freiwilligen Helfer reguläre Arbeitsplätze ersetzen könnten, kann das Bundesamt nicht bestätigen. Schließlich sei vom Gesetzgeber Arbeitsmarktneutralität vorgeschrieben, d. h. durch Freiwilligentätigkeit dürfe kein regulärer Arbeitsplatz wegfallen, bekräftigt Pressesprecher Peter Schlossmacher auf Anfrage. „Jeder Beschwerde gehen wir durch unseren Außendienst nach. Trifft sie zu, kann das zum Entzug der Genehmigung führen, eine Dienststelle für den Bundesfreiwilligendienst zu sein.“
Immer wieder wird im politischen Raum die Diskussion um einen verpflichtenden Dienst an der Gesellschaft angestoßen. Würde das den Trägern nützen? „Freiwilligkeit und persönliche Überzeugung müssen entscheidend bleiben. Ein soziales Jahr darf nicht zur Pflicht werden", sagt Maria Loheide, Vorständin Sozialpolitik der Diakonie Deutschland. Freiwilliges Engagement sei eine wichtige Säule von Zivilgesellschaft und Demokratie. „Deshalb müssen die richtigen Anreize und Rahmenbedingungen geschaffen werden." Die Evangelischen Freiwilligendienste sind mit knapp 46.000 Freiwilligen eigenen Angaben zufolge größter zivilgesellschaftlicher Anbieter im BFD.
Das bürgerschaftliche Engagement erfahre in der Gesellschaft zu wenig Wertschätzung, beklagt AWO-Referentin Stampfl. Bei der Caritas sieht man das genauso: „Aus unserer Sicht kann und müsste die Attraktivität der Freiwilligendienste gesteigert werden – zum Beispiel durch kostenlose ÖPNV-Beförderung, durch einen Anspruch auf Wohngeld und die Befreiung von GEZ-Gebühren“, sagt Pressesprecherin Mathilde Langendorf und erwähnt die Beteiligung des katholischen Wohlfahrtsverbandes an der bundesweiten Kampagne „Freie Fahrt für Freiwillige“ hin. Auch die Rahmenbedingungen für Freiwillige aus dem Ausland müssten verbessert, der Dienst bei der Bewerbung um einen Studien- und Ausbildungsplatz mehr gewürdigt werden.
Nicht nur das breite soziale Angebot für Bedürftige, sondern auch spontane Hilfe in drastischen Notsituationen machen den Freiwilligendienst für Bewerber attraktiv, wie das Beispiel des Arbeiter-Samariter-Bundes (ASB) zeigt. So unterstützte der Regionalverband Leipzig e.V. gleich zu Beginn der Unwetterkatastrophe die Rettungsarbeiten in NRW und Rheinland-Pfalz. Aus der Stadt Riesa in Sachsen, die 2013 vom Elbhochwasser betroffen war, machten sich Rettungskräfte mit Hilfsgütern auf den Weg nach Westdeutschland. Hochdruckreiniger, Notstromaggregate und Entfeuchter wurden in ein Zentrallager nach Bergisch Gladbach transportiert.
„Gerade bei jüngeren Interessenten sind Einsätze im Rettungsdienst und Katastrophenschutz gefragt. Sie wollen helfen und natürlich auch etwas erleben“, sagt ASB-Sprecherin Juliane Federowski. „Nach einer solchen Umweltkatastrophe könnte es ein verstärktes Interesse geben, sich künftig im Katastrophenschutz zu engagieren.“ Einige Träger bieten im BFD die Kombination Sanitätsdienst/Katastrophenschutz an, diese spielt aber quantitativ nur eine untergeordnete Rolle.
BFD-Portal des Bundesamtes für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben mit Einsatzstellen-Suchfunktion, Adressen, Downloads für Formulare und Ansprechpersonen vor Ort: www.bundesfreiwilligendienst.de
Anbieter von Freiwilligen-Stellen kirchlicher Träger ist die Freiwilligenbörse www.ein-jahr-freiwillig.de
Bundesfreiwilligendienst: Feste Größe im Ehrenamtsportfolio, in: edp Sozial, Ausgabe 25/2021, 25.06.2021
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