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Viele Menschen wollen ihr Armutsrisiko nicht wahrhaben – so lange, bis ihnen ihr persönlicher Armutsrechner die Augen öffnet. Der Landesverband Niedersachsen des Sozialverbands Deutschland (SoVD) schaffte es, ein hochaktuelles Thema auf spielerische Weise in die Öffentlichkeit zu bringen. Dazu bediente sich die Kampagne „Wie groß ist dein Armutsschatten?“ vielfältiger Aktionen. „Eine starke Kampagne mit hoher Reichweite, die mehr Bewusstsein für das Thema Armutsgefährdung geschaffen hat“, befand die Jury und überreichte SoVD-Pressesprecherin Stefanie Jäkel den mit 5.000 Euro dotierten 2. Preis im 12. BFS-Wettbewerb Sozialkampagne. Im Gespräch mit der Trendinfo-Redaktion lüftet Jäkel das Geheimnis erfolgreichen Sozialmarketings.
Stefanie Jäkel: Den Begriff Armutsschatten haben wir speziell für unsere Kampagne entwickelt. Dabei geht es ja um Armutsgefährdung. Das ist aber ein Begriff, der eher negativ besetzt und so abstrakt ist, dass die meisten sich nichts Konkretes darunter vorstellen können. Uns war es aber wichtig, potenziell Betroffene niedrigschwellig anzusprechen. Der Armutsschatten ist deshalb unser Synonym für die Armutsgefährdung. Er zeigt, dass jeder Mensch armutsgefährdet ist. Wie groß diese Gefährdung – oder eben der Schatten – ist, hängt von ganz individuellen Situationen im eigenen Lebenslauf ab.
Als größter Sozialverband in Niedersachsen beschäftigen wir uns schon sehr lange mit dem Thema Armut – politisch und in unserer Beratung. Dabei ist es für uns wichtig, dass wir für die Betroffenen etwas bewegen und an ihrer Seite stehen. Und vor allem immer wieder der Politik gegenüber deutlich machen, dass sich in dem Bereich endlich etwas bewegen muss. Es kann schließlich nicht sein, dass in einem so reichen Land wie Deutschland so viele Menschen armutsgefährdet sind. In unseren Beratungen ist uns aber auch aufgefallen, dass vielen Menschen ihre Armutsproblematik erst bewusst wird, wenn es leider schon zu spät ist. Dabei gibt es viele Stellschrauben, an denen man drehen kann, um nicht in Armut zu rutschen. Genau da haben wir mit unserer Kampagne angesetzt: Wir wollten Menschen für ihre potenzielle Armutsgefährdung sensibilisieren, sie ermutigen, sich damit zu beschäftigen und ihr vorzubeugen.
Als wir 2019 mit den Planungen zur Kampagne begonnen haben, standen vor allem analoge Veranstaltungen im Mittelpunkt. Die Corona-Pandemie hat die geplanten Aktionen ziemlich ausgebremst – vor allem während des Lockdowns. Doch auch danach gab es immer wieder massive Einschränkungen. Damit wir unsere Kampagne trotzdem am Laufen halten konnten, haben wir in dieser Zeit unsere Aktivitäten im digitalen Raum massiv ausgedehnt und zum Beispiel den Armutsrechner veröffentlicht. Mit diesem Online-Tool können Interessierte ihr eigenes Armutsrisiko berechnen. Als unsere geplante Demo nicht möglich war, haben wir eine Online-Demo ins Leben gerufen. Im Laufe der Zeit hat Corona dann doch wieder einiges möglich gemacht.
Da sage ich nur: Not macht flexibel und erfinderisch! Wann immer es ging, sind unsere Ehrenamtlichen mit der Kampagne auf die Straße gegangen. Da wir mit „Wie groß ist dein Armutsschatten?“ ganz verschiedene Zielgruppen – von Jüngeren über Alleinerziehende und Menschen mit Behinderung bis hin zu Rentner*innen – angesprochen haben, war dieser Mix aus verschiedenen Kommunikationskanälen enorm wichtig. Facebook, Instagram, Twitter und unsere Internetseite standen dabei natürlich besonders im Fokus. Aber ohne die klassische Pressearbeit, die Veranstaltungen vor Ort und unsere große Abschlussdemo hätte die Kampagne nicht so viel Strahlkraft gehabt.
Die wichtigste Lektion war: Habe immer einen Plan B! Durch die Corona-Pandemie mussten wir unsere Planungen immer wieder über den Haufen werfen, Veranstaltungen absagen, umorganisieren und uns über alternative Kommunikationskanäle Gedanken machen. In diesem Ausmaß war das für uns – wie wahrscheinlich für alle – neu und wir mussten viel Spontanität an den Tag legen. Für zukünftige Aktionen und Kampagnen versuchen wir jetzt also, immer Alternativen mitzudenken und bestimmte Risiken aufgrund der Pandemie von Anfang an mit einzukalkulieren.
Bloß den Mut und die Motivation nicht verlieren! Immer wieder konnten Aktionen kurzfristig nicht stattfinden. Das war natürlich gerade für unsere ehrenamtlich Aktiven, die unsere Kampagne vor Ort enorm unterstützt haben, sehr schwierig. Trotzdem haben sie im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben versucht, so viel wie möglich zu machen. Das hat einmal mehr gezeigt: Ohne das Ehrenamt ist so eine Kampagne überhaupt nicht zu stemmen.
Ehrlich gesagt sind wir da wunschlos glücklich. Wir arbeiten ja schon seit vielen Jahren im Bereich der Vermögensverwaltung mit der BFS gut und vertrauensvoll zusammen. Dabei schätzen wir vor allem, dass die BFS sich für Nachhaltigkeit einsetzt. Außerdem freuen wir uns sehr, dass es den „Wettbewerb Sozialkampagne“ gibt. Oft ist es gerade für Vereine, Verbände und NGOs schwierig, sich mit ihren tollen Ideen bei anderen Ausschreibungen gegen große Mitbewerber*innen und Unternehmen durchzusetzen. Durch den BFS-Wettbewerb werden bestimmte soziale Themen, die ansonsten weniger Gehör finden, stärker in den Fokus gerückt.
Bei uns gilt: Nach der Kampagne ist vor der Kampagne. Nachdem wir „Wie groß ist dein Armutsschatten?“ im September 2021 beendet haben, haben wir vor Kurzem unsere neue Kampagne „Gemeinsam gegen einsam“ gestartet. Dabei greifen wir ein ganz aktuelles Thema auf, haben aber auch ganz konkrete Forderungen an die Politik. Sie muss Einsamkeit rechtzeitig bekämpfen und die Ursachen beseitigen. Unser Preisgeld fließt aber nicht in unsere neue Kampagne, sondern soll noch für eine Aktion zum Thema „Armutsgefährdung“ genutzt werden. Wir überlegen gerade, wie wir das Thema für den Schulunterricht aufbereiten können, um Jugendliche rechtzeitig dafür zu sensibilisieren.
Mit etwa 280.000 Mitgliedern ist der Sozialverband Deutschland (SoVD) der größte Sozialverband in Niedersachsen. Er ist gemeinnützig, überparteilich und konfessionell unabhängig. In 50 niedersächsischen Beratungszentren steht er seinen Mitgliedern bei Themen wie Rente, Pflege, Hartz IV, Behinderung, Gesundheit und Patientenverfügung/Vorsorgevollmacht kompetent zur Seite, vertritt sie gegenüber Politik, Behörden und vor den Sozialgerichten. Mehr Infos gibt es unter www.sovd-nds.de
Weitere Informationen zu den besten Beiträgen des aktuellen Wettbewerbs sowie Dokumentationen zu früheren Preisrunden, Best-Practice und Videopräsentationen unter www.wettbewerb-sozialkampagne.de
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