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Menschen in Krisenzeiten beizustehen gehört seit jeher zu den wichtigsten Aufgaben von Religion. Welche Bedeutung den religiösen Institutionen während der Corona-Pandemie zukam und wie ihre Rolle angesichts multipler Krisen einzuschätzen ist, das hat eine aktuelle Analyse der Bertelsmann Stiftung beleuchtet. Die gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die Bewältigungsstrategien zukünftiger Herausforderungen von Interesse.
Die Studie bezieht sich auf eine Datenerhebung, die durch das infas Institut für angewandte Sozialwissenschaft GmbH – im Auftrag der Bertelsmann Stiftung – für den Religionsmonitor 2023 durchgeführt wurde. Insgesamt haben 10.657 Personen in Deutschland, den Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Spanien, Polen und den USA an der Befragung teilgenommen; allein in Deutschland waren es 4.363.
Zunächst erinnert Yasemin El-Menouar, eine der drei Autor*innen, an die Unterstützungsleistungen, die insbesondere zu Beginn der Pandemie durch unterschiedliche Hilfsorganisationen und Initiativen auf den Weg gebracht wurden. Im Falle der Religionsgemeinschaften gehörten dazu nicht nur online angebotene Gottesdienste und Seelsorge, sondern auch praktische Hilfen zur Bewältigung des Alltags. Allerdings sei die Sichtbarkeit von Kirchen in der Pandemie innerhalb der öffentlichen Debatte durchaus unterschiedlich bewertet worden.
Vor diesem Hintergrund erörtert die Studie die Relevanz von Religion zum einen als „individuelle Coping Strategie“, zum anderen „als gesellschaftliches System neben anderen“. Dieser Schwerpunktsetzung entsprechend befassen sich Carolin Hillenbrand und Detlef Pollack in ihrem Beitrag mit folgenden Fragen:
Es stellte sich heraus, dass die Häufigkeit von Gebeten und Meditationen in der Zeit der Pandemie vergleichsweise unverändert geblieben ist. Länderübergreifend haben circa 40 Prozent der „religiös Engagierten“ während der Pandemie öfter gebetet oder meditiert als vorher. In der Gruppe der Nichtreligiösen war dies nur bei 3 Prozent der Fall. Überdurchschnittlich hoch fiel die Steigerung in denjenigen Religionsgemeinschaften aus, deren Religionspraxis generell als intensiver gilt. Als Beispiele werden Evangelikal-Freikirchliche, Muslim*innen sowie Buddhist*innen genannt.
Existenzielle Fragen drängten sich dagegen deutlich häufiger auf. Ein Drittel der Befragten in Deutschland gab an, vermehrt über den Sinn des Lebens nachgedacht zu haben. Die Anteile in Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Polen waren ähnlich hoch. In den USA und Spanien traf das sogar auf 43 bzw. 45 Prozent zu. „Dies betrifft nicht allein Menschen, die sich einer Religion zugehörig fühlen, sondern ebenso Menschen ohne Religionszugehörigkeit. Eine Hinwendung zum Glauben ist für Letztere damit allerdings nicht verbunden“, konstatieren Hillenbrand und Pollack.
Für rund 30 Prozent der Befragten erwies sich Religion bei der Bewältigung der Coronakrise als eher oder sehr hilfreich. Andere gesellschaftliche und private Bereiche, insbesondere Familie, Wissenschaft, Gesundheitssystem, Nachbarschaft und Politik erhielten jedoch höhere Kompetenzwerte. Den Spitzenplatz besetzte die Familie (90 Prozent), es folgte die Wissenschaft (85 Prozent), das Gesundheitssystem (81 Prozent) und die Nachbarschaft (74 Prozent). Die Politik kam auf 48 Prozent.
Yasemin El-Menouar setzt sich darüber hinaus mit dem Stellenwert von Religion angesichts multipler Krisen auseinander und identifiziert zwei ambivalente Tendenzen: Danach verliert die institutionelle Religion zwar einerseits an Bedeutung, wie der länderübergreifende Vertrauensverlust der Institution Kirche belegt. Andererseits bieten Gemeinden der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften eine „soziale Ressource, die gerade auch in Zeiten der Krise ihre Wirkung entfalten kann.“ Davon profitieren jedoch nur die eigenen Mitglieder, hält El-Menouar fest.
Der Religionsmonitor 2023 fragte auch danach, als wie bedrohlich die zehn größten gesellschaftlichen Herausforderungen zukünftig eingeschätzt werden, die das World Economic Forum jährlich im „Global Risks Report“ veröffentlicht. Es zeigte sich, dass 79 Prozent der Befragten in Deutschland mindestens fünf dieser Herausforderungen als große Bedrohung wahrnehmen. Als besonders belastend werden kriegerische Konflikte, globale Armut und der Klimawandel empfunden.
Nach Ansicht der Autorin kommt es zudem innerhalb einer zunehmend diversen Gesellschaft darauf an, die Optionen zur Krisenbewältigung unterschiedlicher gesellschaftlichen Gruppen zu kennen und zu stärken. Deshalb sei es wünschenswert, soziale Beziehungen zu stärken und „Brücken zu unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen – auch zwischen Religionen und Weltanschauungen – zu bauen.“
Bertelsmann Stiftung (Hrsg.) Carolin Hillenbrand, Detlef Pollack, Yasemin El-Menouar: Religion als Ressource der Krisenbewältigung? Analysen am Beispiel der Coronapandemie, 1. Auflage, 02.03.2023.https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/religion-als-ressource-der-krisenbewaeltigung
https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/unsere-projekte/religionsmonitor/ueber-die-studie
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