Buchempfehlung

Daniel Jung: Let’s rock education – was Schule heute lernen muss

Droemer Verlag, München 2020, 238 Seiten, 20 Euro

Kurz, verständlich, prägnant. Das ist das Markenzeichen von Deutschlands beliebtesten Mathelehrer – zumindest auf YouTube. Seit 2011 dreht Daniel Jung (37) kurze Erklärvideos im Bildungssektor und versucht so, das Fach Mathematik verständlicher zu machen. Damit war der Studienabbrecher aus Remscheid einer der Ersten in Deutschland. Begonnen hat der Hobbynachhilfelehrer auf YouTube. Mittlerweile hat sein Kanal „Mathe by Daniel Jung“ mehr als 6000.000 Abonnenten, wurden seine Lernvideos über 200 Millionen Mal angeklickt. Daniel Jung hat derweil drei Firmen gegründet und widmet sich gemeinsam mit 15 Mitarbeitern dem digitalen Lernen. Außerdem ist der Mathe-YouTuber Autor des Buches „Let’s rock education – was Schule heute lernen muss“.

Stochastik, Logarithmen, binomische Formeln. Normalerweise produziert Daniel Jung seine kurzen Erklärvideos wöchentlich; während der Corona-Krise macht er für YouTube, TikTok und Instagram bis zu vier Videos täglich. „Die Nachfrage ist einfach da“, erläutert Daniel Jung im Nachrichtenmagazin Spiegel. „Gerade Mathe muss erklärt werden; und das geht im Video besser als per E-Mail oder mit Arbeitsblatt.“ Das Besondere an seinen schnörkellosen Videos sind die Kürze und Schlichtheit. Als "klar und clean" bezeichnet der Social Media Teacher die Struktur seines Kanals.

Weder begrüßt Daniel Jung seine Zuschauer, noch verabschiedet er sich. „Der Rockstar der Mathematik“, wie ihn die Frankfurter Allgemeine nennt, schreibt die Aufgabe auf das Board und erklärt vor laufender Kamera Schritt für Schritte den Weg zur Lösung. Ein Tafelbild je einen komplexen Stoff. Die Clips sind nie länger als fünf Minuten – und das kommt an. „Die Schülerinnen und Schüler können den Clip immer wieder zurückspulen, bis sie die Lösung verstanden haben“, sagt Daniel Jung. „Ein großer Vorteil im Vergleich zum schulischen Matheunterricht.“

Lernen mit digitalen Inhalten

Nach dem Abitur fing Daniel Jung zunächst an, Sport und Mathematik zu studieren. Er fand die Art der Wissensvermittlung mit ewig viele Folien so öde, dass er die Ausbildung abbrach. „Das kann man auch besser machen", dachte sich Daniel Jung. Die Idee für seinen YouTube-Kanal kam ihm, wie er gerne erzählt, an einem Sonntagabend im Bett. Er stieß auf Videos der amerikanischen Elite-Uni MIT. „Der Professor flog förmlich über die Tafel, man konnte auch zurückspulen. Das einzige Problem war, dass jedes Video fast eineinhalb Stunden lang war", erinnert sich Daniel Jung. „Da machte es Peng. Ich habe mir eine Videokamera gekauft und angefangen. Unter wachsendem Feedback konnte ich mich in dem damaligen Neuland ,Lernen mit digitalisierten Inhalten‘ permanent fortentwickeln“, resümiert der Daniel Jung heute.

„Digitale Bildung wurde komplett verschlafen“

In Amerika sind Lernvideos seit 13 Jahren fester Bestandteil an den Schulen. Hierzulande wurde die Digitalisierung von Bildung und Lerninhalten in den vergangenen Jahren nicht nur komplett verschlafen. Über Jahre liefen auch Lernvideos wie die von Daniel Jung „völlig unter dem Radar“. Erst „durch die Schul- und Unischließungen haben wir so viel Publikum wie lange nicht“, so der Mathe-YouTuber im Spiegel. „Die meisten Nutzer sind 16 Jahre und älter, unser Schwerpunkt sind also Lernende auf dem Weg zum Abitur oder im Studium. Von einfacher Addition bis zu Matrizen findet man bei uns alles erklärt. In letzter Zeit sind auch immer mehr Lehrer und Professoren dazugekommen, die ihren Unterricht digital ergänzen wollen.“

Nicht nur Schüler sind begeistert über diese Art des Mathelernens. Positive Reaktionen kommen auch von Lehrern, die mit Daniel Jung Kontakt aufnehmen und ähnliche Formate nicht nur während des Lockdowns anbieten wollen. Als Konkurrenz sieht das der Remscheider Unternehmer nicht, im Gegenteil. Ihm geht es um die Sache. Inzwischen hat Daniel Jung mehr als 2.200 Mathe-Tutorials auf YouTube veröffentlicht. Sie starten bei Grundlagen der Mathematik, sind thematisch kleinteilig aufgebaut und reichen bis zu Mathethemen in Master–Studiengängen. Sie sind in Playlists geordnet, so dass möglichst jeder findet, was er sucht. Das Angebot an Erklär-Videos ist so umfangreich, dass manche bereits von einer Art Mathe-Wikipedia sprechen.

Umdenken im schulischen Lehrbetrieb

Daniel Jung fordert in seinem Buch „Let’s rock education – was Schule heute lernen muss“, die er als „Druckbetankung" bezeichnet. Diese verleide den Spaß an Zahlen, Formeln ein Umdenken im schulischen Lehrbetrieb und Kurven. Schüler plage nun mal ein gewisser „Matheschmerz“, den er mit seinen Videos versucht zu lösen. Die Kommentare unter den Videos verdeutlichen, wie verzweifelt manche Jugendliche versuchen, ihre Mathe-Noten zu verbessern. „Es gibt in Deutschland vermutlich niemanden, der mehr direkten Kontakt mit Lernenden hat als ich. Durch mein Engagement in Unternehmen und mit meinen Kooperationspartnern habe ich tiefe Einblicke in den technologischen Fortschritt bekommen und weiß, welche Maßnahmen wir jetzt für eine erfolgreiche Zukunft ergreifen müssen“, so Daniel Jung in Buechermenschen.de.

Eltern sollten sich mit Neurowissenschaften beschäftigen

„Mathe hilft in allen Lebensbereichen, denn Mathematik ist weit mehr als Rechnen. Es ist das Erkennen von Strukturen und Mustern und es kann mit entsprechenden Beispielen helfen, Dinge besser zu verstehen“, weiß Daniel Jung. In seinem Buch schildert der Social Media Teacher anschaulich, wie erfolgreiches Lernen klappt. Er stellt verschiedene digitale Möglichkeiten vor, wie man lernen kann: Im Fokus hat der Bildungspionier den Schlüsselbegriff „New Learning“ Dazu stellt der Unternehmer am Anfang seines Buches seinen zweijährigen Neffen vor, um zu zeigen, wie motiviert Kinder noch in dieser Zeit sind. Geprägt von Neugier, Tatendrang und Entdeckerfreude, wie Daniel Jung es nennt. Er empfiehlt Eltern, sich mit Neurowissenschaften zu beschäftigen, „weil in der frühkindlichen Phase die Grundsteine für spätere Lernmöglichkeiten gelegt“ werden.

Schule muss sich um 180 Grad drehen

Im Blick hat der Mathe-YouTuber dabei das große Ganze: Der herkömmliche Matheunterricht ist für Daniel Jung nicht geeignet, Inhalte zu vermitteln. Für Schulen, aber auch für die Aus- und Weiterbildung hat Daniel Jung ein Konzept entwickelt, das auf Zusammenarbeit und konstruktive Veränderungen setzt: Er wünscht sich Lehrpersonen, die sich für Mathematik und Kinder begeistern. „Wenn man diese Grundvoraussetzung mit anwendungsorientiertem Unterricht fachübergreifend in andere Themengebiete kombiniert, können wir die Mathematik neu beleben.“ Schule muss sich seiner Meinung nach um 180 Grad drehen. „was Mut zur Realisierung und zum Wandel erfordert.“

Let‘s rock Mathe

„Ich will nichts verkaufen, ich rufe Bildung aus und will, dass wir für Bildung die sozialen Netzwerke optimal nutzen", sagt Daniel Jung im WDR. Seine Devise: „Let‘s rock Mathe“. Seine Tutorials sollen kostenlos bleiben. Im Gegensatz zum klassischen Nachhilfeunterricht, für den alljährlich hohe dreistellige Millionensummen ausgegeben werden. Sein Geld verdient der digitale Mathelehrer mit Vorträgen, er berät Unternehmen bei ihrer Social Media Strategie und engagiert sich für Digitalisierung in der Bildung. Ergänzend zu den Clips hat Daniel Jung inzwischen die kostenlose Online-Plattform Mathefragen.de ins Leben gerufen. Mehr als 500 Helfer chatten dort mit Schülern über mathematische Probleme und beantworten Fragen. „Mathe kann jeder“, sagt Daniel Jung, „es kommt einfach auf die Art der Vermittlung an“.

Schulen sind für digitalen Unterricht nicht ausgestattet

Für die Kultusminister der Länder bedeuten die Sommerferien: Solide Planung des nächsten Schuljahres hat oberste Priorität. Lehrerbefragungen zeigen aber: Zwei Drittel der Schulen hatten während des Lockdowns überhaupt kein Konzept für die Pandemie-Zeit, jeder vierte Lehrer war völlig auf sich alleine gestellt. In Deutschland sagen über die Hälfte aller Lehrenden, das die technische Ausstattung an ihrer Schule für digitalen Unterricht nicht ausreicht.

Daniel Jung träumt von einer individuellen Form der Bildung. Auf Vorträgen und Bildungsgipfeln sprach er vor der Phase des Social Distancing über die Zukunft des Bildungssektors. Und er arbeitet zusammen mit dem Fraunhofer Institut am Projekt „Roberta“, das Schülern die Robotik näherbringen soll. „Wenn jemand so viele Jugendliche und Kinder dazu bringt, sich mit Mathematik zu beschäftigen, hat Daniel Jung alles richtig gemacht. Auch der Schulunterricht kann davon profitieren“, so Heinz-Peter Meidinger, Präsident des Deutschen Lehrerverbandes.

Fazit: „Let‘s rock education“ heißt anleiten, begleiten, begeistern

Daniel Jung plädiert für die Vielfalt von Talenten und Interessen sowie Kreativität und Teamarbeit. Das ideale Forum dafür ist für den Mathe-YouTuber eine Community der Lernenden und mehr Lehrer, die anleiten, begleiten und begeistern. Sein Buch ist eine Anleitung für die Zukunft – inklusive ermutigender Praxisbeispiele! Daniel Jungs Utopie für das New Learning, das neue Lernen, ist ansteckend, sodass man selbst als Erwachsener gerne wieder in die Schule gehen möchte. Vorausgesetzt das Lernen erfolgt altersgerecht, individuell, lebenslang und intrinsisch.

Weitere Informationen:

YouTube-Kanal „Mathe by Daniel Jung”

Mathe Onlinekurse: https://mathe-onlinekurse.de

Portal Mathefragen: https://mathefragen.de

WDR Wissen: Nachhilfe-Videos für Schüler auf Youtube boomen

Büchermenschen: Interview mit Daniel Jung

(alle abgerufen am 02.06.2020)

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