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Wo früher Wäschekörbe mit Bewerbungen eingingen, suchen gegenwärtig viele Unternehmen händeringend nach Fachkräften. Diese Trendumkehr spiegelt sich auch im derzeit öffentlich diskutierten Fachkräfteeinwanderungsgesetz wider, das eines der drängendsten Probleme der deutschen Wirtschaft angehen will. „Heute bewerben sich Unternehmen bei Kandidaten und nicht mehr nur anders herum“, konstatieren die Autoren einer Studie, die untersucht, wie Betriebe auf den Fachkräftemangel reagieren und welche Rekrutierungswege erfolgreich sind. Der Fachkräftemangel ist bei den Unternehmen spürbar angekommen, „sie müssen aber ihre Aktivitäten weiter ausbauen und flexibler werden“, mahnen die Autoren.
Grundlage ist das Forschungsprojekt des Kompetenzzentrums Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft, der Jobseite Indeed und der Fachzeitschrift Personalwirtschaft. Dabei wurden 420 Unternehmen befragt und anhand von Online-Stellenanzeigen und Klicks auf Indeed das Verhalten von Arbeitgebern und Jobsuchenden untersucht. Von den befragten Firmen beschäftigen 28 Prozent weniger als 50 Mitarbeiter, 25 Prozent zwischen 50 und 249 Mitarbeiter, 22 Prozent zwischen 250 und 999 Mitarbeiter und weitere 25 Prozent mehr als 1.000 Mitarbeiter.
In mehr als 90 Prozent der befragten Unternehmen ist der Fachkräftemangel spürbar angekommen, 41 Prozent bezeichnen ihn sogar als dringlich oder existenziell für ihr Haus. „Recruiter hatten zuletzt fast 1,5 Millionen offene Stellen zu besetzen“, führt die Studie aus. Aber: „Der Bedarf an Fachkräften und die Schwierigkeit, sie zu finden, ist jedoch regional sehr unterschiedlich ausgeprägt.“ In manchen Unternehmen spitzt sich der Mangel bereits auf spezielle Mitarbeitergruppen zu, einige (5 %) haben resigniert und die Suche aufgegeben, ergab die Befragung.
Gemessen an den Klicks je Online-Stellenanzeige (100 % = Durchschnitt) sind etwa Softwareentwickler und Elektroniker heftig umkämpft, d. h. die sie betreffenden Stellenanzeigen werden kaum angeklickt (jeweils 9 %). Auch die Angebote für Altenpflegekräfte stoßen mit vergleichsweise wenigen Klicks (31 %) auf nur geringes Bewerberinteresse. Bewerber hören so etwas gerne: „Die begehrten Engpass-Talente können sich ihre Jobs aussuchen und häufig beste Konditionen verhandeln – ein Jobwechsel ist für sie häufig attraktiv.“
„Eine strategische Personalarbeit ist für die meisten Unternehmen heutzutage Pflicht“, unterstreicht die Studie. Diese Aufgabe umfasst die vorausschauende Analyse von Personalbedarf und -engpässen, von Fluktuation und Verrentung von Mitarbeitern. Zwar drückt der Mangel an geeigneten Mitarbeitern viele Unternehmen, aber weniger als die Hälfte (43 %) betreibt strategische Personalplanung.23 Prozent äußern zumindest die Absicht, das zu tun. Gerade kleine und mittlere Unternehmen haben beträchtlichen Nachholbedarf.
Unternehmen umgarnen besonders gesuchte Engpass-Talente mit monetären und nichtmonetären Sonderleistungen: etwa Zulagen, individuelle Arbeitszeitregelungen oder Unterstützung beim Umzug. Doch sie sprechen darüber nur selten öffentlich. Nur jedes vierte Unternehmen tut das bereits in der Stellenanzeige, manche nur auf ausdrückliche Nachfrage hin. Allerdings gilt auch: Mit dem Fachkräfteengpass wächst die Bereitschaft zur Kommunikation von Sonderleistungen.
Laut Studie nutzen die befragten Unternehmen zahlreiche Methoden und Kanäle der professionellen Personalsuche – je größer der Betrieb, desto mehr. „Dieses Ergebnis ist insofern nicht verwunderlich, da kleinere Unternehmen auch absolut weniger Mitarbeiter/-innen suchen, seltener eine strategische Personalplanung betreiben und weniger Mittel für die Personalwerbung zur Verfügung haben.“ Kostenpflichtige Online-Stellenanzeigen sind der meistgenutzte Recruiting-Kanal (79 % der Unternehmen).
Häufig praktiziert werden der Besuch oder die Ausrichtung spezieller Zielgruppen-Veranstaltungen wie Job-Messen oder Recruiting-Events (60 %), Active Sourcing (gezielte Kandidaten-Ansprache, 52 %), die Kooperation mit Hochschulen und anderen Bildungseinrichtungen (50 %), sowie Social-Media-Marketing (36 %). Eine weitere Maßnahme kommt naturgemäß nur für wenige Unternehmen in Frage: die Eröffnung eines neuen Standorts dort, wo sich verfügbare Arbeitskräfte tummeln (16 %).
Die Studienautoren raten: „Jedes Unternehmen muss einen individuellen Mix an Maßnahmen zusammenstellen, der zu ihm passt. Dabei spielen insbesondere die persönliche Kandidatenansprache und der Aufbau einer persönlichen Beziehung zu den gesuchten Engpass-Talenten eine große Rolle.“
Neue Zielgruppen ansprechen, vermehrt ausbilden
Der Wettbewerb um Talente wird zunehmen, der demografische Wandel heizt die Entwicklung an. So wurden zuletzt 75 Prozent der Stellen hierzulande in Engpassberufen ausgeschrieben. Insbesondere mangelt es an Fachkräften mit abgeschlossener Berufsausbildung. Unternehmen sollten gezielt auf bislang eher vernachlässigte Zielgruppen wie Frauen, Fachkräfte aus dem Ausland und Menschen mit Behinderung zugehen. Außerdem gewinnt die Ausbildung von Nachwuchs wieder an Bedeutung, sind sich die Autoren sicher.
Sibylle Stippler / Alexander Burstedde / Annika Hering u. a., Wie Unternehmen trotz Fachkräftemangel Mitarbeiter finden, Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA) am Institut der deutschen Wirtschaft, KOFA-Studie 1/2019, 31 Seiten
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Das Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung (KOFA)unterstützt mit Tipps und Handlungsempfehlungen vor allem kleine und mittlere Unternehmen bei der Suche und Qualifizierung von Fachkräften.
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