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Mit der Hartz-IV-Reform 2005 kamen die Ein-Euro-Jobs. Sie sollten besonders schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose wieder in reguläre Arbeit bringen. Seither wird gestritten, ob dieses arbeitsmarktpolitische Instrument hält, was es verspricht. Manche Erfahrungen sorgen für Ernüchterung. Demzufolge verschaffen Ein-Euro-Jobs tatsächlich nur wenigen Betroffenen reguläre Jobs. Und wenn, dann profitieren vor allem ältere Arbeitssuchende, während Unternehmen immer wieder Missbrauch betreiben, indem sie reguläre Stellen durch Ein-Euro-Maßnahmen ersetzen. Eine neue Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit (IAB) untersucht, ob der Erfolg von Ein-Euro-Jobs nach Branchen differiert und welchen Arbeitsuchenden das besonders nützt.
Rund 220.000 Menschen haben einen Ein-Euro-Job (Stand 2016; Quelle BA), offiziell „Arbeitsgelegenheiten mit Mehraufwandsentschädigung" genannt. Sie erhalten zusätzlich zu ihrem Hartz-IV-Regelsatz ein bis maximal zwei Euro pro Arbeitsstunde als Aufwandsentschädigung. Viele Ein-Euro-Jobber arbeiten in sozialen Einrichtungen wie Kindertagesstätten und Altenheimen oder in der kommunalen Grünpflege. Die Arbeit muss für die Arbeitslosen zumutbar und im öffentlichen Interesse sein und darf reguläre Beschäftigte nicht verdrängen. Weisen Arbeitslose einen zumutbaren Job zurück, kann das Arbeitslosengeld gekürzt werden. Ein-Euro-Jobber gelten nicht als arbeitslos und tauchen folglich nicht in der Arbeitslosenstatistik auf.
Anfangs wirken sich Ein-Euro-Jobs negativ auf die Wahrscheinlichkeit aus, in eine versicherungspflichtige Tätigkeit aufzurücken, stellen die IAB-Autoren fest. Grund ist der sogenannte Einsperreffekt („Lock-in“): Sind die Teilnehmer erst einmal in einem Förderjob, haben sie zunächst weniger Zeit zur Suche eines regulären Arbeitsplatzes oder empfinden weniger Druck, das zu tun. Aber: „Rund sechs Monate nach dem Förderbeginn steigen die Beschäftigungseffekte für alle untersuchten Gruppen an.“ Diese Gruppen umfassen Männer und Frauen jeweils in West- und Ostdeutschland. Außerdem kann der Effekt von Ein-Euro-Maßnahmen nur in einem längeren Zeitraum ermittelt werden – wegen der großen Rezession 2008/2009 und wegen zwischenzeitlich weiterer Förderung der Arbeitslosen, etwa in der Weiterbildung. Die Studie wertet Personendaten der BA-Statistik für den Zeitraum 2007 bis 2013 aus.
Wesentlicher Erkenntnisgewinn der Studie ist, dass die Brückenfunktion von Ein-Euro-Jobs in reguläre Arbeitsverhältnisse maßgeblich mit den Einsatzbereichen für die Betroffenen korrespondiert.
Die Gründe für die unterschiedlichen Eingliederungserfolge liegen auf der Hand. Zum einen sind Frauen in Gesundheit und Pflege sowie Kinderbetreuung und Jugendhilfe ohnehin stark vertreten. Zum anderen bestand und besteht in diesen Bereichen eine hohe Nachfrage nach Arbeitskräften. Männer in Ostdeutschland waren dagegen hauptsächlich in Umweltschutz, Landschaftspflege und Infrastrukturverbesserung tätig, allesamt Bereiche, in denen es nach der Wiedervereinigung bereits viele Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen gegeben hatte. Entsprechend geringer war die Nachfrage nach regulärer Beschäftigung. Geringe fachliche Qualifizierung von Bewerbern könnte hinzukommen.
„Die Ergebnisse weisen darauf hin, dass Ein-Euro-Jobs geeignete Maßnahmen sein können, um die Integrationschancen von erwerbsfähigen Leistungsempfängern mittel- bis langfristig zu erhöhen“, resümieren die Autoren. Der Zusammenhang zwischen Vermittlungserfolg und wirtschaftlicher Situation der Branche überrascht nicht, könnte aber den Fokus der Arbeitsvermittlung schwer vermittelbarer Langzeitarbeitsloser künftig noch stärker auf florierende Arbeitsbereiche lenken.
Insgesamt bestätigt die aktuelle Studie eine vorangegangen IAB-Analyse mit anderen Erfolgsaspekten von Ein-Euro-Jobbern, etwa die Qualifikation der Bewerber und ihrer Motivation: Entscheidend ist die passgenaue Feinabstimmung zwischen Arbeitsuchenden und Betrieben. Auf jeden Fall tragen Ein-Euro-Jobs zum Verbleib im Arbeitsleben bei, während Hartz-IV-Bezieher ohne diese Maßnahme vermehrt den frühzeitigen Renteneintritt oder die Gründung von Haushaltgemeinschaften mit einem Gesamteinkommen über dem Existenzminimum wählen.
* Siehe Andreas Moczall / Martina Rebien, Einschätzung der Ein-Euro-Jobs durch die Einsatzbetriebe: Auf den Zweck kommt es an, IAB-Kurzbericht, 23/2015,
8 Seiten
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Markus Kiesel / Joachim Wolff, Das Einsatzfeld hat Einfluss auf die Integrationschancen. Langfristige Teilnahmewirkungen von Ein-Euro-Jobs, IAB-Kurzbericht, hg. vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 8/2018, 8 Seiten
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