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In der Berufswelt spielt der kleine Unterschied oft noch eine große Rolle – in Karriereplanung, Aufstiegsmustern und Bezahlung. Das gilt auch für Non-Profit-Organisationen (NPOs) wie Wohlfahrtsverbände, Vereine, Gewerkschaften und Stiftungen. 75 Prozent ihrer 2,3 Millionen angestellten Mitarbeiter sind Frauen, auf den Führungsetagen aber sind sie klar unterrepräsentiert (38 %). Nichts Neues unter der Sonne, könnte man mit Blick auf andere Unternehmen denken. Doch NPOs sind sehr spezielle Institutionen mit hoher Arbeitszufriedenheit bei mäßiger Bezahlung. Eine Studie der Universität Münster und des Maecenata Instituts fragt nach den besonderen Karrierechancen und -hindernissen für Frauen in der Branche und legt den Schluss nahe: Auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit geht es nicht einfach nur darum, mehr Frauen in Führungspositionen zu bringen, sondern das Potenzial des Nonprofit-Sektors als „Labor künftiger Arbeitswelten“ zu erschließen.
Die Untersuchung basiert auf statischen Daten, Befragungen und Interviews zu Arbeitsbedingungen und Karrieren von Frauen in NPOs. Demnach beträgt der Anteil von Nonprofit-Unternehmen an der Gesamtbeschäftigung neun Prozent. Die überwiegend weiblichen Beschäftigten arbeiten im Vergleich zu Männern (25 %) deutlich häufiger in Teilzeit. Die Präsenz von Frauen in Führungspositionen stellt sich wie folgt dar:
Karrierehindernisse für Frauen in NPOs bestehen auf zwei Ebenen. Zunächst auf der Ebene allgemeiner Geschlechterstereotypen. Dazu zählt die Vorstellung, dass Führung eher Männersache sei und primär Frauen die Verantwortung für Familie und Kindern obliege. Nähere Betrachtung im Rahmen vorliegender Studie verdienen die hausgemachten Barrieren im NPO-Sektor. Tückisch daran: Normative Orientierung und Strukturbesonderheiten von NPOs setzen weiblichen Beschäftigten einen hohen Anreiz, wirken aber auch als Karrierebremse.
Eine professionelle und dazu gesellschaftlich nützliche und sinnstiftende Arbeit, wie sie viele NPOs bieten, ist etwas, das den beruflichen Erwartungen von Frauen sehr entgegen kommt, sagen die Studienautoren. NPOs verzeichnen daher einen starken Zulauf von Frauen gerade auf der Einstiegsebene. Mit folgenschweren Begleiterscheinungen: „Frauen zeigen sich hier zu wenig karriereorientiert, machen nicht genug auf sich aufmerksam und konzentrieren sich viel mehr auf Projektinhalte“, heben die Autoren hervor. Den wenigen Männern kann’s recht sein: Sie haben es leichter, sich zu profilieren und für einen Karrieresprung zu empfehlen.
Flache Hierarchien und Projektarbeit, typisch für NPOs, entsprechen dem engagierten Gestaltungswillen vieler Frauen. Flache Hierarchien bedeuten aber auch weniger Top-Positionen. „Hier ist die Luft dünn, sodass an sich schon nicht sehr viele Aufstiegsmöglichkeiten in NPOs vorhanden sind.“ Frauen bleibt dann die Kompensation durch qualifizierte Facharbeit, die mit Verantwortung, Selbstbestimmung und Sinnerfüllung belohnt.
Flexible Arbeitszeitregelungen machen NPOs als Arbeitgeber für Frauen attraktiv. „[Es] wird sowohl aus Sicht der Personalverantwortlichen als auch der Führungskräfte einiges in NPOs getan, um auf den unteren Ebenen ebenso wie im mittleren Management Frauen in den NPOs zu halten und ihnen die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu erleichtern“, urteilen die Studienautoren. Kehrseite der Medaille ist das Klischee vom selbstgewählten Karriereverzicht der Frauen sowie ein geringes Einkommen aufgrund weit verbreiteter Teilzeitverträge.
„Dass Frauen in NPOs auf Top-Führungspositionen gelangen, wird bisher kaum als zentrale organisationsinterne Aufgabe betrachtet“, bemängeln die Autoren. Personalentwicklung, insbesondere hinsichtlich der Rekrutierung weiblicher Führungskräfte, gewinne in NPOs gerade erst an Bedeutung. Frauenförderung halte auch als Maßnahme gegen den Fachkräftemangel her. Immerhin öffne sich somit für Frauen im Nonprofit-Sektor ein „Window of Opportunity“, ein Gelegenheitsfenster, beruflich voranzukommen und die Karriereleiter aufzusteigen.
Allerdings müssten solche Gelegenheiten durch aktive Maßnahmen flankiert werden. Die Autoren der Studie wenden sich mit einem ganzen Set von Handlungsempfehlungen an NPOs, Politik und Beschäftigte.
Mit der Untersuchung von Karrieremustern von Frauen und deren Führungspräsenz verweist die Studie auf den größeren Zusammenhang des Nonprofit-Sektors als einem gesellschaftspolitischen Zukunftslabor. Fachkräftemangel, Wertewandel und Legitimationsverlust des Neoliberalismus sehen die Autoren als Katalysator eines Wandels der Arbeitswelt: hin zur Einsicht, dass Beruf und Arbeit nicht alles sind, hin zu mehr Sinnhaftigkeit der Arbeit, Eigenverantwortung und Gleichberechtigung. Ob die Zukunft der Arbeit wirklich weiblich ist, wie die Autoren behaupten, muss sich zeigen. Aber gewiss dürften Frauen dann mehr Top-Positionen erobert haben.
Annette Zimmer / Eckhard Priller / Franziska Paul, Karriere im Nonprofit-Sektor? Arbeitsbedingungen und Aufstiegschancen von Frauen.
Hrsg: Zentrum für Europäische Geschlechterstudien (ZEUGS) – Working Paper - Special Issue 2017, 135 Seiten. Die Studie wurde vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) gefördert.
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