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Schwindendes Engagement, finanzielle Engpässe, erschwerte Arbeitsbedingungen – das alles bei voller Leistung. In Corona-Zeiten ist das die „neue Normalität“ für die organisierte Zivilgesellschaft, skizziert die Forschungseinrichtung ZiviZ im Stifterverband in ihrem aktuellen Engagement-Barometer. Eine zentrale Erkenntnis dieser Umfrage unter Führungskräften gemeinnütziger Organisationen: Zwar konnten bisher geleistete Soforthilfen die erheblichen Einnahmeausfälle abfedern, für die kommenden Monate aber sind zukunftsgerichtete Förderkonzepte gefragt.
Ob Flüchtlingskrise 2015/16 oder Corona-Pandemie: Viele Ehrenamtler und Engagierte in Nachbarschaft, Vereinen und gemeinnützigen Verbänden waren sofort zur Stelle, als das Land praktisch über Nacht in den Krisenmodus schaltete. Doch wie schon nach der anfänglichen Willkommenskultur vor fünf Jahren ist auch der zivilgesellschaftliche Aufbruch während des Lockdowns im Frühjahr 2020 merklicher Ermüdung gewichen. Dazu haben Lockdowns, Abstandsregeln und der Rückzug ins Private bei nicht unmittelbar coronabezogenen Hilfsaktionen geführt.
Wie trägt die Zivilgesellschaft zur Krisenbewältigung bei, wie verändert sich die Engagementkultur? Das waren einige Fragen an Führungskräfte aus Infrastruktureinrichtungen, Landes- und Bundesverbänden und gemeinnützigen Organisationen. Der Erhebung liegen insgesamt 45 Experteninterviews und 745 realisierte quantitative Befragungen in April, August und November 2020 zugrunde.
„Die Bereitschaft zu helfendem Engagement lässt nach, die Anforderungen an Führungskräfte in den Vereinen steigen, und die Mitgliederzahlen sind rückläufig“, hält die Untersuchung fest. Jeder zweite Befragte berichtete von Entmutigung der Aktiven, die Bindung von Engagierten (70 Prozent) und Mitgliedern (61 Prozent) ist zur zentralen Herausforderung geworden. 15 Prozent beobachten erste Vereinsaustritte, 38 Prozent eine Überforderung ehrenamtlicher Führungskräfte. Schätzungen besagen, dass rund 100.000 Vereine von pandemiebedingten Mitgliederaustritten betroffen sein könnten. Laut jedem zweiten Befragten sind bis zu einem Viertel der Mitgliederorganisationen existenzgefährdet.
Dieser personelle Schwund setzt sich finanziell fort. Mitgliedsbeiträge fallen weg, Einnahmen durch Veranstaltungen und Verkaufserlöse brechen ein. Angaben der Befragten im Detail:
Das vorliegende Engagement-Barometer darf als Weckruf verstanden werden: an die Adresse von Politik und gemeinnützigen Einrichtungen. Statt eines simplen Weiter so steht die Engagement-Landschaft vor einer Reorganisation. Folgende Empfehlungen sollten bedacht werden:
In der Diskussion über Rettungsschirme fühlen sich viele zivilgesellschaftlich Aktive wörtlich im Regen stehen gelassen. Diese Stimmung findet sich auch in einer Studie der Maecenata Stiftung zur Lage der Zivilgesellschaft während der Pandemie wieder.* Dort heißt es: „Bund und Länder honorieren nur ungenügend die Leistungen und Einsatzbereitschaft der Zivilgesellschaft. Eine Anerkennungs- und Wertschätzungskultur fehlt ebenso wie ein hinreichender Rettungsschirm.“
Jetzt kommt es darauf an, die vom Stifterverband herausgearbeiteten Maßnahmen zur Erneuerung des zivilgesellschaftlichen Engagements aufzugreifen. Vergessen wir nicht, worum es geht: „Gesellschaftlicher Zusammenhang ist in der Pandemie auf eine Bewährungsprobe gestellt und kann zugleich ein Schlüssel für die erfolgreiche Bewältigung der Krise sein.“
Holger Krimmer / Birthe Tahmaz u. a., Weniger Handlungsspielräume trotz besonderer Leistungen. Coronakrise führt zu wachsender Unsicherheit und Schwächung zivilgesellschaftlicher Strukturen, Engagement-Barometer,
hg. vom ZiviZ im Stifterverband für die deutsche Wissenschaft e.V.,
Policy Paper, 1/2021, 16 Seiten
www.ziviz.de/corona
*Malte Schrader / Johannes Roth / Rupert Graf Strachwitz,
Ein Rettungsschirm für die Zivilgesellschaft? Eine explorative Studie zu Potenzialen, Bedarfen und Angeboten in und nach der COVID-19 Krise, Maecenata Institut für Philantropie und Zivilgesellschaft (Hg.), Oktober 2020, 85 Seiten,
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