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Gemeinsam mit Paul Hertzberg berichtet Sophia Bogner seit vier Jahren als Auslandsreporterin, hauptsächlich aus Afrika für den Spiegel, die Zeit, das Wirtschaftsmagazin brand eins und den Deutschlandfunk. Vier Jahre hat das Hamburger Journalisten-Paar Afrika bereist und in zwölf Ländern erfolgreiche afrikanische Unternehmerinnen und Unternehmer besucht. „Jenseits von Europa“ ist eine Sammlung an Porträts und soll in Europa nicht nur das Interesse für Afrika wecken, sondern auch für die dortigen Erfolgsrezepte. Unsere Autorin Maicke Mackerodt hat mit Sophia Bogner via Skype über den Gründergeist Made in Africa gesprochen.
Über Afrika scheint es immer wieder die gleichen Bilder zu geben: Frauen in bunten Tüchern, Sonnenuntergänge in der Serengeti, Löwen, Elefanten, Affen und Giraffen im Krüger Nationalpark. Neben den malerischen Afrika-Klischees gibt es zudem die ständigen Schlagzeilen über Krieg und Korruption, über Dürre, Flüchtlinge, Hungersnot und „Bad Governments“, schlechte Regierungen, wie Sophia Bogner und Paul Hertzberg es nennen. „Zum einen hält sich dieses Narrativ, Afrika ist ein armer, ein wirtschaftsschwacher Kontinent, ein korrupter Kontinent, ein in weiten Teilen schwieriger, abgehängter Kontinent. Das Krisen, Kriegs- und Katastrophen-Image ist schon ziemlich hartnäckig“, sagt Sophia Bogner im Gespräch mit unserer Autorin. Zum anderen sei Afrika mit seinen 54 Ländern kompliziert und dafür fehle uns Europäern häufig die Geduld in der öffentlichen Debatte. Da passt ein kenianischer Produzent, der eine Reality-TV-Serie über junge Millionäre des Landes dreht, einfach nicht rein.
„Es sind ganz viele Länder dabei, da geht's wahnsinnig ab, da herrscht Wirtschaftswachstum, da funktioniert es auch mit der Demokratisierung, da geht es voran“, weiß die Journalistin. Und niemand nimmt davon Notiz und das sei „ein Versäumnis, denn Ländern wie China ist schon längst aufgefallen, dass Afrika ein kommender Kontinent ist“. Wenn wir das in Europa verpassen, ist das für die Autorin nicht in unserem Interesse. „Deshalb sollten wir versuchen, differenzierter hinzuschauen.“
Für das Hamburger Autoren-Duo sind die 54 afrikanischen Länder „der letzte fast unberührte Markt der Welt“. Hier wachsen ihrer Meinung nach Branchen, die anderswo stagnieren. Der Kontinent mit seinen 1,3 Milliarden Einwohnern und seiner rasant wachsenden Mittelschicht könnte ein gigantisches Start-up Paradies sein, schreibt Sophia Bogner. Könnte. Stattdessen bleibt es ein Nischenthema für Experten. Nichts über Afrika zu wissen, sei völlig salonfähig geworden.
Zwölf Länder hat das Autoren-Duo für „Jenseits von Europa“ innerhalb von vier Jahren besucht und festgestellt: Afrikanische Unternehmerinnen und Unternehmer kämpfen meist gegen zwei Hindernisse. Investoren außerhalb von Afrika fragen sich: Können die das? Sind die pünktlich? Sind die korrupt? Und auch innerhalb Afrikas werden regionale Produkte „Made in Africa“ selten wertgeschätzt. Hilfreich bei den Recherchen war, dass Sophia Bogner Halb-Äthiopierin ist, weil ihre Mutter aus dem ostafrikanischen Land stammt. Die Literaturwissenschaftlerin spricht die Landessprache und konnte sich so etwas freier bewegen, „weil ich nicht ganz so fremd aussah“.
Erfolgreich entwickelte sich für Sophia Bogner die Logistik-App „Lori“, eine Art „Uber for trucks“, gemeint ist eine Online-Plattform, die Spediteure miteinander verbindet. Monatelang suchten die drei Gründer aus Kenia und Nigeria nach westlichen Investoren. „Lori Systems“ ist für die Journalistin ein fantastisches Beispiel für gerade dieses Problem, „dass viele europäische Investoren, auch viele amerikanische Investoren, immer noch sehr zurückhaltend sind, was Afrika angeht“. Wenn sich überhaupt Firmen nach Afrika wagen, dann ins ölreiche Nigeria oder nach Südafrika. Der Rest ist für deutsche Unternehmen Terra incognita.
„Die Lori-Gründer sind klassische junge Leute, für die es gar kein Problem sein sollte, Investoren zu finden“, sagt Sophia Bogner. Die soziale Mission von Lori: Ein technologiegetriebenes Unternehmen mit dem Ziel, die Produktionskosten in Entwicklungsländern zu senken. Nirgendwo seien die Transportkosten von jedem Produkt, jeder Dienstleistung so hoch wie in Afrika. „Sie haben mit über 100 Investoren gesprochen, die Leute hatten Angst, in Afrika zu investieren. Einer der ersten größeren Investoren war letztendlich ein chinesischer Investor.“ Inzwischen ist Lori eines der erfolgreichsten Startups auf dem Kontinent. „Es war nicht einfach am Anfang.“
Eingebettet in gesellschaftliche Entwicklungen und politische Umbrüche beschreiben die Autoren, warum Frauen in Afrika oft ein besseres Händchen bei Unternehmensgründungen haben als die Männer. Wie zum Beispiel eine Äthiopierin, die die App „Ride“, einen Uber-ähnlichen Fahrdienst auf den Markt gebracht hat. Was so easy klingt, hat sich die Informatikerin hart erkämpft. Nicht nur gegen unfassbar uralte und „heilige Bürokratie“, wie die Autoren es nennen, sondern auch gegen die männerdominierte Taxi-Lobby. Erst nachdem ein in Kanada lebender Äthiopier als Investor einstieg, wurde „Ride“ in Äthiopien konkurrenzlos zum Marktführer. Nicht nur die Zahl der Fahrer hat sich in den letzten drei Jahren verzehnfacht, interessanterweise wird die Hälfte der Autos sogar von Frauen gesteuert.
In Afrika gibt es ungewöhnlich viele innovative Unternehmerinnen, stellen Sophia Bogner und Paul Hertzberg fest. In „Jenseits von Europa“ porträtieren die Autoren eine Frau in Simbabwe, die ihr eigenes Security-Unternehmen aufbaute. Eine Designerin aus dem Senegal, deren Kleider auch Beyoncé trägt. Eine Nigerianerin, die einen Blutlieferdienst gründete oder eine Unternehmerin in Ruanda, die eine E-Commerce Plattform entwickelte, für lokale Produkte vom Lammkottelet bis zum Kunsthandwerk. Nur eine Gründerin in Simbabwe kapitulierte vor der Korruption und den maroden Strukturen und zog mit ihrer Pilzfarm weiter in das Nachbarland Sambia.
Ob afrikanische Unternehmerinnen mutiger sind? „Soweit würde ich nicht gehen“, sagt Sophia Bogner. „Natürlich ist es so, dass in vielen afrikanischen Ländern Frauen eben nicht nur komplett für die Familie, sondern auch fürs Geld verdienen verantwortlich sind. Und das macht sie häufig einfach auch zu guten Unternehmerinnen.“ Dazu kommt, dass viele afrikanische Unternehmer und Unternehmerinnen viel mehr schaffen müssen als nur ihre Geschäfte. „Dazu gehört häufig, die gesamte Infrastruktur drum herum zu schaffen, sei es die Stromversorgung, sei es Straßen, das eigene Recruiting, Talent Building. Sie können nicht warten, dass die Regierung das in die Hand nimmt, sondern nehmen es selber in die Hand, übernehmen Verantwortung und gehen voran.“ Für Sophia Bogner ist dieser klassische Unternehmergeist weit verbreitet in ganz vielen Ländern in Afrika.
Zwiespältig sei der Besuch in der bettelarmen Krisen- und Kriegsregion Mosambik gewesen, für Paul Hertzberg eines der schönsten Länder der Welt, das zuletzt allenfalls durch islamistischen Terror, Bürgerkriege und professionelle Wilderer Schlagzeilen machte. Touristen blieben aus. Folglich versucht ein Wildlife-Manager sein Naturschutzgebiet zu erhalten, indem er mit Großwildjagd den Artenschutz finanziert. „Tiere töten, um Tiere zu retten“, klingt paradox, aber westliche Moral hilft für Sophia Bogner hier nicht weiter. „Trophäenjagd ist ein sehr umstrittenes Thema, aber eben auch ein ganz zentraler Bestandteil für viele Nationalparks, die versuchen, die Natur zu schützen und sich zu finanzieren. Da macht es sich der Westen, wo wir überhaupt keine wilden Tiere mehr haben, zu einfach“, sagt die Journalistin. „Ich habe gelernt, dass man Lösungen finden muss, die lokal funktionieren, dass es deshalb wichtig ist, dorthin zu fahren und zu schauen, was funktioniert da vor Ort.“
Man ist beim Lesen immer wieder überrascht, wie vielfältig dieser Kontinent ist. In vielen afrikanischen Ländern ist man wirklich in einer anderen Zeit, sagt Sophia Bogner, vor allem auf dem Land, wo zum Teil noch mit dem Ochsenpflug gearbeitet wird. In den großen Städten werde Sushi bestellt, es gibt Startup-Hubs und es geht voran. „Diese Gleichzeitigkeit in vielen afrikanischen Ländern war eine Erkenntnis, die mich überrascht und mir noch mal vor Augen geführt hat, wie spannend dieser Kontinent ist.“
Ob Afrika im nächsten halben Jahrhundert einen China-mäßigen Aufstieg hinlegt, könne keiner vorhersagen, schreiben Sophia Bogner und Paul Hertzberg. Begleitet man die beiden Journalisten auf ihren mitunter wirklich sehr abenteuerlichen Reisen, erfährt man viel über die kreative Seite Afrikas, über die Vielfalt an Geschäftsideen, über die soziale Verantwortung der Gründer für die Gemeinschaft. Die Journalisten erzählen eindrucksvoll und abseits von Stereotypen. Gut die Hälfte der facettenreichen Reportagen waren, leicht verkürzt, im Wirtschaftsmagazin „Brandeins“ zu lesen. Für „Jenseits von Europa“ wurden die Texte erweitert, nur die schönen Fotos fehlen – leider. Spürbar wird, dass Afrika für das Journalisten-Paar viel, viel mehr geworden ist als ein abgehängter Rohstoffkontinent, an dem sich die gesamte Welt bedient.
Autorin: Maicke Mackerodt
Weitere Informationen
www.brandeins.de/themen/kollektion-unternehmertum-in-afrika
alle abgerufen am 15.02.2023
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