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Bürgerschaftliches Engagement gilt gewissermaßen als Gradmesser für die Qualität des gesellschaftlichen Zusammenhalts, ganz besonders in ländlichen Regionen. Ohne Menschen, die dazu bereit sind, sich hinter das Steuer eines Bürgerbusses zu setzen, gemeinsam mit anderen einen Dorfladen zu betreiben oder als Mitglied der freiwilligen Feuerwehr Verantwortung zu übernehmen, wäre es vielerorts um die Lebensqualität schlecht bestellt. Es ist jedoch alles andere als sicher, dass diese Form der Daseinsvorsorge ohne Abstriche bestehen bleibt. Aufgrund demografischer und struktureller Veränderungen stehen zahlreiche Kommunen vor dem Problem, dass die Zahl der Nachwuchskräfte schwindet und die Engagementbereitschaft zurückgeht. Der ostwestfälische Kreis Lippe ist deshalb initiativ geworden und startete das Projekt „SROI“ (Social Return On Investment“), um Lösungen zu finden.
Im Rahmen der Fördermaßnahme „Kommune innovativ“ übernimmt das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) von September 2021 bis August 2024 die finanzielle Förderung. Bis zum Projektende wollen die Projektverantwortlichen - als Teilprojekt A - eine Bemessungsgrundlage für den finanziellen Wert freiwilliger Tätigkeiten erarbeiten. „Diese kann den Entscheidungsträger*innen vor Augen führen, dass es sich lohnt, in verbesserte Rahmenbedingungen für Engagierte zu investieren“, erläutert die stellvertretende Projektkoordinatorin Miriam Nolting.
Als Teilprojekt B ist geplant, die Situation engagierter Personen aus den Bereichen Mobilität, Freiwillige Feuerwehr sowie Nahversorgung eingehend zu analysieren. Abschließend werden die Ergebnisse in einem Leitfaden mit empfohlenen Handlungsansätzen zusammengefasst.
Die Verbundkoordination obliegt dem Kreis Lippe, Fachdienst Ländliche Entwicklung und Innovation. Umgesetzt wird das Projekt im Innovationszentrum Dörentrup des Kreises Lippe, das sich als ein Reallabor zum Erhalt kommunaler Zukunftsfähigkeit versteht. Die Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung Nordrhein-Westfalen (HSPV) in Münster beteiligt sich als Verbundpartnerin, während das Institut für Politikwissenschaft der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) das Vorhaben als assoziierter Partner unterstützt.
Inzwischen liegen zwei von der HSPV herausgegebene Werkstattberichte vor. Der „Werkstattbericht 1“ erläutert zunächst die zentralen Begriffe „Daseinsvorsorge, ländliche Räume und bürgerschaftliches Engagement“. Die öffentliche Daseinsvorsorge in Deutschland, die als Sozialstaatsprinzip im Art. 20 Abs. 1 GG verankert ist, wird definiert als „Bereitstellung all jener Güter und Leistungen, die für Bürger*innen im Rahmen einer menschenwürdigen Lebensführung existentiell notwendig sind.“ Dazu gehört nicht nur die Grundversorgung, u.a. mit Wasser, Energie und Telekommunikation. Hinzu kommen Handlungsfelder wie der Brandschutz und die technische Hilfeleistung, der ÖPNV sowie die Nahversorgung.
Das Ziel, gleichwertige Lebensverhältnisse für alle Bürger*innen in Deutschland zu schaffen, sei zwar nur mit politischer Unterstützung einlösbar, konstatiert der Werkstattbericht. Im Gegenzug werde von den Kommunen jedoch Eigeninitiative erwartet. In diesem Zuge sollen bisherige Angebote hinsichtlich ihrer Zielgenauigkeit kritisch reflektiert und neue Formen der Zusammenarbeit unterschiedlicher Akteur*innen erprobt werden, zu denen auch bürgerschaftlich Engagierte gehören.
Welche Herausforderungen damit einhergehen und welche Erkenntnislücken es gibt, verdeutlicht die Auswertung von Forschungsergebnissen. Diese zeigen unter anderem, dass die nicht planbaren Einsätze der freiwilligen Feuerwehr, die hierarchische Struktur und das „Unterordnungsprinzip“ dem wachsenden Trend zur Individualisierung jüngerer Engagierter entgegenstehen. Zu den Hemmnissen zählt zudem eine mangelhafte Vereinbarkeit zwischen Engagement auf der einen und Familie und Beruf auf der anderen Seite. Dennoch lassen die Studienergebnisse auf eine hohe Motivation der Engagierten schließen, so die Autor*innen.
Mit der Frage, was Engagierte dazu motiviert, einen Bürgerbus zu fahren, befassen sich - dem Werkstattbericht zufolge - jedoch nur wenige Untersuchungen. Fundierte Kenntnisse darüber, wie dieses Angebot wahrgenommen wird und welche Rolle die Kommunen bei der Umsetzung spielen, sind gleichfalls selten. Ähnliches gilt für den Bereich der – meist genossenschaftlich betriebenen - Dorfläden, die als Alternative zu fehlenden bzw. weit entfernten Supermärkten entstehen.
Eine Befragung von Mitgliedern der freiwilligen Feuerwehr im Kreis Lippe haben die Projektverantwortlichen bereits durchgeführt. Die Ergebnisse werden voraussichtlich im ersten Quartal 2023 veröffentlicht, wie Miriam Nolting ankündigt. Berichte zu den Befragungen von Bürgerbus- und Dorfläden-Engagierten sollen zeitnah folgen.
Um das Problem des fehlenden Nachwuchses anzugehen, wurden zudem die Rahmenbedingungen junger Engagierter im Kreis Lippe gezielt in den Blick genommen. Neben einer Analyse des Forschungsstands fanden eine Online-Umfrage und Expert*innen-Interviews aus dem Bereich der Jugendarbeit statt. Die auf diesem Wege gewonnenen Informationen und Empfehlungen liegen als „Werkstattbericht 2“ vor. Nachfolgend eine Auswahl:
„Unserem Verständnis nach sind Engagierte alles andere als Lückenbüßer*innen für fehlende Ressourcen“, unterstreicht Miriam Nolting. „Es geht vielmehr darum, mehr Möglichkeiten zur Mitgestaltung innerhalb der Daseinsvorsorge zu schaffen.“ In diesem Sinne hofft sie, dass Akteur*innen aus anderen Kreisen ebenfalls von den Projektergebnissen profitieren.
Weitere Informationen
https://kommunen-innovativ.de/sroi
https://innovationszentrum-doerentrup.de/projekte/sroi/
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