Suche
Was darf man von einer guten Kita erwarten? Sie soll die Persönlichkeit des Kindes fördern, frühe Talente entwickeln helfen und Defizite des Elternhauses ausgleichen. Denn viele Fähigkeiten bildet der Mensch in den ersten Lebensjahren heraus. Nicht gerade wenig. Bildungsforscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) untersuchen in einer neuen Studie den Zusammenhang von Kita-Qualität und Sozialkompetenz. Das Ergebnis: Je besser die Kita, desto rücksichtsvoller sind Kinder, desto eher teilen sie mit anderen und benehmen sich freundlich gegenüber Jüngeren. Dabei handelt es sich nicht einfach um Tipps aus der Benimmschule, sondern um Verhaltensweisen mit langfristigen Konsequenzen.
Früh entwickeltes soziales Verhalten hilft nicht nur, die Gesellschaft menschlicher zu gestalten. Es könne auch über den Erfolg des Einzelnen im Beruf mitentscheiden, denn es präge die Fähigkeit zur Teamarbeit, meinen die DIW-Autoren Georg Camehl und Frauke H. Peter. Mehr noch: Eine gute Kita könne bei Kindern bildungsferner Mütter sogar Lücken im Sozialverhalten ausgleichen.
Im vergangenen Jahr besuchten fast 33 Prozent der Kinder unter drei Jahren eine Kita, im Alter zwischen drei bis sechs Jahren mit 94 Prozent fast alle Kinder. Die DIW-Untersuchung zur Beziehung zwischen Kita-Qualität und Sozialverhalten basiert auf Daten des Nationalen Bildungspanels (NEPS) sowie auf Befragungen von Erziehern und Eltern zu rund 1.700 Kindern. Sie sind zwischen vier und fünf Jahre alt und besuchen bundesweit fast 200 Kindertageseinrichtungen.
Die DIW-Bildungsforscher Georg Camehl und Frauke Peter messen Kita-Qualität an folgenden Merkmalen: Gruppengröße, Personalschlüssel, Bildung des pädagogischen Personals und Materialien zum Spielen und Lernen (Strukturqualität) sowie an den gemeinsamen Aktivitäten (Prozessqualität). Die Studie vergleicht Kinder, die eine Kita-Gruppe mit höherer Qualität besuchen, mit Kindern, die eine Gruppe mit niedriger Qualität besuchen. Ergebnis: „Diese beiden Gruppen unterscheiden sich mit Blick auf ihr prosoziales Verhalten: Kinder, die eine Gruppe mit niedriger Qualität besuchen, nehmen weniger Rücksicht auf andere und sind weniger hilfsbereit.“
Allerdings stellt sich die Frage, ob positives Verhalten der Kinder tatsächlich auf gute Lernbedingungen in der Kita-Gruppe zurückzuführen ist oder eher auf den Einfluss eines förderlichen Lernumfelds daheim, in dem viel miteinander gesprochen, geteilt und gespielt wird. Mithilfe eines speziellen methodischen Verfahrens (entropy balancing) rechnen die Autoren diesen Herkunftseffekt heraus, um das prosoziale Verhalten ausschließlich der Kita-Qualität zuschreiben zu können.
Das Ergebnis: Positives Sozialverhalten der Kinder liegt bei Verwendung guter Kita-Materialien zum Spielen und Lernen um 15 Prozent höher als bei schlechten Materialien, bei einer Vielzahl gemeinsamer Aktivitäten um 10 Prozent höher als bei wenigen Aktivitäten, bei kleinen Gruppen um 8 Prozent höher als bei großen Gruppen.
Die Studie liefert außerdem einen nützlichen Beitrag zur Diskussion um Chancengleichheit. Denn ein Vergleich von Kindern mit prekärem sozialen Hintergrund zwischen verschiedenen Kita-Gruppen zeigt: „Vor allem Kinder von Müttern mit niedrigerem Bildungsabschluss profitieren von einer hohen Kita-Qualität.“ Bei Kindern aus bildungs- und einkommensstärkeren Familien sei dieses Muster nicht erkennbar. Eine hohe Qualität der Tagesbetreuung ist folglich gut geeignet, soziale Benachteiligung des Kindes durch das Elternhaus zumindest teilweise auszugleichen und mehr Chancengleichheit in Schule und Beruf herzustellen.
Eine weitere, zeitgleich erschiene Bildungsstudie des DIW ergänzt das Thema durch einen Blick auf den Kita-Anteil von Kindern ausländischer Herkunft. Immerhin hatten von den knapp drei Millionen Kindern, die 2016 eine Kita besuchten, 19 Prozent eine nichtdeutsche Familiensprache. Davon besucht ein Drittel der Kinder (rund 200.000) Einrichtungen, in denen die Mehrheit der anderen Kinder ebenfalls einen nichtdeutschen Hintergrund hat. Den Anteil von Kindern mit ausländischer Familiensprache schätzt Bildungsforscherin Ludovica Gambaro für Berlin sogar auf knapp 40 Prozent. Hingegen besuchen über 45 Prozent der deutschsprachigen Kinder eine Kita, in der weniger als zehn Prozent der Kinder zu Hause eine ausländische Sprache sprechen. „Die Situation birgt das Risiko, dass Kinder mit und ohne Migrationshintergrund von Beginn an ,parallele Bildungswelten’ verfolgen“, gibt Gambaro zu bedenken. „Das kann im Hinblick auf den Erwerb der deutschen Sprache und auf die Integration in die Gesellschaft nicht sehr förderlich sein."
Die DIW-Untersuchungen unterstreichen, wie wichtig die Qualität von Kindertageseinrichtungen für die frühe Förderung ist. „Mit Blick auf den Kita-Ausbau ist es vor dem Hintergrund dieser Ergebnisse wünschenswert, weiterhin und noch verstärkt die Qualität in den Blick zu nehmen und über einheitliche Mindeststandards zu diskutieren“, fordern Camehl und Peter. Investitionen in eine höhere Kita-Qualität eröffnen demzufolge nicht nur dem Einzelnen mehr Bildungschancen, sondern kommen der gesamten Gesellschaft zugute. Bildungsexpertin Gambaro stößt für das Kita-Klientel ausländischer Herkunft ins gleiche Horn: Hier sei es notwendig, Kitas finanziell so auszustatten, dass sie sich dieser Kinder besser annehmen könnten.
Schwerpunktausgabe DIW Wochenbericht „Kita-Qualität“, Nr. 51+52/2017:
Georg Camehl / Frauke H. Peter, Je höher die Kita-Qualität, desto prosozialer das Verhalten von Kindern, Bericht und Interview, Seiten 1197-1205 und Ludovica F. Gambaro, Kinder mit Migrationshintergrund: Mit wem gehen sie in die Kita? Seiten 1206-1213
Download
Krankenhaus
Digitalisierung im Krankenhaus: Keine Angst vor Jobverlust!
Pflege
Ambulante Pflege 4.0: Digitalisierung im Schneckentempo
Pflege
Umfrage: Bürger haben Angst vor dem Pflegeheim
Bildung
Früherziehung: Je besser die Kita, desto sozialer das Kind
Bildung
Familienzentren in NRW: Niederschwellige Angebote gefragt
Integration
Alle Kids sind VIPs: Und die Gewinner sind ...
Globalisierung
Die EU als Teil der Problemlösung
Buchempfehlung
Die Top Ten der Zukunftsliteratur
Susanne Bauer
Senior Referentin Unternehmenskommunikation
Konrad-Adenauer-Ufer 85
50668 Köln
T 0221 97356-237
F 0221 97356-477
E-Mail