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Auf ihr Krankenhaus in nächster Nähe lassen die Deutschen nichts kommen. Fast nichts. Drei Viertel der Bürger fühlen sich dort gut aufgehoben, ein Viertel wäre sogar zu einem finanziellen Notopfer bereit, um die Heimatklinik vor der Schließung zu retten. Doch wenn es um die eigene Behandlung geht, schlagen viele Patienten lieber einen Bogen drum herum, selbst wenn sie längere Anfahrtswege zur mutmaßlich besten Versorgung in Kauf nehmen müssen. Der Bürger und sein Krankenhaus – auf den ersten Blick eine schwierige Beziehung, wie eine Befragung der Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft PwC mit 1.000 Teilnehmern aufdeckt. Für Kommunalkrankenhäuser kommt es darauf an, die spezielle Bedürfnislage dahinter zu erkennen und die richtigen Schlüsse zu ziehen.
„Patienten sind kritischer geworden, ihre Erwartungen an Ärzte deutlich gestiegen“, unterstreicht die Studie. Dieser Anspruch setzt vor allem kleine und mittelgroße Krankenhäuser erheblich unter Druck. Bei 71 Prozent der Patienten mit schweren Erkrankungen und 62 Prozent mit chronischen Erkrankungen ist „ein großes Team von Topärzten und Spezialisten“ ausschlaggebend für die Klinikwahl. Mit zunehmender Tendenz, wie der Vergleich mit einer Erhebung aus dem Jahr 2014 belegt. Vergleichsportale unterstützen diesen Trend, weite Entfernungen verlieren an Bedeutung.
Ein wenig anders sieht es bei einfachen Behandlungen aus. Hier ist den Befragten ein hohes Maß an Hygiene und Sauberkeit noch wichtiger als der Zugriff auf ärztliche Spitzenkräfte (61 vs. 59 %). Die Wertschätzung für freundliches Personal (35 %) rangiert ebenfalls weit oben.
Diese Ergebnisse bescheren kleinen und mittelgroßen Krankenhäusern ein erhebliches Wettbewerbsproblem, schlussfolgert die PwC-Studie. Mangelnde fachliche Spezialisierung, geringe Fallzahlen und fehlende Mittel zur Modernisierung ihrer medizinischen Ausstattung setzen ihnen zu. Zugleich müssen sie durch Reformen und Fusionen Synergien freisetzen, um dauerhaften Defiziten vorzubeugen. Kommunale Häuser dürfen sich keinesfalls auf dem Vertrauen der Bürger ausruhen, warnt die Studie, auch nicht auf der Wertschätzung für ihre umfassende ambulante Behandlung unter einem Dach: Bei dem entscheidenden Anspruch höchster medizinischer Qualitätsstandards landen sie nach den Universitäts- (58 %) und Privatkliniken (28 %) erst mit großem Abstand auf dem dritten Platz (4 %).
Wenn es um ihre gesundheitliche Versorgung geht, schauen Bürger sehr genau hin, ergab die Untersuchung. Die grassierende Personalknappheit im Krankenhaus nehmen sie als größtes Problem wahr (25 %), außerdem klagen sie über das Essen und die Zimmerausstattung (18%), mangelnde Empathie der Ärzte (17 %) und unzureichende Pflegequalität (16 %). Kritik kann dazu führen, dass Patienten ein Krankenhaus nicht weiterempfehlen. Eine große Herausforderung, wie der verbreitete Fachkräftemangel verdeutlicht: Die Einrichtungen stehen vor gestiegenen gesetzlichen Anforderungen bei Umfang und fachlicher Zusammensetzung des Personals, verfügen aber nicht über hinreichende Finanzierungszusagen. Medizinisches Spitzenpersonal zu binden, dürfte künftig gerade für kleine und mittlere Kliniken zur Existenzfrage werden.
Ist ein Krankenhaus erst einmal in finanzieller Notlage, droht eine Abwärtsspirale. Denn Patienten schließen konsequent von der schlechten wirtschaftlichen Situation auf eine nachlassende Qualität bei ärztlicher Versorgung (41 %), Pflege (28 %) und medizinischer Ausstattung (30 %). Die zentrale Frage ist, wie es betroffenen Krankenhäusern gelingt, trotz Budgetierung rentabel zu arbeiten und ihre Finanzlage zu stabilisieren. „Wenn das Patientenwohl Vorrang haben soll, darf nur dort gespart werden, wo der Patient es am wenigsten wahrnimmt, das heißt etwa in der Verwaltung, im Einkauf (...), aber keinesfalls beim Personal“, raten die Experten. Leicht gesagt – die Personalkosten vieler Häuser machen mehr als 60 Prozent der Umsatzerlöse aus.
Dennoch hilft der allgemeine Verweis auf wirtschaftliche Zwänge nicht weiter. Einige Häuser wirtschaften besser als andere, beweisen die Finanz- und Leistungskennzahlen unterschiedlicher Krankenhausträger. Was lässt sich daraus lernen? Eine entsprechende PwC-Studie von Mai 2017* ermittelte zum Beispiel merkliche Unterschiede bei der Personalaufwandsquote (Verhältnis von Aufwand zu Umsatz). Demnach investieren öffentliche Krankenhäuser für einen Euro Erlös rund 0,70 Euro in Personal, während die privaten Häuser um 0,10 Euro und die freigemeinnützigen Einrichtungen um 0,07 Euro darunter liegen.
Auch die Rentabilität des Eigenkapitals variiert: Sie beträgt bei privaten Krankenhäusern 14,6 Prozent und bei kirchlichen Häusern 6,4 Prozent, gegenüber öffentlichen Häusern mit einem Verlust von 0,9 Prozent. Beide Parameter belegen, „dass öffentliche Kliniken gegenüber den Häusern der beiden anderen Träger deutlich im Rückstand sind.“ Eine wichtige Stellschraube in puncto Wirtschaftlichkeit ist auch das Days Sales Outstanding (DSO): Diese Kennziffer zeigt oft, dass Kliniken zu lange brauchen, um Forderungen einzutreiben, was ihre Liquidität gefährdet.
Befragte äußern ein hohes Maß an Bereitschaft, etwas für die wohnortnahe stationäre Versorgung zu tun. 25 Prozent wären zu einer einmaligen Sonderabgabe bereit, um das nächstgelegene Krankenhaus vor der Schließung zu bewahren, sieben Prozent mit mehr als zehn Prozent ihres monatlichen Nettoeinkommens. Für kleine und mittelgroße kommunale Häuser könne es sich folglich lohnen, bei den Bürgern der Gemeinde unter Beachtung des rechtlichen Rahmens um eine Spende zu werben, meinen die PwC-Analysten.
Eine ungewöhnliche Idee, die jedenfalls die Verbundenheit viele Bürger mit „ihrem“ Krankenhaus vor Ort zeigt. Nachhaltiger dürfte es sein, die aufgezeigten Verbesserungspotenziale auszuschöpfen. Die Zeit drängt: Gemäß dem aktuellen Krankenhaus Rating Report des RWI Essen schweben neun Prozent der Kliniken hierzulande in erhöhter Insolvenzgefahr.
* Krankenhäuser im Vergleich: Finanz- und Leistungskennzahlen“, PwC-Studie, Mai 2017, 19 Seiten, Download
Wenn der Patient sein Krankenhaus rettet. Bürger wollen die ortsnahe Versorgung stärken, PwC-Studie, Dezember 2017, 30 Seiten
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