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Laut Bundesgesundheitsministerium versteht man unter dem Begriff „Gesundheitskompetenz“ die „Fähigkeit, relevante Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu bewerten und für gesundheitsbezogene Entscheidungen anzuwenden“. Gesundheitsberufe haben daran einen entscheidenden Anteil. Im Rahmen einer Pilotstudie der Hertie School und der Universität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Stiftung Gesundheitswissen gaben einzelne Berufsgruppen erstmals Auskunft darüber, wie sie ihre Fähigkeiten insbesondere mit Blick auf die Förderung der Gesundheitskompetenz ihrer Patient*innen einschätzen. Dafür nahmen in Deutschland ca. 300 Allgemeinärzt*innen und hausärztlich tätige Internist*innen sowie mehr als 600 Pflegefachpersonen an einer Online-Befragung teil.
Wie die Autor*innen der Studie unterstreichen, wird es angesichts einer wachsenden Menge an verfügbaren Gesundheitsinformationen immer wichtiger, deren Relevanz und Güte richtig einzuschätzen. Doch die Gesundheitskompetenz in der deutschen Bevölkerung lässt einer vorangegangenen Studie zufolge deutlich zu wünschen übrig. Bei fast 60 Prozent der über 18-Jährigen in Deutschland ist diese gering ausgeprägt (Schaeffer et al, 2021a).
Erschwerend kommt hinzu, dass der rasche Zuwachs an (Fach-)Wissen – nicht zuletzt durch die Digitalisierung bedingt – für die Gesundheitsberufe ebenfalls eine Herausforderung darstellt. Lebensbegleitendes Lernen erscheint daher unverzichtbar. Dennoch fühlte sich die Mehrheit derjenigen, die an der Pilotstudie teilnahmen, den Anforderungen des Aufgabenbereichs „Informations- und Wissensmanagement“ gewachsen. Ärzt*innen kamen auf 65,8 von 100 möglichen Punkten. Pflegekräfte erzielten mit 64,7 Punkte ein vergleichbares Ergebnis.
Beiden Gesundheitsprofessionen bereitete es am meisten Probleme, „statistische Ergebnisse korrekt einzuordnen“. 23,9 Prozent der Ärzt*innen und 17,2 Prozent der Pflegefachpersonen gaben an, diese Aufgabe sei eher/sehr schwierig. 18,3 Prozent bzw. 14,4 Prozent betrachteten es zudem als eher/sehr schwierig, die Vertrauenswürdigkeit von Fachinformationen einzuschätzen.
Von besonderem Interesse ist außerdem der Befund, dass lediglich 51,6 Prozent der Ärzt*innen und 53,3 Prozent der Pflegekräfte angaben, durch ihre Ausbildung eher/sehr gut auf die Bewertung von Fachinformationen vorbereitet worden zu sein.
Der Aufgabenbereich „Informations- und Wissensvermittlung“ erhielt in der Befragung einen herausgehobenen Stellenwert und war mit fünf Teilbereichen der umfangreichste. Einer der Gründe: Patient*innen gelten inzwischen immer seltener als passive Empfänger*innen gesundheitlicher Leistungen, sondern vermehrt als „Ko-Produzent*innen“. Angehörige der Gesundheitsberufe benötigen daher viel Fingerspitzengefühl sowie die Bereitschaft, sich flexibel auf unterschiedliche Wissensstände bzw. Bildungsvoraussetzungen einzustellen.
Auch in diesem Aufgabenbereich kamen beide Gesundheitsprofessionen auf einen ähnlichen Gesamtpunktwert: bei den Ärzt*innen betrug dieser 60,6 Punkte, bei den Pflegekräften 62,5 Punkte.
„Informationen vermitteln und erklären“ fiel beiden Berufsgruppen in diesem Zusammenhang am leichtesten. Hier erzielten Ärzt*innen 69 Punkte und Pflegefachpersonen 70,3 Punkte. Die Aufgabe, mit fehl- oder falschinformierten Patient*innen umzugehen, bereitete beiden Gruppen hingegen die größten Probleme. Bei den Ärzt*innen traf dies auf 44,5 Prozent zu, bei den Pflegenden waren es 37 Prozent.
Der Bericht stellt in diesem Zuge jedoch klar, dass Pflegefachpersonen vor allem in der ambulanten und stationären Langzeitversorgung ihre Patient*innen meist über einen längeren Zeitraum intensiv betreuen und sie entsprechend gut kennen. Im Gegensatz zu hausärztlich tätigen Ärzt*innen müssten sie daher weniger ad hoc kommunizieren. Hinzu komme, dass in Deutschland nach wie vor die „handwerklichen“ Aspekte pflegerischen Handelns im Vordergrund stehen – das sogenannte „Hands-on-Nursing“. Diese Tätigkeiten würden oftmals eher schweigend verrichtet.
Als ein weiterer Aufgabenbereich setzte sich die Studie mit dem Thema „Patientenzentrierte Kommunikation“ auseinander, deren Verbesserung in den vergangenen Jahren wiederholt eingefordert wurde. Zum Erstaunen der Forschenden wurde dieser Aufgabenbereich von beiden Berufsgruppen als „relativ einfach“ bewertet. Entsprechend erinnern sie daran, dass sich die Kommunikation aus Sicht der Patient*innen keineswegs immer zufriedenstellend gestaltet. Als Beleg dafür kann die Erkenntnis gelten, dass etwa die Aufgabe, mit Patient*innen „gemeinsam Ziele festzulegen und das weitere Vorgehen zu entscheiden“ für beide Berufsgruppen innerhalb dieses Aufgabenfeldes die größte Herausforderung ist.
Der größte Handlungsbedarf wurde beim Aufgabenbereich „Professionelle digitale Gesundheitskompetenz“ identifiziert, in dem beide Berufsgruppen lediglich etwas mehr als die Hälfte der möglichen Punktzahl erreichten. Der Aufgabenteil „Patientinnen/Patienten dabei behilflich zu sein, die Vertrauenswürdigkeit gefundener digitaler Gesundheitsinformationen zu beurteilen“, bewerteten mehr als ein Drittel der Ärzt*innen und gut ein Drittel der Pflegekräfte als sehr schwierig.
Klare Unterschiede wiesen beide Berufsgruppen wiederum beim Thema „Organisatorische Rahmenbedingungen“ auf. Ärzt*innen schätzten diese insgesamt positiv ein und kamen entsprechend auf 76,2 von 100 möglichen Punkten.
Bei den Pflegekräften fiel das Ergebnis mit einer Punktzahl von lediglich 52,9 erheblich negativer aus. 37,2 Prozent von ihnen erklärten, dass es selten/nie möglich ist, ungestörte Gespräche zu führen. Außerdem verfügen 34,4 Prozent offenbar selten/nie über passende Räumlichkeiten. Ähnlich liegt der Fall beim Faktor „Ausreichende Zeit, um Gespräche mit Patient*innen zu führen“: diese Voraussetzung ist für 34,1 Prozent der Pflegenden nur selten vorhanden.
Ein Fazit der Studie lautet daher, dass es unabdingbar ist, für bessere Ausbildungs- und Rahmenbedingungen zu sorgen, die den unterschiedlichen beruflichen Ausgangssituationen beider Berufsgruppen gerecht wird. Außerdem sprechen sich die Forschenden dafür aus, mehr Informations- und Aufklärungsarbeit zu leisten, damit die Gesundheitsprofessionen für die Bedeutung von Gesundheitskompetenz sensibilisiert werden.
Schaeffer, D., Haarmann, A., Griese, L. (2023): Professionelle Gesundheitskompetenz ausgewählter Gesundheitsprofessionen in Deutschland. Ergebnisse des HLS-PROF-GER. Berlin/Bielefeld: Hertie School, Universität Bielefeld, Stiftung Gesundheitswissen.
alle abgerufen am 14.11.2023
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