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Eine umfassende Darstellung der Geschichte der Pflege und Pflegeausbildung in Deutschland würde Bände füllen oder viel Speicherplatz auf den Servern der Bibliotheken benötigen. Denn die Historie der Pflege ist ebenso komplex wie kompliziert. Der Weg zu einer eigenständigen, anerkannten Profession war lang und von vielen Auseinandersetzungen geprägt. Erst seit den 1980er Jahren kann man in (West)Deutschland von drei – mehr oder minder stark ausgeprägten – Sektoren von Pflege sprechen, die jeweils auch ihre eigenen Ausbildungsgänge ausgestaltet hatten: Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege; mit den entsprechenden Berufsabschlüssen und Titeln, wie (offiziell und umgangssprachlich): Krankenschwester, Kinderkrankenschwester, Krankenpfleger, Altenpfleger oder Gesundheits- und Krankenpflegerin.
Dieses dreigliedrige Pflegesystem in Deutschland wurde 2017 – nach einem jahrelangen, zum Teil heftig geführten fachlichen Streit – mit dem Pflegeberufe-Reformgesetz (PflBRefG) tiefgreifend neu geordnet und in eine generalistische, dreijährige Pflegeausbildung überführt; mit einem einheitlichen Berufsabschluss: Pflegefachfrau/Pflegefachmann.
Mit dieser Reform (Stichwort „Generalistik“) wurden die Hoffnungen verbunden, den Pflegeberuf attraktiver zu machen, um mehr Menschen für eine Berufstätigkeit in Kliniken, Heimen und ambulanten Diensten zu gewinnen.
Das Statistische Bundesamt hat die Aufgabe, einmal jährlich Zahlen zur Pflegeausbildung zu erheben und eine amtliche Pflegeausbildungsstatistik vorzulegen. Mit der Veröffentlichung der Werte zum 31.12.2022 sind nun die ersten drei Jahrgänge der Generalistik erfasst und damit genauere Analysen zur Wirksamkeit der neuen Pflegeausbildung möglich.
So haben im Jahr 2022 (Stichtag 31.12.) 52.140 Personen eine Pflegeausbildung begonnen, 2021 waren es noch 56.259 Neuverträge zum Jahresende, 2020 exakt 53.610. Damit sank die Zahl der neu abgeschlossenen Ausbildungsverträge von 2021 auf 2022 um immerhin 7 %. Von 2020 auf 2021 hatte man sich hingegen noch über eine Steigerung um 5 % freuen können.
Alle Bundesländer (bis auf Rheinland-Pfalz) müssen einen Rückgang der Ausbildungszahlen hinnehmen, wobei der Rückgang der absoluten Zahlen in Nordrhein-Westfalen um immerhin 1.143 Plätze (-9 %) besonders auffällig ist. Wenig erfreulich ist aber auch die Entwicklung in Bayern. Dort nahm die Zahl der Auszubildenden seit Einführung der Generalistik – im Gegensatz zu vielen Bundesländern, die zumindest 2021 einen leichten Zuwachs zu verzeichnen hatten – um knapp 800 Ausbildungsplätze ab. Zudem: In Bayern kommen rechnerisch lediglich 1,3 Pflegeauszubildende (alle drei Ausbildungsjahrgänge zusammen) auf 1000 Bürgerinnen und Bürger. Im Saarland, Mecklenburg-Vorpommern, Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Sachsen-Anhalt sind es hingegen zum Teil deutlich mehr als 2 Pflegeschüler pro 1000 Einwohnerinnen und Einwohner.
Das Durchschnittsalter (Median) bei Ausbildungsbeginn lag im Jahr 2022 bei 21 Jahren. Dabei ist festzuhalten, dass fast jede fünfte Ausbildung (9.867 = 19 %) zur Pflegefachfrau beziehungsweise zum Pflegefachmann erst in einem Alter ab 30 Jahren aufgenommen wurde. Knapp 3.900, beziehungsweise 7,5 % der Ausbildungen wurden sogar erst in einem Alter ab 40 Jahren begonnen. 726 Auszubildende im ersten Ausbildungsjahr waren am Jahresende 2022 sogar schon 50 Jahre und älter.
Unabhängig vom Alter bleibt die Pflege weiblich dominiert und geprägt. So wurde die generalistische Pflegeausbildung, ebenso wie die Vorläuferausbildungen, vor allem von Frauen gewählt, auch wenn der Anteil der Männer zuletzt leicht anstieg: 2022 starteten 38.631 (74 %) Frauen sowie 13.509 Männer (26 %) die Ausbildung. Die Anzahl der männlichen Auszubildenden nahm aber seit 2020 absolut um über 500 zu.
Die durchschnittliche vertraglich vorgesehene Ausbildungsvergütung von Auszubildenden in Vollzeit im 1. Ausbildungsjahr (Median) lag deutschlandweit zum Jahresende 2022 bei 1.191,00 € (2021: 1.166,00 €). Am unteren Ende der Skala rangieren die Vergütungen in Sachsen-Anhalt mit 1.141,00 € und Hamburg 1.170,00 €, ganz oben liegen Baden-Württemberg (1.281,00 €) und Schleswig-Holstein (1.280,00 €). Der Median im dritten Ausbildungsjahr liegt deutschlandweit gemäß den abgeschlossenen Ausbildungsverträgen bei 1.353,00 €, auch hier ist Baden-Württemberg mit 1.508,00 € der Spitzenreiter.
Mit diesen Ausbildungsvergütungen erreichen die Auszubildenden in der Pflege absolute Spitzenwerte im Vergleich zu anderen Branchen. Nach den Auswertungen des Bundesinstituts für Berufsbildung erhielten im ersten Ausbildungsjahr 2022 beispielsweise Auszubildende im Bäckerhandwerk monatlich durchschnittlich 684,00 €, Auszubildende in der Fachinformatik 1001,00 €, angehende zahnmedizinische Fachangestellte 893,00 € und künftige Bankkaufleute 1.135,00 €.
Zum Jahresende 2022 boten 15.261 Träger/Einrichtungen eine Pflegeausbildung an und meldeten Auszubildene bei den zuständigen Stellen. Diese Träger/Einrichtungen verteilten sich auf 1.113 Krankenhäuser (nach § 108 SGB V), 8.718 stationäre Pflegeeinrichtungen und 5.337 ambulante Pflegedienste. Bei 93 Ausbildungsbetrieben fehlte leider eine Zuordnung.
Der überwiegende Teil der neuen Ausbildungsplätze wurde in den genannten Krankenhäusern angeboten: exakt 26.889 (52 %). In stationären Pflegeeinrichtungen gab es 17.298 (33 %) und in den ambulanten Pflegeeinrichtungen 5.655 (11 %) neue Ausbildungsplätze. Bei 4 % (2.301) der abgeschlossenen Ausbildungsverträge zum Jahresende 2022 fehlte leider die Angabe des Ortes der praktischen Ausbildung.
Von den neuen Ausbildungsplätzen zum Jahresende 2022 wurden 13.536 (26 %) bei öffentlichen Trägern, 14.208 (27 %) bei privaten Trägern und 22.098 (42 %) bei freigemeinnützigen Trägern geschaffen. Bei 2.301 (5 %) Ausbildungsplätzen fehlte leider die Angabe der Trägerschaft.
Eine besondere Bedeutung hat, wie bei allen Ausbildungen, die so genannte Abbrecherquote, also die Anzahl der nicht erfolgreich und vorzeitig beendeten oder aufgelösten Ausbildungen. Ihre Pflegeausbildung beendeten ohne Prüfung (so genannte vorzeitige Lösungen) im Berichtsjahr 2022 17.982 Auszubildende, 2021 12.699, im Berichtsjahr 2020 waren es 3.681 Auszubildende. Über die drei ersten Berichtsjahre der Generalistik haben demnach 34.362 Personen ihre Pflegeausbildung vorzeitig ohne Examen abgebrochen.
Mit den ersten Trendmeldungen zu den Werten der Pflegeausbildung zum Stichtag 31.12.2023 ist im Frühjahr 2024 zu rechnen.
Autor:
Dr. Stefan Arend
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