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An- und Zugehörige leisten noch immer den Löwenanteil der Pflege. Gefordert sind insbesondere diejenigen, die ihr pflegerisches Engagement und ihren beruflichen Alltag unter einen Hut bringen müssen. Aktuell trifft dies auf etwa zehn Prozent aller Berufstätigen zu, wie Bundesfamilienministerin Lisa Paus Anfang März 2024 erklärte.
Doch wie verständnisvoll reagieren Unternehmen auf eine solche Doppelbelastung? Und auf welche Weise helfen sie den betroffenen Beschäftigten? Eine Kurzbefragung im Rahmen des Projekts „work & care“ ermöglicht einen Einblick. Durchgeführt hat sie das Institut Arbeit und Technik (IAT, Westfälische Hochschule) mit dem ZIG - Zentrum für Innovation in der Gesundheitswirtschaft Ostwestfalen-Lippe, Bielefeld.
Insgesamt haben 51 Unternehmen an der Befragung teilgenommen, die meisten mit Sitz in Ostwestfalen-Lippe. Den IAT-Forscherinnen Silke Völz und Michaela Evans ging es gemeinsam mit Uwe Borchers und Jan Hendrik Schnecke vom ZIG vor allem um drei Aspekte:
Die hier vorgestellte Analyse hat die Antworten von 26 Unternehmen gebündelt, die sich konkret zu ihren Maßnahmenportfolios geäußert haben, und daraus eine explorative Typologie entwickelt.
Um die defizitäre Lage von vielen pflegender Erwerbstätigen zu belegen, beziehen sich die Forschenden auf eine aktuelle Untersuchung von Adelheid Kuhlmey und Andrea Budnick. Danach können berufliche Einschränkungen bereits dann eintreten, wenn die häusliche Pflege regelmäßig mehr als eine Stunde pro Tag in Anspruch nimmt.
Die negativen Folgen reichen von einer Reduzierung oder sogar einer Aufgabe der Berufstätigkeit über Einkommenseinbußen der erwerbstätigen Pflegenden bis hin zu einem erhöhten Krankenstand, heißt es in der Analyse. Hinzu kommt, dass die Teilnahme an Weiterbildungsmaßnahmen erschwert oder gar nicht möglich ist. Daher sei eine zweifache Herausforderung erkennbar: „Während händeringend nach tragfähigen und nachhaltigen Strategien der Fach- und Arbeitskräftegewinnung und -sicherung gesucht wird, das ‚Jahrzehnt der Weiterbildung‘ und der ‚Aufbruch in die Weiterbildungsrepublik‘ ausgerufen werden, bleiben mit Blick auf Teilhabe, Unterstützung und Förderung pflegender Erwerbstätiger viele Fragen offen“, so der Befund.
Wie könnte ein effektiver Lösungsansatz aussehen? Die Analyse verweist in diesem Zusammenhang auf den 2023 erschienenen zweiten Bericht des Unabhängigen Beirats für die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf. Dieser empfiehlt, Arbeitgeber*innen für den Handlungsbedarf zu sensibilisieren, über Unterstützungsmöglichkeit zu informieren und diese im Unternehmen zu implementieren. Umsetzen lässt sich dies nach Ansicht der Forschenden jedoch nur, wenn sowohl die Betriebe als auch die fachlichen Berater*innen zuvor mehr konkretes Wissen über die Ausgangslage erhalten.
Von den 26 untersuchten Unternehmen antworteten 12, dass die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege für sie wichtig sei. Von diesen Unternehmen verfügen 8 über einen höheren Anteil weiblicher Beschäftigter. Eine weitere Erkenntnis: Alle berichteten, dass Beschäftigte ihre Arbeitszeit reduziert hatten, um die Pflege bewältigen zu können. In der Hälfte dieser Unternehmen mussten bereits Tätigkeiten umverteilt werden. Als Reaktion darauf wurden durchschnittlich 6,6 Maßnahmen ergriffen. Mitarbeitenden wird es beispielweise ermöglicht, ihre Tätigkeit bezogen auf die Arbeitszeit oder den -ort flexibler zu gestalten. Darüber hinaus sind spezielle Ansprechpartner*innen im Unternehmen sowie Angebote zur Entlastung im Rahmen des Betrieblichen Gesundheitsmanagements (BGM) zu nennen. In der Analyse gelten diese Unternehmen als „Informierte Allrounder".
Für 10 der befragten Unternehmen besitzt das Thema eine mittelgroße Relevanz, da sie bislang lediglich einzelne negative betriebliche Erfahrungen gemacht haben. Entsprechend sind die Portfolios überschaubar und beschränken sich auf eher unspezifische Maßnahmen, wie die flexible Arbeitszeit- und Arbeitsortgestaltung sowie Informationsangebote. Diese Unternehmen zählen die Forschenden zur Kategorie „Solide Kümmerer“.
Eine derzeit geringe Relevanz messen 4 der befragten Unternehmen dem Thema bei. Die geschilderten Erfahrungen betrafen weniger die betriebliche als die individuelle Ebene. Entsprechend verfügen diese Unternehmen nur über kleine Maßnahmenportfolios und bieten im Bedarfsfall meist Flexibilisierungsangebote an. Die Autor*innen bezeichnen sie als „Unspezifische Soforthelfer“.
Wie sich insgesamt zeigte, sind überbetriebliche und regionale Angebote bisher eher selten in die Portfolios integriert. Dazu zählt die Analyse unter anderem Vernetzungsaktivitäten mit anderen Betrieben und mit Anbietern von professionellen Dienstleistungen.
Das Resümee: Diese explorative Typologie liefert den Forschenden zufolge Hinweise für gezieltere Maßnahmenstrategien und sollte anhand einer größeren Stichprobe überprüft und weiterentwickelt werden. Eine bessere Vereinbarkeit von Beruf und Pflege stelle nicht nur eine individuelle und betriebliche Herausforderung dar, sondern sei ebenso Standortpolitik.
Unbedingt empfohlen wird eine verbesserte und gezieltere Einbettung von Betrieben in entsprechende regionale Strategien. „Hier liegen bislang nicht ausgeschöpfte Potenziale.“
Völz, S., Evans, M., Borchers, U. & Schnecke, J.H. (2023): Wie unterstützen Unternehmen die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege? Eine explorative Typologie. Forschung Aktuell, 2023 (12). Gelsenkirchen: Institut Arbeit und Technik, Westfälische Hochschule Gelsenkirchen Bocholt Recklinghausen, Download.
Weiterführende Informationen:
Die Analyse weist auf das NRW-Landesprogramm „Vereinbarkeit Beruf und Pflege“ hin, das Unternehmen, Behörden und Organisationen dabei unterstützen will, pflegefreundlicher zu werden. https://berufundpflege-nrw.de/
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