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Kinderwünsche verwirklichen, für Toleranz und Integration kämpfen, frühkindliche Bildung fördern, kulturelle Angebote unterstützen, Älteren helfen und Menschen vor Ort zusammenbringen – das sind nur einige Beispiele für die vielfältigen Aktivitäten von Bürgerstiftungen. Aktuell engagieren sich dort 27.000 Menschen ehrenamtlich, wie aus dem „Report Bürgerstiftungen. Fakten und Trends 2019“ der Stiftung Aktive Bürgerschaft jetzt hervorgeht. Doch wie andere Stiftungen haben auch die Bürgerstiftungen mit der Niedrigzinsphase zu kämpfen.
Dabei handelt es sich um eine unabhängige, gemeinnützige Stiftung von Bürgern für Bürger mit möglichst breitem Stiftungszweck. Sie engagiert sich in einem geografisch begrenzten Raum nachhaltig und dauerhaft für das Gemeinwesen – meist in den Bereichen Bildung, Jugend, Kultur, Umwelt und Soziales. Das Modell stammt ursprünglich aus den USA, die ersten Bürgerstiftungen in Deutschland entstanden vor mehr als 20 Jahren in Gütersloh und Hannover.
Sich lokal in der eigenen Kommune oder Region zu engagieren, ist zunehmend beliebt: So ist die Zahl der Bürgerstiftungen bundesweit auf mittlerweile 410 angewachsen – mit einem Stiftungskapital von insgesamt rund 423 Millionen Euro, stellt der aktuelle Report heraus. Für ihr Engagement wurden die rund 30.000 Bürgerstifterinnen und Bürgerstifter in diesem Jahr mit dem Deutschen Stifterpreis ausgezeichnet.
Die Bandbreite nicht nur der Angebote, sondern auch der finanziellen Ressourcen ist groß: So verfügt die mächtige Bürgerstiftung Hamburg über ein Stiftungskapital von 44 Millionen Euro, die derzeit kleinste Bürgerstiftung Denkendorf über 15.000 Euro. Das durchschnittliche Stiftungskapital lag 2018 bei rund einer Million Euro.
Die meisten Bürgerstiftungen gibt es in Nordrhein-Westfalen (113), gefolgt von Baden-Württemberg (106) und Niedersachsen (63). Das Saarland hat als einziges Bundesland keine Bürgerstiftung. Zu den Bürgerstiftungen mit der höchsten Projektförderung pro Kopf zählt die Bürgerstiftung Nindorf, die 2012 durch 76 Bürgerinnen und Bürger der kleinen schleswig-holsteinischen Gemeinde gegründet wurde. Seitdem wurden mehr als 115.000 Euro für gemeinnützige und mildtätige Zwecke ausgegeben, das entspricht rund 100 Euro pro Einwohner der Kommune (Stand 2019: 1.133 Einwohner). Die höchste absolute Projektförderung kam im vergangenen Jahr von der Bürgerstiftung Hamburg: Mit rund 2,5 Millionen Euro hat sie unter anderem Bildungs-, Bewegungs- und Kulturprojekte unterstützt.
Auch beim Einwerben von Spenden gibt es eine große Spannweite zwischen den Bürgerstiftungen: Sie lag 2018 zwischen 43 Euro und einer knappen Million. Im Schnitt hat eine Bürgerstiftung im vergangenen Jahr 35.000 Euro eingeworben. Die durchschnittlichen Ausgaben beliefen sich auf 43.000 Euro – die Spanne reicht hier von 73 Euro bis zu 2,5 Millionen Euro.
Darüber hinaus gibt es auch Unterschiede zwischen Ost und West: Die ostdeutschen Bürgerstiftungen verfügen zwar über ein geringeres Stiftungskapital als die westdeutschen, nehmen im Schnitt aber mehr Spenden (40.000 Euro) ein als ihre Pendants im Westen (35.000 Euro). Auch engagieren sich dort mehr und jüngere Menschen in Gremien und Projekten. Bundesweit eine wichtige Rolle spielen die Volks- und Raiffeisenbanken, die viele Bürgerstiftungen unterstützen – beispielsweise als Initiatoren und Wegbereiter oder als Projektförderer.
Trotz aller positiven Meldungen gründen sich aktuell weniger Bürgerstiftungen neu als in noch vor zehn Jahren. Ein Problem sind die niedrigen Zinsen, die den Stiftungen zu schaffen machen. Auch die überbordende Bürokratie schreckt möglicherweise bei der Errichtung einer Bürgerstiftung ab: Nach einer aktuellen Umfrage der Stiftung Aktive Bürgerschaft wenden Vorstände und Geschäftsführer bis zu zwei Drittel ihrer Engagementzeit für Bürokratie auf. Für die von der Bundesregierung angekündigte Entbürokratisierung im Ehrenamt sei es daher höchste Zeit, mahnt die Stiftung Aktive Bürgerschaft.
Auch der Generationswechsel ist ein Thema: Viele, die Bürgerstiftungen gegründet haben, kommen jetzt in das Alter, in dem sie Nachfolger suchen. Diese seien jedoch nicht immer einfach zu finden, so Natascha Trutzenberg vom Bündnis der Bürgerstiftungen kürzlich in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung. Dort äußert sie sich auch zu der Frage, ob Kommunen die Bürgerstiftungen nutzten, um sich schrittweise aus der Verantwortung zu ziehen. Ein Restrisiko bestehe immer, so Trutzenberg. Doch die meisten Bürgerstiftungen könnten das von ihrer finanziellen Ausstattung her gar nicht leisten, sie seien vielmehr als Ergänzung oder Impulsgeber zu sehen.
Report Bürgerstiftungen, Fakten und Trends 2019, Hg.: Stiftung Aktive Bürgerschaft, 8 Seiten, Download
www.aktive-buergerschaft.de/buergerstiftungen/buergerstiftungen-in-zahlen
Zusätzliche Meldung:
Neugründung: Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt
Das Bundeskabinett hat am 9. Oktober einen Gesetzentwurf verabschiedet, mit dem in Neustrelitz (Mecklenburg-Vorpommern) die Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt errichtet werden soll. Ihr Ziel ist es, das bürgerschaftliche Engagement und das Ehrenamt in Deutschland zu stärken, insbesondere in den strukturschwachen und ländlichen Räumen. Die Stiftung soll Serviceangebote für die Organisation von bürgerschaftlichem Engagement und Ehrenamt bereitstellen, die Vernetzung vor Ort unterstützen, ehrenamtlich Tätige bei der Digitalisierung unterstützen und begleitende Forschungsvorhaben fördern.
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