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74.000 Bewerber ohne Ausbildungsplatz und 53.000 unbesetzte Stellen – wie kann das sein? Diese aktuellen Zahlen der Bundesagentur für Arbeit zum Ausbildungsmarkt 2019 sind rein rechnerisch ein Widerspruch, für Arbeitsmarktexperten jedoch Ausdruck von Passungsproblemen. Darunter versteht man die mangelnde Übereinstimmung zwischen Angebot und Nachfrage, die Jugendliche und Ausbildungsfirmen nicht zusammenkommen lässt. In Zeiten des Nachwuchsmangels ein unhaltbarer Zustand: Woran liegt das, was lässt sich dagegen tun? Der aktuelle Ländermonitor Berufliche Bildung untersucht dieses nicht ganz neue Phänomen im Auftrag der Bertelsmann Stiftung.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Universität Göttingen haben für den Ländermonitor zahlreiche Daten zum Ausbildungsmarkt zwischen 2009 und 2018 ausgewertet.* Demnach hat sich die Situation für Jugendliche inzwischen verbessert. Damals herrschte ein deutliches Bewerber-Überangebot: 93.000 Jugendliche ohne Lehrstelle standen 17.000 freien Ausbildungsplätzen gegenüber, 2018 waren es 79.000 Bewerber und 58.000 offene Stellen – mehr als dreimal so viele Stellen wie zehn Jahre zuvor. Früher suchten sich Betriebe ihre Azubis aus, heute ist es umgekehrt.
Die Forscher kategorisieren die festgestellten Passungsprobleme folgendermaßen:
Beim Blick auf die Regionen werden recht unterschiedliche Ausbildungsmärkte deutlich. Auf 100 Bewerber kommen im nordrhein-westfälischen Hagen 80 offene Ausbildungsplätze, in Passau 129 und im thüringischen Altenburg-Gera 112. Entsprechend unterscheide sich auch die Konkurrenz um Auszubildende, stellen die Forscherinnen und Forscher fest.
Zwei Problemgruppen fallen in der Untersuchung auf. Erstens, die Hauptschüler: Nur ein Drittel fand direkt nach der Schule einen Ausbildungsplatz, weitere zehn Prozent eine schulische Ausbildung (2017). Mehr als die Hälfte jedoch (53 %) wechselte in eine Übergangsmaßnahme, zum Beispiel einen berufsvorbereitenden Kurs.
Schlecht sieht es zweitens auch für Bewerber ausländischer Herkunft aus. Kaum die Hälfte von ihnen (44 %) findet direkt nach der Schule eine Ausbildung, gegenüber 77 Prozent der deutschen Jugendlichen.
Auf dem Ausbildungsmarkt legen Jugendliche den Grundstein für ihre Erwerbsbiografie, entscheiden Unternehmen über den Fachkräftenachwuchs ihrer Branche. Die Studie mahnt daher höchste Priorität bei der Lösung der beschriebenen Passungsprobleme an.
„So sehr die Passungsprobleme momentan im Zentrum des öffentlichen Interesses stehen, so sehr muss gleichzeitig betont werden, dass selbst ihre vollständige Auflösung das Grundproblem eines Sockels von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung nicht zu lösen vermag“, stellt Autorin Claudia Burkard klar. Ein „beträchtlicher Anteil“ Jugendlicher bleibe mit Sicherheit ausbildungslos.
Um den schlechten Arbeitsmarktperspektiven Ungelernter vorzubeugen, empfehlen die Forscherinnen und Forscher öffentlich geförderte Ausbildungsplätze dort, wo das betriebliche Angebot nicht ausreicht. Nach dem Beispiel von Hamburg, Baden-Württemberg oder Österreich sollten sich betriebliche und öffentlich geförderte Ausbildung ergänzen, zum Beispiel, indem die zum Einstieg geförderte Ausbildung nach einer Qualifizierungsphase in reguläre Ausbildungsverhältnisse übergeht. Mit doppeltem Nutzen: „Auf diese Weise wäre sowohl den Jugendlichen gedient – denn sie bekommen die Chance auf eine Berufsausbildung – als auch den Betrieben, denen auf diese Weise vor- bzw. teilqualifizierte Jugendliche zur Verfügung gestellt werden.“
* Das Forschungsprojekt „Ländermonitor berufliche Bildung 2019“ der Universität Göttingen und des Soziologischen Forschungsinstituts in Göttingen (SOFI) wertet Daten des Bundesinstituts für Berufsbildung der Bundesagentur für Arbeit, der statistischen Ämter des Bundes und der Länder sowie Dokumente zu Berufsbildungspolitik aus den Bundesländern aus.
Weitere Informationen:
Claudia Burkard, Ländermonitor Berufliche Bildung. Zusammenfassung der Ergebnisse,
Hg. Bertelsmann Stiftung, Gütersloh 2019, 34 Seiten, Download
Die 16 Länderberichte sind einzeln unter www.laendermonitor-berufsbildung.de abrufbar.
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