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Mit banger Erwartung blickten die Beatles in die Zukunft: „Wirst Du mich noch brauchen, wirst du mich füttern, wenn ich 64 bin?“ In den sechziger Jahren ein Hit, heute ein Klassiker, mit dem die Fab Four von Liverpool aus der Welt eroberten. Zugleich ziemlich ernüchternd, die Fans, die sich nach „Sex, Drugs & Rock’n’Roll“ sehnten, schon mal mit dem möglichen Pflegeschicksal zu konfrontieren. Der Song „When I’m Sixty Four“ steht stellvertretend für die frühe Rockmusik, die das Altern als Fluch besang. Welche Stereotype werden dabei bedient, welche Altersbilder breitenwirksam transportiert? Das untersuchen die Wissenschaftler Peter Enste und Michael Cirkel vom Institut Arbeit und Technik (IAT) in einer explorativen Studie.
Für Altersstereotype in Kunst, Literatur, Film und Werbung liegen zahlreiche Untersuchungen vor. Beim Genre der Rockmusik klafft da noch ein weißer Fleck, den das Autoren-Duo mit vorliegender Publikation füllen will. Die Rock- und Popkultur mit ihrer vitalen Dynamik von Aufbruch und Abgrenzung projiziert eine nahezu ausschließlich defizitäre Wahrnehmung des Alters. Das hat Folgen, konstatieren Enste und Cirkel: „Die Vorstellungen von Alter und Altern haben langfristige Auswirkungen auf das Selbstbild von Menschen, ihre Fähigkeit, ihre Potenziale und Kompetenzen zu nutzen. Gleichzeitig haben sie Einfluss auf individuelle Lebensplanung und Bemühungen um eine aktive Gestaltung des eigenen Alternsprozesses.“ So sei zum Beispiel für Menschen mit positiver Wahrnehmung des eigenen Alterns eine bessere Gesundheit und längere Lebenserwartung erwiesen.
Die Studienautoren heben drei leitmotivische Altersbilder der Rockmusik hervor:
Auch wenn sie eher selten sind, es gibt sie doch, die wohlwollenden Alterssongs der Rockbarden. So blickt Peter Fox in seinem Lied „Haus am See“ (2008) versöhnlich in die späten Lebensjahre, frei nach der Devise: Körperliche Gebrechen lassen sich nicht wegdiskutieren, entscheidend ist die positive Lebensbilanz. „Hier bin ich geboren, hier werd' ich begraben. Hab taube Ohren, 'n weißen Bart und sitz' im Garten. Meine 100 Enkel spielen Cricket auf'm Rasen. Wenn ich so daran denke, kann ich's eigentlich kaum erwarten.“
Die Wandlungsfähigkeit von Rock & Pop hin zu einer positiven Sicht auf das Alter zeigt Billie Eilish in „Getting older“ (2021). „Ich werde älter, und ich glaube, ich werde gut alt. (…) Ich werde älter, ich trage mehr Last auf meinen Schultern. Aber ich werde immer besser darin, zuzugeben, wenn ich falsch liege.“ Wer will, kann in diesem Bekenntnis die veränderte gesellschaftliche Wahrnehmung vom Alter als einem positiv gestaltbaren Lebensabschnitt erkennen – die Künstlerin war bei der Veröffentlichung ihres Liedes 20 Jahre alt.
Die Untersuchung bleibt eine genaue Analyse schuldig, welchen Einfluss die Altersbilder auf die Zuhörerschaft und deren Umgang mit älteren Menschen haben. Generell, so schlussfolgern die Autoren, herrsche in der Rockmusik eine „überwiegend defizitäre Betrachtung des Alters“ vor. Das entspreche aber nicht der heutzutage gängigen Heterogenität der älteren Generation und stehe im Widerspruch zur aktuellen gesellschaftlichen Sichtweise, die vor allem die Chancen und Kompetenzen einer alternden Bevölkerung betont.
Ob sie es wollen oder nicht, auch die einstigen Rockrebellen tragen längst zum positiven Wandel gesellschaftlicher Altersbilder bei. Soweit sie ihre exzessiven Jahre überlebt haben, dürften sie die Chancen des selbstbestimmten Alters längst für sich entdeckt haben. Niemand in der Szene steht wohl so wie Mick Jagger für die Freuden der späten Jahre: Gerade erst von ihrer Europatournee zurück, präsentieren die Rolling Stones und ihr 80-jähriger Frontmann ein neues Album. Vom Rock’n’Roll zum Rollator scheint bei vielen Musikern noch ein weiter Weg.
Peter Enste / Michael Cirkel, (2023). Altersbilder in der Rockmusik. Forschung aktuell, 07/2023, Gelsenkirchen, Institut Arbeit und Technik, 19 Seiten
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Zum Thema siehe auch die Initiative „Neue Bilder vom Alter“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
www.bmfsfj.de/bmfsfj/themen/aeltere-menschen/aktiv-im-alter/neue-bilder-vom-alter/initiative-neue-bilder-vom-alter--77164
alle abgerufen am 06.10.2023
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