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Genossenschaften sind ein absolutes Erfolgsmodell: Fast eine Milliarde Menschen weltweit sind Mitglied einer Genossenschaft, in Deutschland ist es mehr als jeder Vierte (22,6 Millionen). 2016 hat es die Idee des Reformers Raiffeisen sogar auf die „Repräsentative Liste des immateriellen Kulturerbes der Menschheit“ der UNESCO geschafft. Nach einer Umfrage des Forsa-Meinungsinstituts zum Raiffeisenjahr 2018 sind zwei Drittel der Menschen in Deutschland davon überzeugt, dass Genossenschaften für mehr Gerechtigkeit sorgen, bei den unter 30-Jährigen sind es sogar 70 Prozent. Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der in diesem Jahr 200 Jahre alt wird, ist jedoch nur wenigen bekannt.
Friedrich Wilhelm Raiffeisen kam 1818 in Hamm an der Sieg als siebtes von neun Kindern zur Welt. Für eine höhere Schulbildung fehlte das Geld, weshalb er sich für acht Jahre beim Militär verpflichtete. Danach wurde der Westerwälder Bürgermeister mehrerer kleiner Gemeinden, u.a. des heutigen Neuwied. In Zeiten großer Not gründete er einen „Brodverein“ zur Verteilung von Lebensmitteln und einen „Hülfsverein zur Unterstützung unbemittelter Landwirte“ mit Krediten für Bauern. In seinem Darlehnskassen-Verein von Anhausen und Heddesdorf mussten Kreditnehmer erstmals auch Mitglied werden – die Basis für die heutigen Genossenschaften war gelegt. Raiffeisens Credo: „Was einer allein nicht schafft, das schaffen viele.“
Genossenschaften sind ein alternatives Wirtschaftsmodell, bei dem die Kunden zugleich auch Mitglieder und Miteigentümer mit Anteilen am Unternehmen sind. Alle Mitglieder (egal wie hoch die eigene Einlage ist) können gleichberechtigt über Ausgaben und Investitionen mitbestimmen. Dem „Shareholder Value“ wird hier der „Member Value“ gegenübergestellt: Gewinne werden nicht an anonyme Investoren ausgeschüttet, sondern werden entweder auf die Mitglieder verteilt oder für Investitionen der Genossenschaft verwendet. Sie kommen also allen Mitgliedern zugute. Nicht Großaktionäre geben den Kurs vor, sondern jedes Mitglied hat hier eine Stimme. Dieser Grundsatz ist im Genossenschaftsgesetz fest verankert: Oberstes Ziel der Genossenschaften ist es, ihre Mitglieder zu fördern. Dies kann wirtschaftlich, sozial oder kulturell geschehen.
Ein Beispiel für soziale Ausgewogenheit, die viele hierzulande missen: So sind laut Forsa-Umfrage nur acht Prozent der Befragten der Ansicht, dass fast alle Menschen in Deutschland von Wirtschaftswachstum und Wohlstand profitieren. Knapp die Hälfte vertrat dagegen die Meinung, dass maximal ein Drittel oder weniger wirklich einen Vorteil daraus ziehen.
Kein Wunder also, dass die Genossenschaften in Zeiten disruptiven Wandels und sozialer Unsicherheiten mit ihrem klaren Bekenntnis zur Solidarität eine Renaissance erleben: „Viele Organisationen verlieren heute Mitglieder, aber bei Genossenschaften zeigt der Trend klar nach oben“, so der Vorsitzende der Deutschen Friedrich-Wilhelm-Raiffeisen-Gesellschaft, Werner Böhnke. 8.000 genossenschaftliche Unternehmen gibt es bundesweit – von der Apotheker- bis zur Zweiradgenossenschaft. Auch Zeitungen wie die taz oder die Tageszeitung „junge Welt“ sind genossenschaftlich organisiert, bekannte Beispiele für Dienstleistungsgenossenschaften sind Rewe oder Edeka.
Die größte genossenschaftliche Gruppe in Deutschland sind mit 18,5 Millionen Mitgliedern die Genossenschaftsbanken. Während die Zahl der Mitglieder in den letzten Jahrzehnten kontinuierlich gestiegen ist, nahm die Zahl der Volks- und Raiffeisenbanken fusionsbedingt deutlich ab: Laut dem Onlineportal Statista von knapp 7.100 Banken (1970) auf 915 in 2017.
Die Ziele der Genossenschaften sind unterschiedlich: Mal schließt man sich zusammen, um Kita-Plätze zu schaffen, mal geht es um Projekte zur Versorgung von Senioren oder Schülern, um alternative Energieversorgung, bezahlbaren Wohnraum, faire Finanzprodukte oder schnelleres Internet. Der Begriff „Sozialgenossenschaften“ ist fest etabliert.
Laut Forsa-Umfrage sind 27 Prozent der rund 1.000 Befragten bereits Mitglied in einer Genossenschaft – vor allem in Gemeinden mit weniger als 5.000 Einwohnern gibt es überdurchschnittlich viele Genossenschaftler. 90 Prozent der Befragten wären grundsätzlich bereit, einer Genossenschaft beizutreten, die sich für ihre Belange einsetzt. Dabei sind Bewohner großer Metropolen besonders häufig an Genossenschaften, die sich sozial engagieren, sowie an Wohnungsbaugenossenschaften interessiert. Eine Mitgliedschaft in einer Energiegenossenschaft oder einer Genossenschaft für schnelleres Internet kommt dagegen eher für Bewohner kleinerer Städte und Gemeinden in Frage.
Ertragreich auch im wirtschaftlichen Sinn
„Es gibt heute viele Beispiele, die zeigen, dass die Genossenschaftsidee nicht nur für die Menschen sehr ertragreich ist, sondern auch im wirtschaftlichen Sinne“, so Malu Dreyer, Ministerpräsidentin von Rheinland-Pfalz anlässlich des Raiffeisenjahres 2018 unter Schirmherrschaft der Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier. Schließlich ist die Genossenschaft die insolvenzsicherste Unternehmensform in Deutschland. Und Maria Böhmer, Staatsministerin im Auswärtigen Amt, ergänzt: „Die Genossenschaftsidee hat eine große Tradition. Sie hat aber auch eine große Zukunft – und das ist für mich das Entscheidende.“
Wer war eigentlich Friedrich Wilhelm Raiffeisen, welche Impulse liefert sein Denken für die aktuelle gesellschaftspolitische Diskussion? Diesen Fragen widmet sich das Landesmuseum Koblenz in einer Sonderausstellung auf der Festung Ehrenbreitstein, die vom 13. Juni 2018 bis zum 27. Januar 2019 läuft. Sie zeigt, dass wir in unserem Alltag beinahe täglich mit Genossenschaften zu tun haben – etwa beim Einkaufen, in der Bank oder am Frühstückstisch. Fairer Handel, Gemeinwohlwirtschaft, Sharing Economy, solidarische Landwirtschaft und vieles mehr – all diese Bereiche zeigen, was Einzelne miteinander tun können.
Übrigens: Am 7. Juli ist Welttag der Genossenschaften mit zahlreichen öffentlichen Veranstaltungen! Einer der Höhepunkte im Veranstaltungsjahr ist derEvangelische Raiffeisenkongress am 18. und 19. Juni 2018 in Bonn.
Weitere Informationen zum Raiffeisen-Jahr 2018:
www.raiffeisen2018.de
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