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Sie steuern einen Begegnungsbus übers Land, bringen Kultur ins Wohnquartier oder betreiben eine Genossenschaft für kommunale Öko-Energie: Ostdeutschland liefert viele gute Beispiele für bürgerschaftliche Mitwirkung. Doch sämtlichen Initiativen zum Trotz fehlt es an einer wirksamen Infrastruktur zur Verstetigung und Bündelung bürgerschaftlichen Engagements. Darüber können auch ambitionierte Modell- und Leuchtturmprojekte nicht hinwegtäuschen. Um diesen Missstand anzugehen, legt die Studie der Stiftung Bürger für Bürgereine handlungsorientierte Bestandsaufnahme zur „Engagementförderung in Ostdeutschland“ vor.
Die Studie, die zusammen mit der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE) erstellt wurde, ruft zunächst einige generelle Unterschied zwischen der Engagementförderung in Ost- und Westdeutschland in Erinnerung. So wurden die meisten gemeinnützigen Organisationen im Osten erst nach 1989 gegründet. „Das bringt auch eine andere verbandliche Aufstellung des gemeinnützigen Sektors, etwa in der Freien Wohlfahrtspflege, mit sich“, sagt Studienleiter Dr. Holger Krimmer. Hinzu kommt die geringere regionale Abdeckung mit Freiwilligenagenturen. Eher gesamtdeutsch ist da der Befund, wonach staatliche und zivilgesellschaftliche Akteure nicht immer effektvoll zusammenarbeiten und die Engagementförderung auf Länder- und kommunaler Ebene oft nicht ineinandergreift.
Die Studie orientiert sich an acht Einrichtungstypen, die allesamt Gemeinschaft, Beteiligung, Vermittlung und Diskussion rund um bürgerschaftliche Mitwirkung bündeln: Selbsthilfekontaktstellen, Seniorenbüros, Mehrgenerationenhäuser, Freiwilligenagenturen, Bürgerstiftungen, Mütterzentren, Soziokulturelle Zentren und kommunale Ansprechpartner*innen. Schon ein erster Blick zeigte die unterschiedliche Verteilung von engagementfördernden Einrichtungen in den Ländern pro 100.000 Einwohnern: Mecklenburg-Vorpommern (2021: 6,8) führt das Ranking an, gefolgt von Thüringen (6,6) und Sachsen-Anhalt (4,5). Unterschiedlich sieht es auch bei der Anzahl unterschiedlicher Einrichtungstypen aus. Bei Selbsthilfekontaktstellen führt Thüringen (24), bei Bürgerstiftungen Brandenburg (14) und bei Mütter- und Familienzentren Sachsen (16).
Zum einen habe die Anzahl engagementfördernder Einrichtungen zugenommen (2013-2021: von 663 auf 703), die Anzahl der Freiwilligenagenturen und Seniorenbüros jedoch mit deutlichen regionalen Unterschieden abgenommen (von 84 auf 70). „Dafür hat sich die Zahl der Bürgerstiftungen von 26 auf 42 positiv entwickelt.“
Zum anderen befänden sich Mehrgenerationenhäuser, Freiwilligenagenturen, Seniorenbüros oder vergleichbare Einrichtungen überwiegend (80 %) in Städten mit 10.000 Einwohner*innen und mehr. Daraus folgt, dass 42 Prozent der Bevölkerung Ostdeutschlands in Gemeinden ohne engagementfördernde Einrichtungen leben.
Schließlich gebe es unterschiedliche Ansätze hinsichtlich einer zentralen oder dezentralen Engagementpolitik zu beachten: „Einzelne Bundesländer haben eigene, landesweit tätige Einrichtungen der Engagementförderung aufgebaut. Andere fördern an gleicher Stelle mit bislang zu wenig Ressourcen ausgestattete vernetzende zivilgesellschaftliche Akteur*innen und setzen auf die Stärkung dezentraler Netzwerkstrukturen“, heißt es.
Was muss getan werden, damit Bürger*innen, die sich für eine gute Sache einbringen wollen, ein motivierendes und wirkmächtiges Unterstützungsangebot vorfinden? Die Wissenschaftler*innen empfehlen Folgendes:
Vorliegende Studie ermöglicht eine erste Übersicht unterschiedlicher engagementpolitischer Strukturen und Maßnahmen. Das Ergebnis: „Während die Engagementbereitschaft besonders in Krisenzeiten sehr hoch ist, finden viele Menschen in Ostdeutschland (…) noch zu wenig Möglichkeiten, die vielfältigen gesellschaftlichen Herausforderungen durch ihr Engagement aktiv anzugehen. Hier zeigt sich, wie notwendig eine funktionierende Infrastruktur zur Engagementförderung ist.“
In einem nächsten wissenschaftlichen Schritt sollten die erfolgreichen Strukturen und Politiken der einzelnen Länder in ihrer Wirkung verglichen und ihr Lernpotenzial wechselseitig ausgetauscht werden.
Holger Krimmel, u. a. Engagementförderung in Ostdeutschland - Praxisbeispiele, Herausforderungen und Impulse. Hgg.: Stiftung Bürger für Bürger und Deutsche Stiftung für Engagement und Ehrenamt (DSEE), Halle (Saale), Langfassung 120 S., Kurzfassung 13 S.
www.buerger-fuer-buerger.de/studie-zur-engagementfoerderung-in-ostdeutschland/
www.buerger-fuer-buerger.de/broschuere-engagementfoerderung/
(16 Praxisbeispiele, 22 Seiten)
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