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Wenn die Not am größten ist, sind die Deutschen besonders spendabel. So zuletzt bei der Flutkatastrophe im Sommer 2021, die eine riesige Hilfsbereitschaft im ganzen Land auslöste. Aber auch schon vorher nahm das Spendenvolumen für humanitäre Hilfe aller Art zu. Der neue Spenden-Almanach des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI) veröffentlicht wichtige Fakten, Zahlen und Trends zum Spendengeschehen in den vergangenen zwei Jahren. Dabei zeigt das außergewöhnliche Krisenszenario dieser Zeit – Corona-Pandemie und Flutkatastrophe – auch ganz neue Aspekte des Spendenverhaltens.
Gleich zu Beginn lenkt der Almanach den Blick auf die Stärke und Vielfalt des Spendenwesens in Deutschland: Fast alle der mehr als 600.000 eingetragenen Vereine und 17.000 Stiftungen bürgerlichen Rechts hierzulande sind steuerbegünstigt und sammeln Spenden. Nahezu jede*r zweite Erwachsene hat Geld für ein Hilfsprojekt seiner Wahl gegeben (47 %), im Durchschnitt 300 Euro pro Jahr (2017). Die Spendenquote steigt mit dem Alter, Einkommen und der Lebenszufriedenheit. Frauen haben eine höhere Spendenbereitschaft als Männer, die Spendenquote in Ostdeutschland ist wegen niedrigerer Einkommen und Religiosität geringer als in Westdeutschland. Die aktuellen DZI-Zahlen beruhen auf Daten des Sozio-ökonomischen Panels (SOEP) und auf Umfragen.
Für 2020 errechnete das Zentralinstitut Geldspenden der privaten Haushalte Deutschlands von 11,7 Milliarden Euro – ein Anstieg um 11,3 Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Auch und gerade während der Corona-Pandemie zeigt die Bevölkerung in Deutschland eine sehr große Spendenbereitschaft“, hält das Jahrbuch fest. Solidarität mit den von der Pandemie besonders betroffenen Bevölkerungsgruppen wirkt hier als starker sozialer Antrieb. Damit setzt sich der Aufwärtstrend im Spendenverhalten der Bürger*innen fort. Seit 2009 (5,8 Mrd. Euro) hat sich die Summe nominal fast verdoppelt.
Auf welche unterschiedlichen Bereiche verteilt sich das Spendengeld für 2020? Darüber gibt die „Bilanz des Helfens 2021“ Auskunft, die im Februar 2021 vom Deutschen Spendenrat e.V. und der GfK vorgestellt wurde. Für Humanitäre Hilfe kamen 75,6 Prozent der Spenden zusammen, für Tierschutz 7,2 Prozent, für Umwelt- und Naturschutz 3,3 Prozent. Die restlichen Einnahmen teilten sich Sport, Kultur und sonstige gemeinnützige Zwecke.
Das Hochwasser vor allem in Teilen von Rheinland Pfalz und NRW im Juli vergangenen Jahres löste mit 584 Mio. Euro einen regelrechten Spendenrekord aus. Davon gingen 81 Prozent an Hilfsorganisationen wie Aktion Deutschland hilft, Deutsches Rotes Kreuz und Johanniter-Unfall und 17 Prozent auf Spendenkonten der Länder und Kommunen, z. B. des Landes Rheinland-Pfalz und dem Kreis Ahrweiler.
Die Gesamtsumme liegt weit über den Ergebnissen zum Elbehochwasser 2002 (350 Mio. Euro), zu den Überschwemmungen in Sachsen und Bayern 2013 (158 Mio. Euro) und auch zur Flüchtlingshilfe 2015 (117 Mio. Euro). „Die Spendenbereitschaft zugunsten der vom Hochwasser Betroffenen war überwältigend und drückte sich neben dem sehr hohen Geldspendenvolumen auch in vielen Sachspenden und ehrenamtlicher Mithilfe aus, deren Werte sich gar nicht genau beziffern lassen“, erläuterte Burkhard Wilke, Geschäftsführer und wissenschaftlicher Leiter des DZI in Berlin.
Das DZI verfügt vorerst nur über Schätzungen, geht aber davon aus, dass die Spendeneinnahmen für das Jahr 2021 nach 2020 mit „deutlich“ über zwölf Milliarden Euro einen erneuten Rekordstand erzielt haben. Die Gründe sind vielfältig: „In vielen Haushalten ist das verfügbare Geldvermögen wegen der immer noch eingeschränkten Konsummöglichkeiten weiter gestiegen und wurde zum Teil, wie schon 2020, für Spenden verausgabt“, erläutert Wilke. Die große zusätzliche Spendenbereitschaft anlässlich der Flutkatastrophe führt der Experte nicht einfach nur auf die Nähe des Geschehens vor der Haustür der Deutschen zurück. Wilke hält hier vielmehr die intensive Medienberichterstattung mit aufrüttelnden Bildern, Berichten und Fakten über die vielen Todesopfer und massiven Zerstörungen für entscheidend: „Auch bei internationalen Notlagen haben die Menschen in Deutschland ja wiederholt Sonderspenden im hohen zweistelligen oder sogar dreistelligen Millionenbereich geleistet, wenn entsprechend intensiv und bildunterstützt medial berichtet wurde.“
Für die beiden zurückliegenden Jahre weist der Almanach auf einen neuen Trend hin: erhebliche Spenden für Gewerbetreibende, die mit ihren Betrieben in teils existenzielle Not geraten waren. So riefen seit Pandemiebeginn entsprechende Initiativen von Spendenplattformen wie www.startnext.com und Websites von Kommunen und Wirtschaftsverbänden zur Unterstützung von Einzelhändlern, Restaurants und Kulturbetrieben auf. Nach dem Hochwasser wiederholte sich dieser Vorgang. Daraus ergeben sich allerdings auch noch ungeklärte Fragen, merkt der Almanach an: „In welchem Rahmen sind derartige Wirtschaftshilfen mit den Regeln der Steuerbegünstigung vereinbar und wie wirken sich solche Spenden auf die staatlichen Hilfszusagen für Betriebe aus.“
Unsicher ist auch die künftige Spendenentwicklung angesichts rückläufiger Mitgliederzahlen und schwindender ehrenamtlicher Arbeit in den Vereinen. Über letztere Tendenz berichtete das Engagement-Barometer zur Corona-Pandemie. Vor allem Organisationen, die bei der Spendeneinnahme stark auf Präsenzveranstaltungen wie Feste, Tombolas und Vorträge angewiesen sind, mussten Rückläufe verbuchen, wenn sie ihr Sammelanliegen nicht durch intensivierte digitale Kommunikation (E-Mail, Soziale Netzwerke) ausgleichen konnten.
Deutsches Zentralinstitut für soziale Fragen (Hg.), DZI Spenden-Almanach 2021, Berlin 2021, 336 Seiten
www.dzi.de/spenderberatung/spendenauskunfte-und-information/spenden-almanach/
Gemeinsame Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des DZI zum Spendenverhalten in Deutschland 2009-2017, DIW-Wochenbericht 8/2020, Seiten 103-113
Die Zahlen des Deutschen Spendenrats e.V. spiegeln ebenfalls wichtige Entwicklungen des Spendenwesens, beruhen aber auf anderen Erhebungsmethoden:
Trends und Prognosen 2021, GfK Charity Panel im Auftrag des Deutschen Spendenrats, Dezember 2021, 32 Seiten, Download
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