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Wo Frauen einen hohen Beschäftigtenanteil haben, müsste auch die Chefetage ziemlich weiblich sein. So könnte man denken, doch die Realität sieht anders aus. Ähnlich wie in anderen Branchen stehen auch in der Berufswelt der Sozialen Arbeit mehrheitlich Männer an der Karrierespitze. Breite gesellschaftliche Diskussionen und kluge Projekte zur Gleichstellung – alles umsonst? Und das ausgerechnet in der Sozialen Arbeit mit ihrem tief verankerten Selbstverständnis als Gerechtigkeitsprofession. Warum das so ist, thematisiert eine Studie des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge. Darüber hinaus wird deutlich, was sich ändern muss, damit dort, wo viele Frauen arbeiten, auch mehr von ihnen in Führungspositionen aufrücken.
„Der berufliche Aufstieg wird für Frauen umso schwieriger, je höher die Leitungsebene innerhalb einer Organisation angesiedelt ist“, ist das Autorenduo überzeugt. Allerdings mangele es zum einen an belastbaren Studien zum Thema, zum anderen werde es vorschnell als Spezial- oder Frauenthema abgehandelt. Lediglich einige Wohlfahrtsverbände wie AWO, Caritas und Diakonie verfügten über entsprechende Daten.
Nüchterne Zahlen belegen den hohen Frauenanteil in der Branche. So führt die Bundesagentur für Arbeit 375.000 Erwerbstätige in Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Sozialberatung (2018) mit einen Frauenanteil von 74 Prozent auf. Der „7. Genderbericht“ der Caritas kommt auf 82 Prozent Frauen unter den Beschäftigten – bei einem Frauenanteil von 23 Prozent bei hauptamtlichen Geschäftsführungen und Vorständen. AWO Bundesverband und Diakonie Deutschland liefern ähnliche Zahlen. Eine Ausnahme bilden einzig Kindertageseinrichtungen mit einem hohem Frauenanteil an Gruppen- und Einrichtungsleitungen. Ansonsten steigt der Männeranteil mit dem Ausbildungsniveau der Tätigkeit und der Hierarchieebene.
Der Anteil leitender Frauen in der Sozialen Arbeit erscheine auf den ersten Blick vergleichsweise hoch, gibt die Studie zu bedenken. So liege er bei Bankvorständen lediglich bei 13 Prozent, in DAX-Unternehmen bei knapp 18 Prozent (Statista 2021a+b). Demgegenüber sei der Frauenanteil in der Sozialen Arbeit wesentlich höher. „Darüber hinaus stehen Banken und DAX-Unternehmen nicht in dem Verdacht, sich auf ein Gerechtigkeitsparadigma zu berufen, wie es die internationalen Verbände der Sozialen Arbeit tun.“
Was läuft falsch, wieso kommt die Branche im Personalmanagement nicht ihrem eigenen Anspruch auf Chancengerechtigkeit nach? Drei Erklärungsansätze deuten das krasse Missverhältnis:
Mittelpunkt der Studie ist eine qualitative Erhebung mittels Interviews mit sechs leitenden Expertinnen und Experten. Diese arbeiten in Wohlfahrtsverbänden, einem freiem Trägerverband, einem öffentlichen Träger und einer Fachbereichsleitung. Nicht eben viel, aber hinreichend, um Trends und Strukturen auch heutzutage noch wirkmächtiger geschlechtsspezifischer Hürden für weibliche Karrieren in der Sozialen Arbeit zu erkennen. Folgende Lösungsansätze für mehr Chancengleichheit, die sich direkt oder indirekt aus den Antworten in den Interviews herleiten, verdienen Beachtung:
Inwieweit die händeringende Suche nach Nachwuchskräften in der Sozialen Arbeit erfolgreich ist, hängt wesentlich von den Perspektiven geschlechtergerechter Karrierechancen ab. Der Handlungsbedarf wird durch die Aussage eines Befragungsteilnehmers unterstrichen: „Da haben wir jetzt Headhunter, die kosten fast 20.000 Euro. Die haben über 90 Leute angesprochen, so gut wie keiner will sich dieser Aufgabe stellen.“
Damit wird klar, schlussfolgern die Autoren, „dass sich Leitung in der Sozialen Arbeit weiterentwickeln muss, attraktiver und durchlässiger gestaltet sowie für alle zugänglich gemacht werden sollte, wenn solch ein hoher Bedarf an qualifizierten Nachwuchsleitungskräften besteht.“
Selbstredend muss Chancengerechtigkeit für weitere Gruppen gelten, die auf der Leitungsebene ebenfalls weitaus seltener anzutreffen sind als in den operativen Arbeitsbereichen: etwa für Menschen mit Migrationsgeschichte.
Michael Boecker / Romina Maillaro (Hrsg.): Warum ist die Leitung sozialer Organisationen männlich? Soziale Arbeit kontrovers (28). Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V., Berlin 2022, 61 Seiten,
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