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Schon in frühesten Kindheitstagen beginnt alles mit dem Urvertrauen, das die Eltern dem Neugeborenen in Liebe und Geborgenheit einpflanzen. Auch im späteren Leben ist Vertrauen das soziale Bindemittel schlechthin. Es prägt die Persönlichkeit, hält Beziehungen und Gesellschaft zusammen, prägt Normen und vereinfacht das tägliche Miteinander. Krisenzeiten wie die aktuelle Corona-Pandemie zeigen, wie fundamental wichtig das Vertrauen in Regierung und Mitmenschen ist. Wie entsteht Vertrauen, was geschieht, wenn die Vertrauenskultur beschädigt ist? Eine verhaltensökonomische Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) gibt Antworten.
„Vertrauen ist die Hühnersuppe des sozialen Lebens“, so zitieren die IW-Forscher*innen den US-Politikwissenschaftler Eric M. Uslaner: Die Suppe stärkt die Gesundheit, Vertrauen das Zusammenleben. Doch neben diesem einprägsamen Vergleich gibt das Thema noch mehr her. So interpretierte der große Soziologe Niklas Luhmann das Vertrauen als Lernprozess, der die Komplexität der Welt auf sinnvolle Verhaltensrichtlinien reduziert. Nicht ohne Risiko: Der Vertrauende liefert sich seinem Gegenüber aus und hofft, dass sein individueller Vertrauensvorschuss durch wohlwollendes Verhalten belohnt werde. Kommt es anders, machen die zwei kleinen Schwestern des Vertrauens mobil – Skepsis und Zynismus als Resultat enttäuschter Erwartungen.
Der Großteil der Vertrauensforschung konzentriert sich auf den Einfluss des sozialen Umfelds, fasst die IW-Studie aktuelle Erkenntnisse zusammen. Unter zahlreichen wirkmächtigen Faktoren ragen Bildung und Schichtzugehörigkeit heraus. Vereinfacht ausgedrückt: Je höher Schulabschluss und sozialer Status, desto stärker die Bereitschaft, anderen zu vertrauen. So soll etwa eine zwei bis drei Jahre längere Schulbildung eine fünfprozentige Zunahme des individuellen Vertrauens bewirken. Zur Schichtzugehörigkeit heißt es, dass das größte Vertrauen in Mitmenschen in der unteren und oberen Mittelschicht besteht.
Vertrauen zahlt sich auch auf dem Bankkonto aus. Eine repräsentative Umfrage in den USA (2018) ergab, dass Menschen mit überdurchschnittlich viel Vertrauen ein mehr als doppelt so hohes Haushaltseinkommen haben wie Personen mit unterdurchschnittlichem Vertrauen. Dieser „robuste Effekt setzt sich einerseits durch höhere Einnahmen, höhere Renditen bei Investitionen, aber auch durch ein geringeres Risiko für Verschuldungen zusammen“, berichten die IW-Forscher*innen. Streit gibt es nur um die Kausalität: Bedingt ein Mehr an Vertrauen den Wohlstand oder der Wohlstand das ausgeprägte Vertrauen?
Aus Sicht des Homo oeconomicus hat es viele Vorteile, Freunden und Fremden vertrauensvoll zu begegnen. Es spart Kontrollaufwand, schafft Synergien, befeuert Handel und Wandel. Vertrauen ist also wertvolles Sozialkapital. Misstrauen hingegen untergräbt Kooperation und treibt die sozialen Transaktionskosten hoch.
Vom Vertrauen haben viele etwas: Es fördert die Entstehung von Gruppen, Teams und Organisationen. Vertrauenswürdige Personen taugen offensichtlich eher zum Vorbild, belegt die Forschung: Sie lügen, stehlen und betrügen weniger als andere, sind glücklicher und weniger konfliktbeladen.
Die Vertrauensforschung ist ein weites Feld, dessen einzelne Ergebnisse mitunter willkürlich erscheinen. Eine Einsicht, die schon Laotse im 6. Jahrhundert vor Christus hatte, lässt sich allerdings auch heute empirisch belegen: „Wer nicht vertraut, dem vertraut man nicht.“ Vertrauen ist auf Gegenseitigkeit angelegt und in wohldosierter Form gemeinschaftsstiftend. Allerdings muss das Vertrauen nach Art der Beziehung – von Paaren, Kunden, im Betrieb, in der Politik – differenzieren, sind die IW-Wissenschaftler überzeugt. Auch diese Erkenntnis ist von hoher Allgemeingültigkeit, erinnert ein Sprichwort: „Trau, schau, wem.“
Welche bedeutende Ressource das Vertrauen ist, zeigt sich in der Corona-Krisenbewältigung: das Vertrauen in die Angemessenheit temporärer Freiheitsbeschränkungen, in das Augenmaß der politischen Entscheider und die Expertise der Wissenschaft. Genauso dazu gehört das Vertrauen in die Legitimität demokratisch geübten Protests. Nur auf der Basis dieses Vertrauens kann die Pandemie ohne größere politisch-soziale Verwerfungen überwunden werden.
Hohen Stellenwert messen die Autoren einer guten Bildungspolitik bei, weil sie die Grundlage von Chancengerechtigkeit, Vertrauen und gesellschaftlichem Zusammenhalt sei. Hierbei komme es vor allem auf Investitionen in frühkindlicher Bildung an. Auf staatlicher und unternehmerischer Ebene seien Maßnahmen inklusiven Wachstums gefragt, um der Einkommens- und Vermögensungleichheit entgegenzuwirken und damit Vertrauen und Lebenszufriedenheit breiter Bevölkerungsgruppen zu stärken.
Darüber hinaus geben die Autor*innen noch einen ganz allgemeinen Rat: „Mehr Vertrauen in interpersonalen Beziehungen wagen. Selbstverständlich nicht blind und überall, doch dann, wenn die Risiken überschaubar sind.“ Das Schlusswort der Studie trifft durchweg zu: „Gerade in Krisenzeiten ist (…) Vertrauen gefragt.“
Dominik H. Enste / Lena Suling / Inga Schwarz, Vertrauen in Mitmenschen lohnt sich. Ursachen und Konsequenzen von Vertrauen auf der Individualebene, IW-Report 51/20, 19 Seiten, Hg.: Institut der Deutschen Wirtschaft, Download
Mehr zum Thema:
Dominik Enste / Lena Suling, Vertrauensindex: Europäische Länder im Vergleich – Vertrauen in Wirtschaft, Staat, Gesellschaft 2020,IW-Policy Paper 5/2020, 32 Seiten, Download
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