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Hat im Frühjahr noch mancher Chef versucht, den Schub ins Home Office auszusitzen, so bestätigt die zweite Covid-19-Welle, dass es keine einfache Rückkehr zur alten Präsenzkultur geben wird. Managementexperten bezeichnen die disruptiven Einschnitte in die Arbeitsorganisation als ein „Bootcamp der Führungskräfteentwicklung“: als einen knochenharten Lernprozess, in dem tradierte Vorbehalte gegenüber der Heimarbeit kreativen Lösungen weichen werden. Die neue Offenheit für flexible Arbeitsformen verlangt eine Neujustierung der Führungsrolle, konstatiert ein Beitrag der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): Die zentrale Frage: Wie kann Führung bei Beschäftigten im Homeoffice erfolgreich gelebt werden?
Die Diskussion um Organisation, Chancen und Grenzen von Home Office wird durch stark vertrieblich orientierte Beschäftigtengruppen sowie digital aufgestellte Unternehmen schon seit Jahren vorangetrieben. Auch von politischer Seite kommt Schützenhilfe: Bundearbeitsminister Hubertus Heil (SPD) möchte den Arbeitnehmern beim Thema Homeoffice den Rücken stärken. Corona wirkt geradezu als Katalysator quer durch alle Branchen. Während vor der Pandemie nur 17 Prozent der befragten Unternehmen das Homeoffice für die Mehrzahl ihrer Beschäftigten für realistisch hielten, wollen aktuell 42 Prozent das Angebot ausbauen, belegt eine Studie des Fraunhofer-Instituts. Ebenso viele denken darüber nach. Corona hat gezeigt, dass die Zusammenarbeit auf Distanz technisch funktioniert, wo eine leistungsfähige digitale Infrastruktur vorhanden ist. Mehr als 60 Prozent der Unternehmen wissen das damit verbundene Einsparpotenzial mittlerweile zu schätzen.
Führung ist ein zentrales Thema bei der Neuausrichtung von Arbeitsprozessen, die vorliegende DGUV-Studie nimmt drei Aspekte davon unter die Lupe: 1. Kommunikation, 2. Führungsstil sowie 3. Rolle und Selbstverständnis der Führungskraft. Die Bereitschaft zum Wandel in diesen drei Bereichen entscheidet darüber, ob Führung im Zeichen des flexiblen Arbeitens gelingt.
Im Home Office beschränkt sich der Austausch von Informationen und Kontakten auf technische Kommunikationskanäle wie E-Mail, Videokonferenzen und Telefon. Persönliches und spontanes Feedback entfällt, visuelle und auditive Hinweisreize gehen verloren. Corona sorgt mithin dafür, dass sich Kommunikation verstärkt auf die Sachebene beschränkt. Eine Konsequenz: „Für die Führungskraft ist es dadurch deutlich schwerer zu erkennen, ob Beschäftigte Unterstützung benötigen.“
Firmenbüro oder Heimarbeit – unterschiedliche Arbeitsformen verlangen spezifische Führungsstile. Hier lehnt sich die Studie an verbreitete Kategorien des Organisationsmanagements an und unterscheidet die direkte und indirekte Steuerung.
Indirekte Führung stellt hohe Anforderungen an Vorgesetzte und Mitarbeiter, thematisiert der DGUV-Beitrag. Das kann sich positiv auf Arbeitsklima, Leistung und Zufriedenheit aller Beteiligten auswirken, weil Handlungsspielräume und Autonomie zunehmen. Dieser Führungsstil birgt allerdings auch Konfliktpotenzial: Ein Vorgesetzter, der bislang Kontrolle und Briefing der Mitarbeiter als seine Kernaufgabe betrachtet hat, befürchtet möglicherweise Machtverlust. Überzogene oder unklare Ziele, mangelndes Selbstmanagement, das Ausbleiben von Feedback und Unterstützung können für Chefs und Mitarbeiter gleichermaßen eine „interessierte Selbstgefährdung“ auslösen – ständiges Engagement über die eigenen Leistungsgrenzen hinweg.
Führung auf Distanz in einer zunehmend digitalisierten Arbeitswelt verlangt ein gründliches Umdenken. „Führung sollte aktiv an diese neue Form des flexiblen Arbeitens angepasst werden.“ Konkret heißt das, die Veränderungen der Arbeitsorganisation in der Belegschaft offen zu thematisieren und deren Wünsche und Erwartungen in die Prozesssteuerung zu integrieren. Außerdem sollten sich die Verantwortlichen für souveränes Führen im „neuen Normal“ des flexiblen Arbeitens qualifizieren, raten die Autorinnen. Das Delegieren von Aufgaben, Organisieren von Teams und die Wahrnehmung von Fürsorgepflichten bedarf gründlicher Schulung.
In der betrieblichen Realität bilden die unterschiedlichen Führungsstile ohnehin keinen strikten Gegensatz. Sie können sich situativ ergänzen, schrittweise durchdringen oder abwechseln. Auch bei den Mitarbeitenden können sich im Verlauf ihres Erwerbs- und Privatlebens die Präferenzen ändern. Klar ist: Führen im Zeichen des digitalen Wandels stellt erhöhte Anforderungen – es verlangt ein ständiges Ausbalancieren von Präsenz- und Heimarbeit.
Susanne Roscher / Elisa Begerow, Führung im Homeoffice – Wandel der Führungsrolle und neue Herausforderungen, DGUV-Forum 8/2020 (Schwerpunkt Homeoffice), Seiten 10-14, Download
Josephine Hofmann / Alexander Piele /Christian Piele, Arbeiten in der Corona-Pandemie. Auf dem Weg zum New Normal. Studie des Fraunhofer-Instituts für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Personalführung (DGFP), 26 Seiten, Download
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