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Arzt oder Manager, Influencer oder Mode-Designer – junge Menschen haben sehr unterschiedliche Vorstellungen von ihrem Traumjob. Der Pflegeberuf kommt da eher sehr selten vor. Hier bestimmen oft Negativbeispiele das Bild einer ganzen Branche: Stress, vernachlässigte Senioren und schlechte Bezahlung. Dabei ist das Image der Pflege offenbar schlechter als die realen Verhältnisse. Eine Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung (BIBB) untersucht, welche Bedeutung das Ansehen der Pflegeberufe für die Berufswahl hat. Denn klar ist: Wenn händeringend Personal gesucht wird, kommt es auf den Ruf der Branche an.
Tatsächlich kann der Pflegeberuf punkten: Er gilt als krisenfest und zukunftssicher, verheißt Sinngebung und soziale Relevanz. Die Zusammenführung der verschiedenen Pflegefachausbildungen zur generalistischen Ausbildung sowie die neugeschaffenen Zugangsmöglichkeiten für Hauptschüler*innen sprechen zusätzliche Bewerberkreise an. Nach einer aktuellen Erhebung des BIBB unter Schüler*innen zum Image von Pflegeberufen kann sich derzeit jeder Fünfte (19 %) der Befragten eine Pflegeausbildung vorstellen, hingegen jeder Zweite (52 %) schließt sie für sich aus. Mehr Schülerinnen (26 %) als Schüler (11 %) neigen zu einer Pflegeausbildung, Jugendliche von Hauptschulen tendieren am häufigsten dazu (33%), Oberstufenschüler am seltensten (9%). Die Befragung erfolgte im Herbst 2021 und schloß 2.400 Jugendliche aus 66 allgemeinbildenden Schulen in NRW ein.
Die Befragung unterstreicht, wie wichtig die soziale Anerkennung für Jugendliche durch ihre Berufswahl ist, wie sehr sie dadurch ihre soziale Position als gestärkt oder geschwächt empfinden. Großen Einfluss haben dabei statusbezogene Merkmale wie etwa Bildung, Einkommen und Ansehen. Images von Berufen, so die Studie, müssten nicht die Realität widerspiegeln. Sie bündelten lediglich Vorstellungen von Berufsrollen und könnten den Ausschlag bei der Berufswahl geben. Für junge Menschen ist demzufolge sehr wichtig, was andere über bestimmte Berufe denken und wie sie auf ihre Berufswahl reagieren. Vor allem vom Urteil der Eltern und Freunde hängt die Antwort ab: Kann ich mich mit dieser Berufswahl bei anderen sehen lassen?
So ergibt sich ein ambivalentes Image der Pflegeberufe, besagt die BIBB-Studie. Pflegekräfte gelten bei den Jugendlichen als durchweg vertrauenswürdig, fleißig und kontaktfreudig, können aber weniger mit den entscheidenden Statuseigenschaften aufwarten: „Besonders schlecht aufgestellt sind Pflegekräfte dabei in Bezug auf das Einkommen, nicht sonderlich gut auch bei den Faktoren Bildung und Intelligenz.“ Entsprechend kommt eine Pflegeausbildung für viele Jugendliche nicht in Frage. Ungeklärt bleibt, ob diese negative Einschätzung durch die im Zeichen der Corona-Pandemie geführte Diskussion um bessere Bezahlung und das Ringen um Sonderzahlungen forciert wurde. „Insofern ist die Zahlung einer mit monatlich rund 1.200 Euro vergleichsweise hohen Ausbildungsvergütung für angehende Pflegefachfrauen und -männer (…) durchaus als ein Schritt in die richtige Richtung anzusehen, den Weg in die Pflege für Jugendliche attraktiver zu gestalten“, urteilt die Autorin. Es stehe aber zu befürchten, dass der Effekt verpuffe, wenn er sich nicht in der späteren Einkommensentwicklung fortsetze.
Weiterhin bestimmt das Herkunftsmilieu der Betroffenen die Sicht auf die Attraktivität von Berufen. So ergibt die Studie, dass Pflegeberufe am ehesten bei Hauptschülern und am wenigsten bei Jugendlichen der Oberstufe im Ruf stehen, andere Menschen durch die Wahrnehmung von Bildung, Intelligenz und Wohlstand zu beeindrucken. Dem Herkunftsmilieu entspricht auch die Einschätzung des Pflegeberufs als sozialem Auf- oder Abstieg. Ein Dilemma: Die Öffnung des Pflegeberufs für Hauptschüler*innen führt der Branche dringend benötigte Fachkräfte zu, dürfte diesen Effekt aber auch wieder abschwächen und zulasten des Berufsimages bei Jugendlichen mit höherer schulischer Vorbildung gehen, mutmaßt die Autorin. „Dies könnte die Rekrutierung dieser Jugendlichen – die nach wie vor die Hauptzielgruppe für eine Ausbildung zur Pflegefachkraft bilden – noch schwieriger machen.“
In welchem Umfang es künftig zu Verschiebungen in der schulischen Vorbildung der Auszubildenden und späteren Pflegekräfte kommt, bleibe abzuwarten, zumal der zugeschriebene Grad an Bildung und Intellekt ein wichtiger, aber nicht der einzige Einflussfaktor bei der Berufswahl sei. Nichtsdestotrotz sei es erforderlich, an der Wahrnehmung der professionellen Pflegeausbildung anzusetzen, erklärt BIBB-Präsident Friedrich Hubert Esser. „Dazu müssen wir verdeutlichen, dass Pflegeberufe nicht nur gesellschaftlich überaus relevante, sondern vor allem auch sehr anspruchsvolle Berufe sind, die von den Beschäftigten ein hohes Maß an Kompetenzen und Qualifikationen erfordern.“ Esser hält es für zielführend, ein bundesweit gültiges Berufslaufbahnkonzept in der Pflege zu entwickeln, durchlässig auszurichten und umzusetzen.
Weitere Info
Margit Ebbinghaus, Pflege? Damit kann ich mich (nicht) sehen lassen. Zum Image von Pflegeberufen und seiner Bedeutung für die Berufswahl Jugendlicher, BIBB Report, Heft 1/2022, Seiten 1-20
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www.bibb.de/bibbreport
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