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Der Hamburger Verein StrassenBLUES will obdachlosen Menschen kreative Wege aus der Armut aufzeigen. Das ist ihm vor allem während der Pandemie mit ihren Lockdowns und Kontaktbeschränkungen überzeugend gelungen. Die Kampagne #LetMeBeSafewurdeEnde Maimit dem ersten Preis und 10.000 Euro im BFS-Wettbewerb Sozialkampagne ausgezeichnet. Trendinfo wollte von Gründer Nikolas Migut wissen: Was macht eine erfolgreiche Social Impact-Kampagne aus – und was eher nicht?
Nikolas Migut: Während der Corona-Pandemie kamen die Hashtags #staysafe und #stayhome auf. Das entsprach dem Wunsch von Mitstreiter*innen, die selbst ein Zuhause haben. Aber wir haben uns gedacht: Was machen eigentlich obdachlose Menschen, die kein Zuhause haben? Unsere Aktion #LetMeBeSafe startete daher Mitte April 2020 mit dem Ziel, langfristige Lösungen für Obdachlosigkeit während und nach der Corona- Krise zu erarbeiten und gemeinsam weiterzuentwickeln. Dabei haben wir beispielsweise die Bürger*innen aufgerufen, anhand der Kontakt-Tabelle auf unserer Webseite direkt ihre lokalen Politiker*innen der 20 größten deutschen Städte anzuschreiben und nachzuhaken, was dort aktuell für obdachlose Menschen getan wurde.
Wir sind bereits seit 2015 für obdachlose Menschen in Hamburg aktiv und daher gut vernetzt. Obdachloseneinrichtungen kennen uns ebenso wie Menschen, die auf der Straße leben. Dieser Personenkreis wusste also, dass wir ihm durch unsere Foto-Kampagne direkt helfen können und hat uns gerne mit öffentlichkeitswirksamen Spruchtafeln unterstützt.
Der Ansatz setzt auf gut erzählte Geschichten, ist lösungsorientiert und soll Menschen inspirieren. Dabei arbeiten wir mit Text, Audio, Foto und Video. Für mich ist visuelles Storytelling entscheidend, um Empathie zu wecken. Wenn der Kern unseres Schaffens ein wirkungsvolles Storytelling ist, dann ist das Ziel, dass wir gemeinsam mit anderen – die uns folgen und unterstützen – einen positiven Wandel in unserer Gesellschaft anstoßen.
Wir sind seit unseren Anfängen auf Social Media – insbesondere auf Facebook – gut vertreten. Später kam Instagram dazu, dann auch LinkedIn und Twitter. Jede dieser Plattformen hat bekanntlich Vor- und Nachteile. Ohne die Fotos von David Diwiak und den passgenauen Zeitpunkt im Frühjahr 2020 wäre unsere Kampagne mit Sicherheit nicht so extrem weit verbreitet worden. Allerdings haben wir auch sehr davon profitiert, dass wir bei Facebook mehrere tausend Follower hatten, die dann unsere Kampagne weitergetragen haben. Letztlich glaube ich, dass unser Verein ohne Social Media in der Form nicht existieren würde.
Erst einmal: Es ist gut, Fehler zu machen, wenn man daraus lernt. Ich habe sicher viele Fehler im Sozialmarketing gemacht, einfach deshalb, weil ich viel ausprobiert habe. Aber mir war bei StrassenBLUES auch immer wichtig, dass wir visuell hervorstechen, unser Storytelling wiedererkennbar ist und wir damit Menschen nicht einfach nur erreichen, sondern aktivieren. Ein unnötiger Anfängerfehler wäre es für mich, aus fehlendem Mut auf der vermeintlich sicheren Seite zu bleiben, anstatt permanent auszuprobieren, einen geeigneten Weg zu finden und die eigene Message erfolgreich an die Menschen da draußen zu kommunizieren.
Die Bank für Sozialwirtschaft ist seit unserem Bestehen unser finanzieller Partner. Für mich ist es wichtig, dass wir damit einen verlässlichen Partner haben, der uns bei unseren teilweise sehr ungewöhnlichen Projekten unterstützt.
Die Wirkung solcher sozialen Projekte ist ja oft schwer zu messen. Klar können wir sagen, dass wir durch #LetMeBeSafe und das dazugehörige Dachprojekt „Corona-StrassenHILFE“ auf Social Media 1,5 Millionen Menschen erreicht haben. Wir konnten auch viele Spenden generieren, um 80 wohnungslose Menschen in drei Hostels geschützt vor Corona und Kälte unterzubringen. Hingegen sind die Auswirkungen auf Politik, Wirtschaft und Gesellschaft schon schwerer zu messen. Durch unsere Kampagne haben wir einen Austausch mit den Sozialsprecher*innen der Parteien in Hamburg, Unternehmen, NGOs, Medien und natürlich obdachlosen Menschen geschaffen, denen wir auch oft direkt helfen konnten. Langfristige Lösungen, wie unsere Vorhaben „Homes for Homeless“ (www.homesforhomeless.de) und „Working for Impact“ (www.workingforimpact.de) stehen noch am Anfang. Wir haben jedoch in der Vergangenheit bewiesen, dass wir bei solchen Projekten einen langen Atem gepaart mit viel Leidenschaft haben.
Das Preisgeld kam für uns genau zum richtigen Zeitpunkt. Wir hatten kurz vor der Preisverleihung eine Kampagne mit Sinn gestartet: „Teilhabe statt Armut“. Der Gedanke dabei: Wir sind überzeugt, dass jeder Menschen in Deutschland das Recht auf soziale Teilhabe hat. Obdachlose Menschen sind in unserer Gesellschaft ausgegrenzt – wir wollen gemeinsam mit ihnen und engagierten Hamburger*innen praktische Lösungen aufzeigen, damit sie wieder Teil unserer Gemeinschaft werden. Wir schaffen zunächst Aufmerksamkeit für das Problem (Ausgrenzung) und erarbeiten in zwei Events Lösungen (Teilhabe). Auf den Events mit obdachlosen Menschen, Expert*innen, Engagierten und Followern möchten wir Maßnahmen erarbeiten, bei deren Umsetzung wir mit lokalen Politiker*innen und anderen Organisationen mitwirken. Das Preisgeld eröffnet uns die Möglichkeit, diese groß gedachten Vorhaben zu finanzieren. #LetMeBeSafe hat sozusagen die Basis für #TeilhabeStattArmut geschaffen.
Der gemeinnützige Verein StrassenBLUES engagiert sich mit 2,5 festen Mitarbeiter*innen und rund 50 Ehrenamtlichen für und mit obdachlosen Menschen: „Weil wir es unerträglich finden, dass im Winter Menschen auf den Straßen unserer Stadt erfrieren – und diese übrigens am Leben auf der Straße auch im Sommer sterben. Weil wir davon überzeugt sind, dass wir die Gesellschaft, in der wir leben, verändern können, wenn wir miteinander reden, unserem Gegenüber zuhören und gemeinsam handeln. In Hamburg fangen wir damit an.“
https://strassenblues.de
www.migutmedia.de
Weitere Infos zu den besten Beiträgen des aktuellen Wettbewerbs sowie Dokumentationen zu früheren Preisrunden, Best-Practice und Videopräsentationen unter www.wettbewerb-sozialkampagne.de
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