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Die Zahlen sind ernüchternd: Rund jeder vierte Auszubildende hierzulande löst sein Vertragsverhältnis vorzeitig auf und wechselt entweder zu einem anderen Betrieb oder bricht die Ausbildung komplett ab. Die Fehlzeiten von Azubis aufgrund psychischer Erkrankungen sind in den letzten zehn Jahren um 100 Prozent gestiegen, das Volumen der ihnen verordneten Psychopharmaka hat sich ebenfalls verdoppelt.* Spezielle Patenprogramme, wie sie neuerdings private Unternehmen und öffentliche Einrichtungen wie etwa die Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg betreiben, sollen diesen verhängnisvollen Trend stoppen. Die Ernst-Abbe-Hochschule Jena hat jetzt im Rahmen des Projekts „Gesund am Start“ einen Leitfaden und ein Logbuch für ein Azubi-Patenprogramm entwickelt – beides kann kostenlos genutzt werden.
Das Patenprogramm wurde für vier Modellunternehmen aus der Region Jena aufgesetzt: zwei Großunternehmen und zwei Einrichtungen des öffentlichen Dienstes. Auszubildende höherer Lehrjahre begleiteten für die Dauer eines Jahres Auszubildende des ersten Lehrjahres. Die Paten wurden vorab geschult. Ziel war es, die Gesundheit und das betriebliche Zugehörigkeitsgefühl von Auszubildenden zu verbessern. Vor und nach der einjährigen Patenschaft wurden die Interventions- sowie eine Kontrollgruppe ohne Paten befragt. Mit insgesamt 166 Azubis in der Prä-Befragung und 143 in der Post-Befragung war die Stichprobe vergleichsweise klein, wie die Studienautoren einräumen. Parameter waren neben Resilienz und Selbstwirksamkeitserwartung der Teilnehmenden auch soziale Teilhabe, sportliche Aktivität sowie Tabak- und Alkoholkonsum.
Quantitativ unterschieden sich die Ergebnisse zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe nicht auffällig: Bei beiden Gruppen verbesserte sich im Vorher-Nachher-Vergleich das Sportverhalten und es wurde weniger geraucht. Dagegen stieg der Alkoholkonsum bei beiden Gruppen.
Die Workshops nach Ablauf des Projektjahrs mit den Teilnehmenden zeigten dennoch eine positive Wahrnehmung: „Die Patenschaft wirkte sich befördernd auf die Patenkinder aus – sowohl auf ihr Gesundheitsverhalten, als auch was ihre soziale Teilhabe im Unternehmen angeht“, so die Verantwortlichen. Die „Patenkinder“ berichteten von positiven Erfahrungen und einer guten Einarbeitung. Sie empfanden das Programm als hilfreich und konnten sich vorstellen, im nächsten Ausbildungsjahr selbst Paten für die Einsteiger zu werden.
Die Paten-Azubis wiederum sahen sich vom Unternehmen mehr wertgeschätzt. Sie fühlten sich nützlich und in ihrem Selbstbewusstsein gestärkt. Resilienz und Selbstwirksamkeitserwartung, die zu Beginn des Projekts auf einem relativ hohen Level war, verschlechterten sich im Laufe des Jahres allerdings – was die Studienautoren vor allem auf das Nachlassen der ersten Euphorie zurückführen.
Das Patenprogramm bindet neue Azubis gut in das Unternehmen ein – was bei der Suche nach Ausbildungsnachwuchs ein Wettbewerbsvorteil sein kann und möglicherweise auch die Abbruchquote verringern hilft. Im Rahmen des Projekts wurde daher eine Reihe von Praxishilfen für Unternehmen und Einrichtungen des öffentlichen Dienstes entwickelt: Leitfaden, Logbuch, Schulungspräsentation und Mustervorlagen für Patenschaft-Verträge.
*Aktuelle Fakten, Zahlen und Hintergründe zum Thema:
Berufsbildungsbericht 2018 des BMBF
Gesundheitsreport 2017 der TK
Stephanie C. Bühren / Christina Nolte / Eva-Maria Schneider / Heike Kraußlach, Gesund am Start – Förderung der Teilhabe und Gesundheit von Auszubildenden, in: Prävention und Gesundheitsförderung, Februar 2019, Springer-Verlag
Weiterführende Links:
Die entwickelten Praxishilfen stehen kostenlos über das Netzwerk Gesunde Arbeit in Thüringen zur Verfügung: www.netzwerk-gesundearbeit.eah-jena.de
Leitfaden: Praktische Beispiele und Tipps zu Themen wie Motivation, Kommunikation und den Umgang mit Konfliktsituationen. Download
Logbuch: Hilfsmittel bei der Dokumentation der Patenschaft. Enthalten sind standardisierte Protokollvorlagen für Treffen und Gespräche sowie die wichtigsten Inhalte aus dem Leitfaden in Kurzform. Download
Arbeitshilfe: Das Institut für Technologie und Arbeit e.V. hat 2015 im Rahmen der Publikation „Regionale Innovationsallianzen im Handwerk: Ein innovatives Format der Betriebsberatung vor dem Hintergrund des demografischen Wandels – Leitfaden für Berater im Handwerk“ eine Arbeitshilfe zu Rolle und Aufgaben eines Azubi-Begleiters (in diesem Fall: Meister oder Geselle) entwickelt. Download
Arbeitswelt
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